
Surseerin für den Prix Courage nominiert: «Es ist eine Riesenehre für mich!»
Die 29-jährige Surseerin Cindy Kronenberg wurde vor einigen Jahren mitten in der Stadt Luzern vergewaltigt. Heute kämpft die junge Frau mutig gegen das Tabuthema sexuelle Gewalt an und hilft Betroffenen nach einer Vergewaltigung. Heute Abend entscheidet sich, ob sie den «Prix Courage 2021» gewinnt, welchen der «Beobachter» aus dem Ringier-Verlag verleiht. Zusammen mit der Luzernerin sind sechs weitere Schweizerinnen und Schweizer für den Preis für Zivilcourage nominiert.
«Es ist eine Riesenehre für mich, zu den Nominierten zu gehören», sagt Cindy Kronenberg gegenüber unserer Zeitung. «Ich finde es auch toll, dass das Thema so ein Gehör bekommt.» Gemeint ist sexuelle Gewalt –und ihre eigene schreckliche Erinnerung daran. «Wenn ich öffentlich über meine Vergewaltigung spreche, fühlt es sich jedes Mal an, als würde ich mich nackt ausziehen», sagt sie. «Es ist, als würde ich der ganzen Öffentlichkeit einen Blick in mein Innerstes gewähren.»
Trotzdem tut sie es immer wieder. In Gesprächen mit anderen Betroffenen, mit Journalisten und mit Politikerinnen. Sie tut es auch für die rund 430 000 Frauen in der Schweiz, die laut Amnesty International schon Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen gehabt haben. Wenige sprächen darüber. Alle Betroffenen hätten das Gefühl, sie seien mit ihrer Geschichte allein.
In ihrem Kampf gegen das Tabu gründete die Surseerin deshalb die Plattform Vergewaltigt.ch. Dort tauscht sie sich mit anderen Betroffenen aus. Vielen Opfern von sexueller Gewalt fehle das Wissen, dass sie das Recht auf Unterstützung haben.
Die Jugendarbeiterin setzt sich auch für die laufende Revision des Sexualstrafrechts ein. «Egal, ob man getrunken oder geflirtet hat, egal, ob es ein Fremder oder ein Ehemann war, egal, ob man sich gewehrt hat oder in Schockstarre verfallen ist – es ist nie okay, wenn die sexuelle Selbstbestimmung missachtet wird», sagt sie. 70 Prozent aller Betroffenen erlebten bei der Vergewaltigung eine Art Starre. Die Täter müssen deshalb oft kaum körperliche Gewalt anwenden, um eine Vergewaltigung zu begehen. Eine Vergewaltigung unter diesen Umständen vor Gericht zu beweisen, sei schwierig. Deshalb brauche es dringend eine Anpassung des Rechts, findet die Luzernerin.
Zusammen mit ihr sind sechs weitere Personen für den Prix Courage nominiert. An der Preisverleihung, die heute Abend in Zürich stattfindet, werden sie geehrt, weil sie durch Zivilcourage oder ihren Dienst an der Gesellschaft beeindruckt haben.
Sie holten beispielsweise Leute ins Leben zurück, während andere untätig blieben, deckten als Whistleblower Missstände in einem Spital auf oder kämpfen für die Gleichstellung von Personen mit Behinderung. Neben Cindy Kronenberg ist auch der 74-jährige Albin Reichmuth unter den Nominierten, der als Kind von einem katholischen Pfarrer in Trimbach jahrelang missbraucht wurde. Er kämpft nun für die Opfer solcher krimineller «Kirchendiener».