Severin Lüscher gegen Martina Bircher: Der geimpfte Arzt bleibt in der Schweiz, die nicht geimpfte Nationalrätin will ans Meer

«Was planen Sie für diesen Sommer, wie wollen Sie die Ferien verbringen?». Es war eine simple Frage, die Moderator und AZ-Chefredaktor Rolf Cavalli am Dienstagabend im «TalkTäglich» auf Tele M1 stellte. Doch die Antworten zeigten die unterschiedlichen Positionen von Grünen-Grossrat Severin Lüscher und SVP-Nationalrätin Martina Bircher bei der Streitfrage der Corona-Impfung deutlich auf.

Der 58-jährige Hausarzt, der schon zweimal geimpft ist, weil er in seiner Praxis oft mit Risikopersonen in Kontakt kommt, will mit seiner Frau in der Schweiz bleiben. «Wie letztes Jahr, wir haben das sehr genossen und möchten das wiederholen», sagte Lüscher.

Die 37-Jährige Nationalrätin, die Vorbehalte gegenüber der Covid-Impfung hat, möchte mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn im Sommer eigentlich ans Meer. «Das wäre mit der Impfung zwar viel einfacher», sagte Bircher, doch sie habe Mühe damit, dass der Bundesrat praktisch einen indirekten Impfzwang eingeführt habe.

Die SVP-Politikerin kritisierte das Covid-Zertifikat, das Voraussetzung für Zugang zu Grossveranstaltungen sein und auch andere Vorteile für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete bringen soll. «Der Bundesrat sorgt dafür, dass gesunde junge Menschen, die sich nicht impfen lassen, in der Gesellschaft benachteiligt sind», sagte sie.

Dass ein negativer Test im Covid-Zertifikat die gleichen Privilegien bringt, wie eine Impfung, überzeugt Bircher nicht. «Ein PCR-Test ist 72 Stunden gültig, es kann ja nicht Ziel sein, dass alle Leute, die sich nicht impfen lassen wollen, jeden dritten Tag ins Testcenter rennen.» Für die SVP-Nationalrätin ist klar: In den nächsten Wochen, wenn auch die letzten Impfwilligen über 60 ihre Dosen erhalten haben, müssen die Corona- Massnahme aufgehoben werden.

Bircher befürchtet gar noch weitergehende Einschränkungen, sollten die Zahlen im Herbst wieder steigen. Dann könnte der Bundesrat anordnen, dass zum Beispiel ein Restaurantbesuch nur mit Covid-Zertifikat möglich wäre – für Bircher eine inakzeptable Aussicht.

Lüscher: «Das Virus ist unser Gegner, nicht der Bundesrat»

Anders sieht dies Grünen-Grossrat und Hausarzt Lüscher. Er hat selber in seiner Praxis mehrere Dutzend Personen gegen Covid-19 geimpft und hielt fest: «Ich überrede niemanden zur Impfung, aber wenn man Risiken gegeneinander abwägt, dann empfehle ich sie.» Die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs nach einer Corona- Ansteckung sei auch bei jungen Menschen um ein Vielfaches höher, als die Gefahr von schwerwiegenden Nebenwirkungen nach einer Impfung.

Lüscher betonte, das Virus sei der Gegner, nicht der Bundesrat mit seinen Massnahmen. Diese können aus Sicht des Arztes nicht so rasch aufgehoben werden, wie sich Martina Bircher dies wünscht. Dies sei erst zu verantworten, wenn alle Personen, die dies wollten, auch eine Impfung erhalten hätten.

Das von Bircher kritisierte Covid-Zertifikat ist aus Lüschers Sicht nötig, denn in anderen Kontinenten sei die Pandemie keineswegs beendet. Über den Einsatz im Inland könne man diskutieren, aber für internationale Reisen brauche es wohl noch länger zwingend ein solches Dokument, sagte er.

Einig waren sich Lüscher und Bircher in einem anderen Punkt: Kinder ab zwölf Jahren zu impfen, halten beide für fragwürdig. Heute würde er keine Empfehlung dafür abgeben, sagte Lüscher. Bircher betonte, ihr dreijähriger Sohn sei gegen die üblichen Kinderkrankheiten geimpft, bei der Covid-Impfung habe sie aber Vorbehalte, weil nicht klar sei, was sie langfristig auslöse.