«Her mit der Spritze – und her mit den Nebenwirkungen!»: Von Impfneid, Impfschnecken und Impfjudihui

«Und ich fühle, wie der Impfneid langsam hochsteigt»

Katja Fischer De Santi, Romanshorn

Es gab mal ein Impfschiff, das ankerte praktisch vor meiner Haustüre, der Bundesrat fand es toll, ich auch. Hochrisikopatienten erhielten exklusiven Zutritt, dann lichtete es den Anker und ward nimmer gesehen – wie mein Impftermin auch. Zuerst hat mich das nicht gestört. Andere Kantone trödeln ja auch. Doch damit ist jetzt Schluss.

Selfies mit hochgekrempelten Ärmeln machen die Runde, #geimpft #judihui steht darunter. Impfausweise werden stolz herumgereicht. Wie schön für die, versuche ich zu denken und fühle, wie der Impfneid in mir hochsteigt – den ich mir aus intellektuellen Gründen eigentlich verbiete. Aber ich will doch auch ein Impfling sein. Ohne halblahmen Arm kann man ja bald nicht mehr mitreden.

«Haben Sie denn schon gestochen?»

Bruno Knellwolf, St. Gallen

Seit Monaten schreibe ich über Sinn und Zweck der Impfung, werde von Impfgegnern mit Hate-Mails zugedeckt, die ihre Inhalte aus den verschwörerischen Tiefen des Internets holen und mir viel Vergnügen beim Piks wünschen. Und nun stehe ich vor dem Impfzentrum in einer Schlange. Die Stimmung ist unaufgeregt, das Personal freundlich, das Anstehen kurz.

Bereits sitze ich auf dem Stühlchen und werde darüber informiert, dass Nebenwirkungen möglich sind. Vom Stich spüre ich nichts und frage den Impfer, ob er denn schon …? Hat er, wie bei 1600 anderen an diesem Tag auch. Nach einer halben Stunde verlasse ich das Impfzentrum, in der Nacht schmerzt der Arm ein bisschen. Fertig.

«War’s das jetzt wirklich?»

Sabine Kuster, Zürich

Es gibt die ewig Hoffnungsvollen. Und die Erdulder. Ich glaube, ich gehöre zur zweiten Gruppe. Das Leben ohne Feste, ohne Kino, ohne analoge Arbeitskolleginnen, ohne Umarmungen – ich hatte mir eingeredet, das mache mir nichts aus. Ich könnte das ewig aushalten. Weil hey, warmes Bett, voller Kühlschrank, nette Familie und so.

Dann kam die Bestätigung der beiden Impftermine per SMS. Zuerst war es ein süsses Gefühl, wie damals, lange her, als ich Tickets fürs U2-Konzert ergattert hatte. Dann sass ich da wie – na etwa wie ein Igel, der versteckt unter einem parkierten Auto vor einem bissigen Hund ewig ausgeharrt hat und dann plötzlich kein Gekläffe mehr hört. Ich dachte: «War’s das jetzt? Bald fertig Durchhalteparole?» Und merkte erst, wie eingeigelt ich immer noch war, oder sagen wir: elends verkrampft.

«Sie werden mit Moderna geimpft» – «Genau was ich wollte»

Othmar von Matt, Bern

Plötzlich wird’s doch persönlich. Impf-Fachfrau: «Sie werden mit Moderna geimpft.» Ich: «Genau, was ich immer wollte.» Impffachfrau, erstaunt: «Moderna hat aber die grösseren Nebenwirkungen.» Sie fügt hinzu: «Vor einer Stunde wurde hier noch mit Pfizer geimpft.» Mir egal. Moderna-Chef Stéphane Bancel hatte mich in einem Interview mit dieser Zeitung längst überzeugt. Meine Gedanken kreisen, doch sie setzt die Nadel bereits an.

Meine Augen haben sich kaum geschlossen, da ist alles vorbei. Ich erhalte mein Impfzertifikat, verabschiede mich, reihe mich wieder in den Tatzelwurm der schweigenden Impfwilligen ein. Diesmal aber auf der Überholspur jener, die für 15 Minuten in den Warteraum sitzen. Und die Nebenwirkungen? Für diese erste Impfung: «Moderna-Arm», Müdigkeit und ein wenig Kopfweh. Am 3. Tag ist alles weg.

«Und dieser bürokratische Akt löste ein Glücksgefühl aus»

Doris Kleck, Bern

Das Dokument hat einen unspektakulären Namen: «Impfempfehlung für mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19». Zuletzt aktualisiert wurde es am 14. April. Und dieser bürokratische Akt löste ein Glücksgefühl sondergleichen in mir aus. Die Eidgenössische Impfkommission und das Bundesamt für Gesundheit kommunizierten an jenem Frühlingstag, dass Covid-19-Genesene nur eine Impfdosis brauchen.

Und das auch erst nach sechs Monaten. Seither gehe ich tatsächlich etwas beschwingter durchs Leben. Ich kann (noch) nicht mit einem Impfzertifikat prahlen, und auch den «Moderna-Arm» kenne ich nur vom Hörensagen. Ich geniesse still und zeige mich grossmütig: Aus Neugierde testete ich die Impfplattform des Kantons Bern. Ich hätte einen Termin bekommen – schon wenige Tage später. Ich verzichtete darauf. Drängeln tu ich erst ab Juni.

«Ich freute mich auf den Piks wie ein Kind auf Weihnachten»

Dagmar Heuberger, Aarau

Das erlösende SMS ploppte am 9. März auf dem Smartphone auf: «Hier finden Sie Ihre Termine für die Covid-Impfung.» Im ersten Moment wollte ich es kaum glauben, hatte ich doch eben erst geunkt, ich würde vor Weihnachten keinen Impftermin bekommen. Bedenken, Unbehagen, Angst? Von wegen! Wie ein Kind auf Weihnachten freute ich mich auf den ersten Piks.

Im Kantonsspital Aarau ging alles sehr schnell, sehr professionell und äusserst freundlich. Eine Ärztin zählte mir eine Liste von möglichen Nebenwirkungen auf – die ich im nächsten Moment schon vergessen hatte. Inzwischen bin ich seit einem Monat doppelt geimpft. Nebenwirkungen? Keine. Seither nehme ich die Pandemie wesentlich lockerer und entspannter. Und lasse mich von einem ehemaligen Studienkollegen gerne als «Vaccin-Idiotin» bezeichnen.

«Die Impfung versöhnt mich mit dem Kanton Zürich»

Stefan Ehrbar, Zürich

«Impfgruppe N – das N steht für sofort»: Solche Witze machten unter Bekannten die Runde. Mit einer baldigen Impfung im «Impfschnecken»-Kanton Zürich rechnete ich in meiner privilegierten Situation als gesunder 30-Jähriger nicht mehr – bis am Freitag plötzlich Termine für alle freigegeben wurden. Das Motto der Software: «Der Schnellere ist der Geschwindere».

Ich wähnte mich im Vorteil. Solche Systeme kenne ich noch von der Universität. Damals war ich jeweils so erfolgreich, dass ich freitags kaum je Vorlesungen zu besuchen hatte. Dieses Mal ergatterten sich andere frühere Termine, aber in zwei Wochen ist es auch bei mir so weit. Ich bin sehr erleichtert und auch wieder etwas versöhnt mit meinem Kanton: Die Impfschnecke kommt doch aus ihrem Häuschen.

«N wie nie? Blödsinn, bis im Juni bin ich doppelt geimpft»

Florence Vuichard, Bern

Klar, es hat nicht alles perfekt geklappt. Und ja, das Buchungssystem war tatsächlich überfordert, als am Mittwoch der Impfzugang für alle über 18-Jährigen geöffnet wurde. Die dauerempörte Social-Media-Community überbot sich in Sarkasmus. Doch nüchtern betrachtet: Der Kanton Bern macht das nicht schlecht.

Ich habe ohne Probleme – und auch vom Handy aus – für mehrere ältere und wenig computeraffine Personen Termine gebucht. Und ich konnte auch meine zwei Termine fixieren als die Gross-Impfgruppe N zugelassen wurde. N wie «November» oder N wie «nie», wie die unzufriedenen Dauerkritiker nörgelten. Das ist Blödsinn. Bis Mitte Juni bin ich doppelt geimpft. Und damit deutlich früher, als zu erwarten war.