Aargauer FDP will mehr Transparenz in der Politikfinanzierung – für die SP ist der Vorschlag nur eine «absolute Minimallösung»

Es sind hohe Summen, die Aargauer Politikerinnen und Politiker für Kampagnen ausgeben. Das zeigte sich im Ständeratswahlkampf von 2019: Mehrere hunderttausend Franken gaben die Kandidatinnen und Kandidaten für Wahlwerbung aus. Bei einer Umfrage der AZ im Januar 2019 zeigte sich: Mindestens 150’000 Franken waren es bei Cédric Wermuth (SP), mindestens 200’000 bei Hansjörg Knecht (SVP).

Dagegen musste die Grüne Ruth Müri, mit einem Budget von 30’000 Franken deutlich kleinere Brötchen backen. FDP-Kandidat Thierry Burkart machte damals keine Angaben zu seinem Budget, hielt aber fest, er lasse seine Spenden von einem Aargauer Oberrichter überwachen. CVP-Kandidatin Marianne Binder nannte keine Gesamtsumme und sagte, wenn sie Spenden erhalten, bewegten sich diese zwischen 50 und 1000 Franken.

Ständeratswahl 2019: Aargauer Kandidaten gaben total 850’000 Franken aus

Im September 2019 zeigten dann Recherchen der «Schweiz am Wochenende», dass SP-Kandidat Wermuth total 300’000 Franken einsetzen konnte. Aus über 1200 Einzelspenden resultierten mindestens 200’000 Franken, dazu kamen 90’000 Franken von der Partei, 10’000 zahlte er selbst. Für Thierry Burkart kam die Zeitung auf ein Total von 200’000 Franken. Sein Budget betrug 170’000 Franken, dieses übertraf er dank Spenden, die grossmehrheitlich von Privatpersonen stammten. Laut der Schweiz am Wochenende gaben Knecht, Burkart, Wermuth und Binder im Ständeratswahlkampf 2019 zusammen 850’000 Franken aus – für die CVP-Kandidatin würde dies eine Summe von 150’000 bedeuten.

Diese Zahlen sind nur deshalb bekannt, weil die Kandidierenden sie einige Monate vor den Wahlen freiwillig herausgaben. Wie hoch die Summen am Schluss wirklich waren, ist unbekannt. Denn im Aargau gibt es bislang keine Verpflichtung, Spenden offenzulegen. Das soll sich nun ändern: In einem grossrätlichen Vorstoss fordert die FDP-Fraktion, dass die Politikfinanzierung auf Kantonsebene transparenter werden soll. Der Regierungsrat werde eingeladen, eine Vorlage zur Offenlegung der Politikfinanzierung auszuarbeiten, heisst es im Motionstext. Damit stösst die FDP auf offene Ohren: Der Regierungsrat hat die Motion entgegengenommen.

Bund und Kantone springen auf die Transparenz-Welle auf

Der Aargau ist einer von mehreren Kantonen, die auf die Transparenz-Welle aufgesprungen sind. In den Kantonen Tessin, Genf, Neuenburg, Freiburg, Schwyz und Schaffhausen gibt es mittlerweile Offenlegungspflichten – oder Bestrebungen, diese einzuführen. Die Ständeratswahl am 26. September im Kanton Freiburg war die erste Wahl mit nationaler Ausstrahlung, wo die Kandidierenden ihre Wahlbudgets offenlegen mussten.

Bald gelten auch bundesweit neue Vorgaben: Im Juni hat das Parlament einen Gegenvorschlag zur «Transparenz-Initiative» angenommen. Künftig müssen die nationalen Parteien demnach bei Spenden über 15’000 Franken und Kampagnen über 50’000 Franken deklarieren, woher das Geld kommt.

Die FDP-Fraktion fordert nun, diese Regelung auf Kantonsebene zu übertragen. Damit müssten auch kantonale Parteien und Kampagnenführerinnen Zuwendungen über 15’000 Franken deklarieren. Die FDP geht aber noch einen Schritt weiter, und zwar in Bezug auf den Ständeratswahlkampf: Mit der nationalen Regelung hätten bloss die gewählten Ständeräte ihre Budgets offenlegen müssen, nicht aber die erfolglos Kandidierenden. Die FDP fordert eine Ausweitung der Regel auf alle Kandidierenden, analog zum Nationalratswahlkampf.

Das Anliegen ist im Aargau breit abgestützt

«In den letzten Jahren hat bezüglich Transparenz ein Wertewandel stattgefunden», sagt die Aargauer FDP-Präsidentin und Grossrätin Sabina Freiermuth. Abgesehen von der SVP hätten alle Parteien den Gegenvorschlag zur Transparenz-Initiative im Bundesparlament unterstützt. Freiermuth geht davon aus, dass das Anliegen im Aargau ebenso breit abgestützt ist: «Ich habe keine kritischen Stimmen zum Vorstoss gehört.»

Der Input zum Vorstoss sei vom Ständerat und neuen FDP-Schweiz-Präsidenten Thierry Burkart gekommen. Insbesondere die Ausweitung auf alle Ständeratskandidierenden sei ihm und der FDP ein Anliegen: «Die Bevölkerung würde es nicht verstehen, wenn es für die Ständeratswahlkampagnen eine Ausnahme gäbe», so Freiermuth. Ansonsten ist ihr aber sehr wichtig, dass sich der Aargau und die anderen Kantone ihre Gesetze den schweizweiten Vorgaben anpassen: «Wenn jeder Kanton eine eigene Lösung hat, gibt es einen Flickenteppich. Das würde der Transparenz überhaupt nicht dienen.»

Aus diesem Grund will die FDP den Betrag von 15’000 Franken, ab dem Spenden deklarationspflichtig sind, für Kantonalparteien nicht herabsetzen. Dies, obwohl deren Budgets kleiner sind als jene der nationalen Parteien.

Freiermuth freut sich, dass der Regierungsrat die Motion entgegengenommen hat. Einen Punkt in der Regierungsantwort sieht sie aber kritisch: «Wenn der Kanton einen eigenen Kontrollapparat schaffen will, um die Einhaltung der Transparenzpflicht zu überprüfen, schauen wir ganz genau hin.» Die FDP wolle nicht, dass dafür zusätzliche Bürokratie entstehe.

Gabriela Suter: «Ein schlechter Witz, dass nur Grossspenden erfasst werden»

Der Vorstoss der FDP stösst bei der Aargauer SP und den Grünen auf ein grundsätzlich positives Echo. Gabriela Suter, Präsidentin der SP Aargau, betont: «Dass Parteien und Komitees ihre Finanzen offenlegen müssen, ist eine jahrelange Forderung der SP.» Für die SP sei es ebenfalls zwingend, dass alle Ständeratskandidierenden ihre Wahlbudgets offenlegen müssten. So findet Suter positiv, dass die Diskussion mit der Motion lanciert wird, aber: «Die Debatte um eine genaue Ausgestaltung des Gesetzes und die Höhe der Schwellenwerte steht noch ganz am Anfang.»

Suter bezeichnet den Vorstoss der FDP als «absolute Minimallösung». Insbesondere, was den Mindestbetrag zur Offenlegungspflicht betrifft, geht ihr die FDP viel zu wenig weit: «Es ist ein schlechter Witz, dass auch auf kantonaler Ebene nur Grossspenden ab 15’000 Franken offengelegt werden sollen.» Der Spendenbetrag müsse tiefer angesetzt sein. Denn auf kantonaler Ebene seien die Kosten für Wahlen und Abstimmungen deutlich kleiner als auf Bundesebene, so Suter: «Meines Wissens hat die SP Aargau noch gar nie Spenden über 15’000 Franken erhalten.»

Zudem wäre es aus Sicht der SP sinnvoll, auch die Gemeinden einzubeziehen: «Es geht nicht darum, jedes Zwanzigernötli auszuweisen, aber Spenden über 5000 Franken in einem Stadtpräsidiumswahlkampf sind für die Wählerinnen und Wähler sicher von Interesse», sagt Suter.

Für die Grünen ist es ein Schritt in die richtige Richtung

Grünen-Grossrätin Gertrud Häseli war zunächst überrascht, dass die FDP das Transparenz-Anliegen aufgreift: «Ich habe mir schon ein wenig die Augen gerieben, aber ich freue mich natürlich darüber», erklärt sie. Der Vorstoss sei sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Aber auch Häseli meint: «Für Kantonalparteien könnte man den Mindestbetrag tiefer ansetzen als 15’000 Franken.»

Häseli ist sich mit Suter einig, dass auch bei tieferen Beträgen mehr Transparenz wünschenswert wäre. «Und zwar nicht nur bei den Parteien, sondern auch bei Lobbyismus», betont die Grünen-Grossrätin. Dafür unterstützt sie im Gegensatz zu Suter den Ansatz, Gemeinde- und Bezirksparteien von der Offenlegungspflicht zu befreien. «Dass man hier zu Gunsten einer Bürokratieverhinderung auf mehr Transparenz verzichtet, kann ich nachvollziehen», so Häseli.