
Nur noch mit Covid-Zertifikat ins Kino oder ins Restaurant? Im Aargau glaubt kaum jemand an dieses Modell
Sie sollen die Rückkehr zur Normalität beschleunigen: die Covid-Zertifikate. Sie sind der Beleg dafür, dass Mann oder Frau geimpft oder genesen ist oder aber kürzlich negativ getestet wurde. Für Menschen mit diesem Beleg soll es mehr Freiheiten geben.
Fix ist allerdings noch nichts. Der Bundesrat wird noch die Kantone anhören, voraussichtlich im Juni definitiv entscheiden und allenfalls dann diese Zertifikate einführen.
Es soll verschiedene Anwendungsbereiche für die Zertifikate geben: In manchen Branchen sollen nur dank dieser Belege Öffnungen möglich werden: etwa für Nachtclubs oder in der Reisebranche. Dann gibt es Branchen, die freiwillig Zertifikate verwenden dürfen, um andere Schutzkonzepte aufzuheben: Restaurants, Kinos oder Fitnesszentren etwa.
Mehr Gäste dank Zertifikaten? Oder geschieht das Gegenteil?
Für diese stellen sich nun heikle Fragen: Wenn sie die Zertifikate einsetzen, also nur Menschen mit einem solchen Beleg hineinlassen, dürfen sie die anderen Schutzkonzepte aufheben? Restaurants dürfen mehr als vier Personen pro Tisch bewirten, in Kinos und Fitnesszentren werden die Besucherbeschränkungen aufgehoben, Kinos dürften zudem wieder Popcorn verkaufen.
Aber auf der anderen Seite müssten sie alle Kundinnen und Kunden ohne Zertifikat abweisen. Mit dem Risiko, dass diese auch nach der Pandemie nicht mehr kommen werden. Wie gehen die Betriebe mit diesem Dilemma um?
Kino-Betreiber: «Dazu möchte ich nichts sagen»
Die AZ wollte dazu eigentlich mit mehreren Betrieben reden. Am Telefon hiess es dann aber oftmals: Das ist mir zu heikel. Dazu möchte ich lieber nichts sagen.
So meinte etwa ein Aargauer Kinobetreiber: «Ich bin ganz klar gegen eine Zweiklassengesellschaft.» Seinen Namen möchte er aber nicht in der Zeitung lesen. Er hoffe darauf, dass der Bundesrat «diese unsägliche Situation» aus der Welt schaffen werde. Ausserdem: Dass diese Zertifikate überhaupt rechtzeitig kommen werden, daran glaubt er nicht.
«Seit über einem Jahr wissen wir, dass es Impfpässe brauchen wird. Und bis heute haben wir nichts.»
Sollten sich die Zertifikate verzögern, werden sie sowieso hinfällig. Sobald alle geimpft sind, die dies wünschen – also voraussichtlich ab August – sollen die Zertifikate laut Bundesrat nicht mehr zur Anwendung kommen.
Ähnlich tönt es bei einem anderen Kinobetreiber: Man warte jetzt erst einmal ab, was der Bundesrat entscheiden wird. Vorher möchte man nichts sagen. Auch aus einigen Restaurants tönt es so.
Gastro Präsident möchte lieber niemanden abweisen

Bruno Lustenberger, Präsident von Gastro Aargau.
Einer, der mit Namen hinsteht, ist der Gastro-Aargau-Präsident Bruno Lustenberger, Wirt im Hotel Krone Aarburg. Er sagt: «Unsere Gäste kommen freiwillig zu uns. Wir brauchen sie.» Abweisen möchte er lieber niemanden.
Er wisse aber nicht, wie gross die Akzeptanz für die Zertifikate sein wird. Wenn keine Gäste damit ein Problem hätten, könne er sich durchaus vorstellen, diese einzuführen.
Lustenberger hat zudem noch einige offene Fragen: Wie genau soll das Ganze in der Praxis funktionieren? Müsste er jemanden einstellen, der am Eingang die Zertifikate kontrolliert und allenfalls Gäste abweist? Das könne es eigentlich nicht sein, so Lustenberger: «Wir sind keine Polizisten.»
Und was ist mit den ausländischen Gästen? Touristen oder Leuten, die geschäftlich in der Schweiz sind. Bekommen auch diese ein Zertifikat? Und wenn nicht, was dann?
Es sei nun am Bundesrat, ein praxistaugliches Konzept vorzulegen. Dass das rechtzeitig passieren wird, daran hat Lustenberger aber seine Zweifel.
«Ich glaube nicht an den Bundesrat. Die Zertifikate werden nicht rechtzeitig kommen.»

Im Garten des Restaurants Linde in Fislisbach. Das Gastgeberteam v. l.: Geschwister Isabelle Uttiger-Schible, Felix Schibli und Sarah Pente-Schibli.
Jemand anderes, der bereits mit Namen hingestanden ist, ist Sarah Pente-Schibli von der «Linde» Fislisbach. Sie sagte zur AZ:
«Wir möchten niemanden ausschliessen. Die Schutzmassnahmen funktionieren und werden von den Gästen akzeptiert, für uns ist das der richtige Weg.»
Das Grand Casino Baden wartet noch zu

Das Grand Casino Baden hat aktuell nur mit Schutzkonzepten geöffnet.
Das Grand Casino Baden hat aktuell geöffnet – allerdings auch nur mit Schutzkonzepten. Wie steht man dort zu den Diskussionen? Auch von dieser Seite gibt man sich noch bedeckt: Man werde erst den definitiven Bundesratsentscheid abwarten, bevor man selbst entscheiden werde. Ein Sprecher schreibt: «Die Vorschriften ändern sich so dynamisch, dass frühzeitige ‹Was wäre wenn›-Entscheidungen keinen Sinn machen.»
Fitnesscenter: Alle sollen trainieren dürfen

Acim Sinani und Manuela Fritz vom «Swiss Training» in Aarau.
Eine Branche, die sich zwar auch solche Fragen stellen muss, die aber nicht ganz so stark betroffen ist, ist die Branche der Fitnesszentren. Ihre umsatzstarken Monate sind im Winter. Ist es wärmer, trainieren die Menschen häufiger im Freien, die Fitnesszentren sind sowieso schlechter besucht.
Darum sei es nun auch nicht ganz so tragisch, noch ein paar Monate mit Schutzkonzepten weiterzumachen, sagt Acim Sinani vom «Swiss Training» in Aarau. Denn er findet:
«Bei uns soll jeder hereinkommen dürfen, der will.»
Die Schutzkonzepte hätten sich mittlerweile etabliert, würden akzeptiert und auch eingehalten werden. Auch wenn sie bedeuten, dass weiterhin Einschränkungen in Kauf genommen werden müssen.