
Cornichon-Preisträgerin Uta Köbernick: Ein skeptischer Humor ohne Schenkelklopfer, bei dem nicht alle mitkommen
Nach etwa 45 Minuten: Uta Köbernick hat schon einiges gesungen und erzählt und noch mehr in Frage gestellt, vom Früher, das besser war (oder ist es doch besser, dass es früher war?) oder von der Liebe in Zeiten von Corona, die auch ihre Seiten hat wie Corona. Sie hat schon mehrmals zwischen Gitarre und Violine, Reimen und Parodien hin und her gewechselt und will schon wieder das nächste – wenn richtig gezählt – achte Lied anstimmen, als sie stoppt. Sie hält kurz inne, schmunzelt, sagt mehr zu sich selber als zum Publikum: «Man ist so vorsichtig geworden. Können sie Ironie noch lesen?»
Zögern und zaudern, suchen und warten
Ob spontan oder gekonnt geplant, dieser Moment fasst schön zusammen, was Uta Köbernick am Montagabend auf der Schützi-Bühne verhandelte: Es geht ums Zögern und Zaudern, ums Suchen und Warten, auf den richtigen Gedanken, den Sinn hinter allem oder, wie in einer der besten Sequenzen, darauf, dass der Bus aus der einen sich mit dem Bus aus der anderen Richtung im Blickfeld kreuzt. Eine leise vorgetragene Schilderung eines ereignislosen Nachmittags auf dem Balkon, deren Tragikomik nach eineinhalb Jahren Pandemie ebenso schmunzeln machte wie berührte.
So gesehen hätten sich die Oltner Kabarett-Tage keine passendere Preisträgerin für den «Cornichon» 2020 aussuchen können. Am 3. März des letzten Jahres verkündet, als Corona zumindest in unseren Breitengraden erst eine böse Vorahnung war, musste die Verleihung zweimal, der traditionell dazugehörende Auftritt gar dreimal pandemiebedingt verschoben werden. Ein langes Warten also. Oder, um es in den Worten der Preisträgerin zu sagen: «‹Es ist ein grosses Vergehen›, sprach die Zeit.»
Es sind solche knappen Sentenzen und Aphorismen, in welchen die Kunst der Uta Köbernick am hellsten strahlt. Die grossen kollektiven Lach-Anfälle gibt es in der gut gefüllten Schützi für solch hintersinnige Einzeiler aber nicht. Keine Schenkelklopfer, auch keine bissigen Abrechnungen; sondern ein Humor, der skeptisch hinterfragt – immer wieder und gerade sich selber.
Ob sich einige der Anwesenden ein knalligeres, lauteres Programm gewünscht hätten? Ob es Köbernick deshalb nach fast keinem Song lassen konnte, mit ihrer Gitarre unnötige Rockstar-Kapriolen zu machen? Im Zweifelsfall Slapstick, damit alle mal wenigstens einmal lachen können? Ja, manchmal konnte man beinahe auf die Idee kommen, die preisgekrönte Künstlerin würde ihrer eigenen Kunst nicht ganz vertrauen.
Ein Sammelsurium an Spickzetteln
Wenn Köbernick Lieder mittendrin abbricht und kurze Geschichten gar nicht erst auf den Punkt kommen, sondern um sich selber, um das Sagen an sich kreisen lässt, dann ist das natürlich bewusst komponiert. Genauso wie das Sammelsurium an Spickzetteln, das sie mal vom Tisch auf der Bühne, mal aus ihrer Hosentasche kramt.
«Es gibt Menschen, die bei mir immer den roten Faden suchen. Das ist er»,
stellte sie schon zu Beginn des Abends klar. Nicht umsonst lautet der Titel ihres Programms, mit welchem sie bereits seit 2019 tourt (oder getourt hätte): «Ich bin noch nicht fertig». Die hinzugefügten Corona-Nummern machten dieses zwar aktueller, aber nicht unbedingt stringenter.
Köbernick hütet sich davor, die Welt zu erklären
Diese Unaufgeräumtheit, dieses Nicht-zum-Punkt-Kommen: Dies überforderte einige Besuchende sichtlich. Beziehungsweise hörbar. Kaum eine Pointe, bei der der ganze Saal gemeinsam lachte. Zu schnell wechselte Köbernick mitunter von einem Gedanken zum nächsten, ohne ihn wirklich ausgesprochen zu haben, sodass es mitunter wirkte, als würde jede Pointe immer nur von einem Teil des Publikums mitgeschnitten. Oder wie Köbernick es ausdrückte:
«Ich dachte, ich hätte Mittel und Weg gefunden, doch dann waren es Mittelwege.»
Köbernick hat durchaus etwas zu sagen und auch Haltung. Doch hütet sie sich davor, die Welt zu erklären. Und wenn sie es dann doch tut, von ihrer Lektüre der Quantenmechanik inspiriert über eine mögliche Nicht-Existenz der Zeit sinniert, dann geht es auch da bald wieder weniger um die Sache, sondern ums Darüber-Nachdenken, um die Frage, was wir eigentlich überhaupt wissen können und warum unsere Ahnungen sich oft realer anfühlen als gelerntes Wissen.
In einer Welt, in der vor allem die gehört werden, die von sich selber die grösste Meinung haben, ist das eine willkommene Abwechslung. Ja, gerade indem Köbernick eben nicht von der hohen Bühne predigt wie ihre beiden zweifellos grandios-furiosen Kollegen Andreas Rebers und Max Uthoff, die vor und nach ihr den «Cornichon» gewannen, macht sie offenbar, dass Mansplaining (das ungefragte Erklären der Welt durch Männer) auch und insbesondere auf den ach so aufgeklärten Kabarett-Brettern immer noch der Standard ist.
«Ich bin noch nicht fertig», ein Programmtitel, der Programm ist. Und Uta Köbernick ist definitiv noch nicht fertig – nicht mit dem Nachdenken und Verstehenwollen und vermutlich auch noch nicht mit dem Ausprobieren und Herausfinden. Das ist mal philosophisch und auch mal etwas unbedarft, mal lustig, mal nachdenklich, mal poetisch. Und durchweg sympathisch. Denn das alles, so hat man das Gefühl, tut sie weder fürs Publikum und noch weniger für Preise. Oder in ihren eigenen Worten: «Wir müssen im Leben doch nicht vorgeben, irgendwas zu sein, es reicht der Schein.»
Die kommenden «Kabarett-Montage»
Mo, 8. November, 20 Uhr: Sarah Hakenberg «Wieder da!», Schützi Olten
Mo, 15. November, 20 Uhr: Martina Schwarzmann «Genau richtig», Kino Capitol Olten
Mo, 22. November, 20 Uhr: Laurin Buser & Fatima Moumouni «Gold», Schützi Olten
Mo, 29. November, 20 Uhr: Simona Solga «Ihr mich auch», Schützi Olten
Mo, 6. Dezember 2021, 20 Uhr: Simon Enzler «Wahrhalsig», Stadttheater Olten
Di, 7. Dezember 2021, 20 Uhr: Gerhard Polt & Die Well-Brüder «Im Abgang nachtragend», Stadttheater Olten
Do, 16. Dezember, 20 Uhr: Lisa Catena, Elisabeth Hart, Matthias Kunz, Rhaban Straumann «Satirische Jahresdiagnose», Schützi Olten