
TV-Kunden der Swisscom können sich auf Verbesserungen freuen – Sunrise UPC zieht mit neuer Box und Billigangebot nach
Alle paar Jahre erfindet die Swisscom das Fernsehen neu. In Sachen Inszenierung brauchen ihre Manager dafür keine Nachhilfe. Das zeigte sich wieder diesen Dienstag. In seinem Zürcher Kino Abaton wollte der staatlich kontrollierte Telekom-Riese ein gutes Dutzend Medienschaffende von den Neuerungen beim nach Anzahl Kundinnen und Kunden beliebtesten TV-Angebot der Schweiz überzeugen. Der Kinosaal mit über 400 Plätzen und einer riesigen Leinwand bot die perfekte Kulisse.
Die Veranstaltung begann mit einem Hollywood-reifen Trailer, in dem das Angebot von Blue gepriesen wurde, unter dem die Swisscom seit einem Jahr ihr Sport-, Fernseh-, Kino- und Newsgeschäft bündelt. Als das Licht wieder anging, entfuhr Privatkundenchef Dirk Wierzbitzki ein «Wow»: «Das macht immer noch Gänsehaut».
Nur 5 Prozent exklusive Inhalte
Dabei hat die Swisscom ihrem Fernsehangebot keine Grundsanierung, sondern eher eine sanfte Renovation verpasst. Haushalte mit einem TV-Abo M, L oder X erhalten Zugriff auf die neu lancierte Streaming-Plattform «blue Play». Dort bündelt die Swisscom 18’000 Filme und Serienfolgen, 10’000 davon in der Deutschschweiz. Das sei ein grösseres Angebot, als es Netflix biete, sagte Blue-Chef Wolfgang Elsässer.
Allerdings handelt es sich überwiegend um Titel von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, «Tatort»-Folgen und weniger bekannte Serien, die auch anderswo erhältlich sind. Nur 5 Prozent der «Blue Play»-Inhalte sind exklusiv bei der Swisscom zu sehen, darunter die Serien «North Water», «Roadkill» und «The Luminaries».
Hinzu kommt eine grosse Auswahl von Schweizer Filmen, wofür sich der Schauspieler Beat Schlatter und die Regisseure Michael Steiner und Samir in einem weiteren Werbefilm bei der Swisscom bedankten, der mit dem Jugendwort des Jahres «cringe» nicht unpassend beschrieben ist.
Beim Streaming nichts zu melden
Frühere Swisscom-Kunden mögen sich an ein ähnliches Angebot namens «Teleclub Play» erinnern, das kürzlich eingestampft wurde. Auch Konkurrentin UPC hatte mit «MyPrime» einen eigenen Streaming-Dienst am Start. Beide Angebote waren kostenpflichtig. Dass die Swisscom ihren neuen Dienst ihren Abonnenten kostenlos anbietet, kann als Eingeständnis gewertet werden, dass sie in Sachen Streaming den übermächtigen US-Konkurrenten Netflix, Amazon und Disney wenig entgegensetzen kann.
Umso wichtiger ist es für die Swisscom, dass diese Dienste auf der eigenen Box gut integriert sind. Schliesslich nutzen sie bereits 40 Prozent der Swisscom-Fernsehkunden auf diese Weise. Die Swisscom hat dies von allen Anbietern am besten gelöst.
Die Filme und Serien von Netflix und Sky können über die Suchfunktion der Swisscom-Box aufgefunden werden, Highlights werden auf der Startseite angezeigt. Noch nicht integriert ist die App von Disney+ – wie bei den anderen Schweizer Anbietern. Dem Vernehmen nach gestalten sich die Verhandlungen mit dem US-Konzern als zäh.
Neue Smart-Home-Funktionen
Die Swisscom hat ihrer TV-Box weitere Verbesserungen verpasst. Die Programmführung ist übersichtlicher geworden. Mit neuen Smart-Home-Funktionen lassen sich Lichtstimmungen erzeugen. Bei Sportanlässen signalisieren Symbole auf einer Zeitleiste neu Schiedsrichterentscheide oder gefallene Tore und ermöglichen es, die Szenen per Knopfdruck anzusehen.
Ausserdem sind die Suchresultate und die Sprachsteuerung weiterentwickelt worden – auch wenn sie noch nicht perfekt sind. So sucht die Box im Live-Versuch durch den Swisscom-Mitarbeiter statt nach der gewalttätigen Serie «Squid Game» nach einem definitiv nicht mehr jugendfreien «Squirt Game».
Aller etwas überzogenen Inszenierung zum Trotz: Im Vergleich der grössten TV-Anbieter in der Schweiz bleibt die Box der Swisscom das Mass aller Dinge. In Sachen Bedienungsfreundlichkeit, Inhalte und Geschwindigkeit reicht ihr niemand das Wasser. Ihr Angebot ist dafür häufig etwas teurer.
Derzeit starten Kombi-Angebote für Internet und Fernsehen bei Sunrise bei 49 Franken pro Monat und bei der Swisscom bei 59 Franken. Bei Salt gibt es ein Kombiabo ab 50 Franken, mit einem Mobilabo ist der drittgrösste Anbieter aber deutlich billiger. In allen Fällen handelt es sich um zeitlich beschränkte Angebote für Neukunden.
Die Konkurrenz schläft nicht. Seit die UPC-Mutter Liberty Global letztes Jahr Sunrise übernommen hat, tüftelten die beiden an einer neuen TV-Box, die nun bereits bei ersten Kundinnen und Kunden im Einsatz steht. Erstmals steht mit der «IPTV-Box» genannten Lösung eine Box zur Verfügung, die von Sunrise- und UPC-Kunden gleichermassen genutzt werden kann.
Die Verbesserungen sind spürbar: Der Senderwechsel dauert nicht mehr eine gefühlte Ewigkeit, wie es bei der früheren Version der Sunrise-Box der Fall war. Alles wirkt aufgeräumter und übersichtlicher, die Sprachsteuerung verarbeitet Eingaben passabel. Die Apps von Netflix, Amazon und Sky funktionieren tadellos. «Die Integration ist sehr gut gelöst», sagte Sunrise-UPC-Chef André Krause vor einem Monat zu CH Media. Die neue Box werde auch lanciert, weil Sunrise UPC in diesem Bereich bisher gegenüber der Swisscom im Nachteil gewesen sei.
Anderes hingegen hat Sunrise UPC weniger ideal geregelt. So erhalten Sunrise-Kunden unter Umständen mit der neuen Box Zugriff auf die die Fernsehsender, welche UPC im Angebot hat. Die Senderangebote unterscheiden sich trotz Fusion nach wie vor. Lieblingssender sind mit dem Eintreffen der neuen Box unter
Salt, der dritte grosse schweizweit tätige TV-Anbieter, setzt derweil auf Apple. Seine TV-Kundschaft erhält eine Apple-TV-Box, auf welcher auch die Apps von Netflix, Amazon Prime, Sky oder Blue installiert werden können. Diese Lösung ist nicht spezifisch auf den Schweizer Markt adaptiert, trumpft aber mit zusätzlichen Diensten wie Apple Music auf – und Zugang zum Apple-eigenen Streaming-Dienst.
Diese Strategie ist für jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer clever gewählt: Lineares Fernsehen verliert bei ihnen rasant an Bedeutung. Mit einer Apple-TV-Box erhalten sie dafür Zugriff auf alle möglichen Apps und können eigene Inhalte einfach auf den Fernseher übertragen. Das alles gibt es zudem zu einem deutlich günstigeren Preis.
In den Preiskampf sind nun auch die Swisscom und Sunrise UPC eingestiegen. Die Swisscom lancierte im Mai unter ihrer Billig-Marke Wingo ein eigenes Fernsehangebot, Sunrise UPC folgte vor einer Woche mit yallo TV. Die wichtigsten Funktionen wie Replay TV, eine zusätzliche App für Mobilgeräte oder Live-Pause bieten auch diese Angebote – aber eine pompöse Präsentation im Kino gab es für sie nicht.