Adieu SRF 2? SRG erwägt, zweiten Kanal aufzugeben

So kann es nicht weitergehen: Diese Erkenntnis scheint sich an der SRG-Spitze immer mehr durchzusetzen. In den letzten Tagen traten mit Generaldirektor Gilles Marchand und seiner Stellvertreterin Ladina Heimgartner die beiden wichtigsten Führungskräfte des Medienhauses aus der Deckung. In Zeitungsinterviews kündigten sie eine Kurskorrektur an – gewiss auch von der Hoffnung geleitet, damit die Gunst der Stimmbevölkerung zu gewinnen, die am 4. März über die No-Billag-Initiative zu entscheiden hat. Mit dieser möchten junge Libertäre die Fernseh- und Radiogebühren abschaffen, womit der SRG auf einen Schlag die Existenzgrundlage entzogen würde.

«Wenn wir als arrogant empfunden werden, ist das unser Problem, nicht jenes der Leute, die uns so wahrnehmen», sagte Heimgartner der «Wochenzeitung». «Ein öffentliches Medienhaus hat nicht arrogant zu sein – Punkt.» Auch im Falle eines Neins zu No Billag werde die SRG nie mehr dieselbe sein, glaubt die Direktorin von Radiotelevisiun Svizra Rumantscha. «Es wird sich viel ändern.» In welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln könnte, liess Marchand in der Zeitung «Le Temps» durchschimmern. Früher oder später werde die SRG weniger klassische, lineare Fernseh- und Radiokanäle haben. «Vielleicht in den drei grossen Sprachregionen noch jeweils einen Kanal pro Medium.»

Nachdem 2015 bekannt wurde, dass der zweite Tessiner Sender ab 2020 nur noch via Internet verbreitet wird, könnte nun also bald auch für SRF 2 und RTS Deux das letzte Stündchen schlagen. Recherchen zeigen, dass die Abbaupläne viel ausgereifter sind, als es Marchand andeutet. Momentan diskutiert die SRG-Geschäftsleitung über ein internes Papier, in dem neben einer drastischen Reduktion der Anzahl Sender – heute sind es 17 Radio- und 7 TV-Kanäle – diverse weitere Massnahmen vorgeschlagen werden. Ende Januar soll der Verwaltungsrat festlegen, welche Schritte prioritär verfolgt werden. Ziel ist es, in der Woche nach der Abstimmung über die No-Billag-Initiative erste Entscheidungen bekannt geben zu können.

Die zweiten TV-Kanäle kommen auch wegen einer vom Bundesrat propagierten Neuerung in der Konzession unter Druck: Ab 2019 soll die SRG mindestens die Hälfte ihrer Gebühreneinnahmen in der Sparte Information einsetzen. Auf SRF 2, RTS Deux und RSI La 2 aber werden primär Sportsendungen und eingekaufte Unterhaltung ausgestrahlt.

Auf Anfrage sagt SRG-Sprecher Edi Estermann bloss: «Die Geschäftsleitung diskutiert fortlaufend mögliche, längerfristig ausgerichtete Veränderungsszenarien.» Dazu gehöre auch, sich neue Finanzierungsmodelle zu überlegen. «Diese zu entwickeln, ginge allerdings nicht von heute auf morgen – und das läge darüber hinaus primär in der Kompetenz der Politik.» Marchand bringt nämlich nicht bloss eine Stilllegung von Radio- und TV-Kanälen ins Spiel, er zeigt sich auch erstmals offen für alternative Finanzierungsmodelle. Es werde zunehmend schwieriger, «Pay-per-View»-Generationen eine Gebührenpflicht aufzuerlegen, weshalb die SRG bereit sei, verschiedene Varianten vorzulegen.

Initianten bleiben skeptisch
Dies wird selbst im No-Billag-Lager begrüsst. «Es ist höchste Zeit, dass auch die SRG-Verantwortlichen die Zwangsgebühren infrage stellen und sich neue Finanzierungsmodelle überlegen», sagt Andreas Kleeb. Doch er bezweifle, dass Marchand die Pläne ernsthaft verfolge. «Noch klingen sie ja sehr unkonkret.»

So oder so: Alle Planspiele sollen hinfällig sein, wenn Volk und Stände am 4. März Ja sagen. «Dann werden wir den Service public nicht retten können», sagt Marchand. «Wir werden die SRG organisiert und rasch zerschlagen müssen.»

von Dennis Bühler — Nordwestschweiz