Bundesrat startet Impfoffensive – und prüft das Ende der Zertifikatspflicht für Restaurants & Co.

Statt in seinem getäferten Sitzungszimmer im Bundeshaus tagte der Bundesrat gestern Vormittag «extra muros» in einem Saal der Musikhochschule in Luzern. Er beschloss, gemeinsam mit den Kantonen, eine Impfoffensive zu lancieren.

Im Anschluss an die Sitzung traf sich die Landesregierung im Verkehrshaus zu einem Apéro mit der Bevölkerung. Während vor dem Verkehrshaus rund 60 Massnahmengegner protestierten, wurde der Bundesrat im Innern freundlich empfangen und erhielt viel Lob für seine Arbeit. «Es ist schön, das solche Momente wieder möglich sind», sagte Gesundheitsminister Alain Berset (SP) am Nachmittag, als er im Bundesmedienzentrum in Bern die Details der Impfoffensive erläuterte.

Weshalb braucht es eine Impfoffensive?

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sei die Impfquote in der Schweiz weiterhin zu tief. Für eine weitgehende Aufhebung der Massnahmen brauche es gemäss Experten eine Impfquote von 80 Prozent bei Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren und eine Impfquote von 93 Prozent bei den über 65-Jährigen. «Es müssten sich also noch fast eine Million Schweizerinnen und Schweizer impfen lassen, um dieses Ziel zu erreichen», erklärte Berset.

Erklärt die Impfoffensive: Alain Berset am Mittwoch im Medienzentrum in Bern.

Erklärt die Impfoffensive: Alain Berset am Mittwoch im Medienzentrum in Bern.

Anthony Anex / KEYSTONE

Wie sieht die Impfoffensive aus?

Verabschiedet hat sich der Bundesrat von seiner Idee eines Gutscheins im Wert von 50 Franken für Personen, die andere von einer Impfung überzeugen. Die Kantone liessen in der Konsultation kein gutes Haar an der Idee. Die Impfoffensive umfasst jetzt noch drei Elemente. Vom 8. bis zum 14. November findet eine nationale Impfwoche statt. Eine gross angelegte Informationskampagne und zahlreiche Veranstaltungen sollen möglichst viele Menschen erreichen und über die Nutzung einer Impfung aufklären. Der Bundesrat wird sich in einem offenen Brief an die Bevölkerung wenden. «Die Impfung ist der Ausweg aus dieser Krise», sagte Berset mehrmals.

Was ist sonst noch geplant?

Ländern mit hoher Impfquote setzten auf einen möglichst spontanen und niederschwelligen Zugang zur Impfung. Der Bundesrat will deshalb die Zahl der mobilen Impfzentren deutlich erhöhen und stellt den Kantonen bis zu 38 Millionen Franken zur Verfügung, um ihr Angebot auszubauen. Mit weiteren 43 Millionen sollen sie zusätzliches Personal für die individuelle Beratung von unentschlossenen Personen einstellen. Mobile Impfzentren und Beratungsangebote existierten bereits, räumte selbst Berset ein: «Es sind keine Wundermittel, aber wir befinden uns in einer Krise und wollen unseren Effort verstärken.»

Woher kommt das Personal für die Impfoffensive?

Anfang Woche hatte die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) darauf hingewiesen, dass es am benötigten Personal für die Impfoffensive fehle: «Dieser Mangel lässt sich auch mit einer finanziellen Unterstützung durch den Bund nicht einfach beheben. Auf diesen Einwand angesprochen sagte Berset, dem Bundesrat fehle die gesetzliche Grundlage, selber Personal zur Verfügung zu stellen, die Kantone seien in der Pflicht. Er habe Verständnis für die schwierige Situation der Kantone. Doch das Gesundheitswesen beschäftige Hunderttausende qualifizierte Personen.

Es müsse möglich sein, für die Dauer der Impfoffensive von einigen Wochen die nötigen Ressourcen aufzubieten – «auch wenn es anspruchsvoll ist». GDK-Sprecher Tobias Bär sagt auf Anfrage, die Kantone würden wie schon während der ganzen Pandemie versuchen, für die benötigten Aufgaben Ressourcen zur Verfügung zu stellen. «Allerdings ist das kurzfristige Aufbieten von medizinisch geschultem Personal ohne Abstriche eine grosse Herausforderung.» Bund und Kantonen tauschten sich in den kommenden Tagen über die Umsetzung der Impfoffensive aus.

Fallen die Massnahmen, wenn die Offensive gelingt?

Die angestrebten Impfquoten seien kein starres Ziel, erklärte Gesundheitsminister Berset. Mehr Geimpfte trügen dazu bei, das Risiko einer Überlastung des Gesundheitswesens zu senken. Dieses Risiko bleibe für den Bundesrat das entscheidende Kriterium für die Verlängerung oder Aufhebung von Massnahmen. Die Situation in den Spitälern habe sich zuletzt stark verbessert, auch wenn Unsicherheiten blieben: «Das schafft ein Bedürfnis nach einer Neubeurteilung der Situation.» Der Bundesrat werde deshalb an einer der nächsten Sitzungen auch die Frage erörtern, ob die seit 13. September geltende Erweiterung der Zertifikatspflicht, etwa in Restaurants oder Fitnesscentern, noch verhältnismässig ist. Die Debatte über die Zertifikatspflicht dominiert den Abstimmungskampf zum Covid-Gesetz, das am 28. November an die Urne kommt.