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«Als Bub wollte ich in Afrika Brücken bauen, damit die Menschen nicht von Krokodilen gefressen werden»

«Als Bub wollte ich in Afrika Brücken bauen, damit die Menschen nicht von Krokodilen gefressen werden»

Er ist der höchste Katholik der Schweiz, Präsident der Bischofskonferenz, Chef des grössten Bistums und Herr über 1,1 Millionen Gläubige in zehn Kantonen. Wohnen tut er im bischöflichen Ordinariat Solothurn mit anderen Würdenträgern. Mit dem vatikanischen Verbot, homosexuelle Paare zu segnen, ist der Bischof des Bistums Basel, Felix Gmür, nicht einverstanden. Vom Segen Gottes sei niemand ausgeschlossen, betont er in einer Botschaft an die Seelsorgenden. Der gebürtige Luzerner ist zweimal geimpft und ein Befürworter der 3G-Regel. Wer sich impfen lassen könnte und das nicht will, müsse auch bereit sein, auf gewisse Dinge zu verzichten, sagt Gmür im Interview. Zum Beispiel auch auf die Teilnahme an Gottesdiensten. Denn eines ist für den leidenschaftlichen Fasnächtler klar. Corona zeigt, dass wir Menschen uns nicht gegen alles versichern können – auch nicht gegen oben.

 

Felix Gmür ist die Pandemie in der wir leben von Menschen hausgemacht oder glauben Sie, dass uns der liebe Gott hier möglicherweise gerade einen Denkzettel verpasst. Nach dem Motto: Hey, ich stelle Euch die Welt nicht zur Verfügung, damit ihr sie ausbeutet und zerstört. Werdet Euch der wahren Werte des Lebens wieder bewusst.  Es geht nicht um Macht, Geld, Gier, Ausbeutung, sondern Nächstenliebe, Miteinander, Füreinander…

Es liegt nicht die Kompetenz der Kirche zu sagen, woher die Pandemie kommt. Fakt ist, sie ist da. Man kann sich fragen, was bedeutet das für uns? Es rüttelt auf und macht Sorgen. Es zeigt, dass wir Menschen nicht alles kontrollieren können. Es gibt Entwicklungen, die wir nicht vorhersehen . Und es gibt viele Menschen, die unter der Pandemie leiden. Darum ist für wichtig alles dafür zu tun, um der Pandemie entgegenzuwirken.

Sind sie geimpft?

Alle Bischöfe in der Schweiz sind geimpft. Aber es gibt auch in der Kirche beide Lager. Diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen und die anderen Ich bin geimpft, weil ich es nicht verantworten könnte, mit so vielen Menschen ungeimpft zusammenzukommen.

Und was sagt die Kirche, sprich Sie als deren Vertreter?

Ich sage, ich bin nicht Epidemiologe. Ich bin froh, gibt es Spezialisten. Die Spezialisten sagen, Impfen ist die beste Vorsorge gegen Corona, also bin ich geimpft.

Was halten Sie von der 3G-Regel?

Ich bin wie die anderen Bischöfe für die 3G-Pflicht. Ausnahmen könnte man sich für Beerdigungen und evt. Weihnachten überlegen. Einen Impfzwang befürworten wir dagegen nicht. Wir müssen lernen, dass wir uns nicht gegen alles versichern können.

Auch nicht nach oben?

Nein, auch nicht nach oben. 

Der Papst sagt, Impfen ist ein Akt der Nächstenliebe?

Insofern müssen Menschen, die sich nicht impfen lassen, weil sie nicht wollen, halt auch auf den einen oder anderen Anlass – auch Gottesdienst – oder Reisefreiheiten verzichten können. Jeder muss das für sich entscheiden.

Wie reagieren Ihre Kollegen z.B. in Afrika darauf, dass es hier Menschen gibt, die freiwillige aufs Impfen verzichten?

Sehr erstaunt. In deren Ländern möchten sich die Menschen impfen lassen, können aber nicht.

Hat das Bedürfnis nach Seelsorge zugenommen seit Corona?

Viele Pfarrer haben zweifellos mehr Arbeit. Man hat deutlich gesehen, wie viele Leute mausallein sind. Und man hat auch die Schwierigkeiten erfahren, wenn man plötzlich als Familie dauerhaft auf engem Raum zusammenleben muss.

Wie hat sich ihre Arbeit unter Corona verändert?

Die Kirchen waren zu. Jetzt sind sie wieder offen – zum Teil auch zertifikatsfrei dafür Maskenpflicht. Im Moment müssen wir jedem Anlass entscheiden, ob und wie wir ihn durchführen. Eine gewisse Erleichterung ist, dass Sitzungen vermehrt online durchgeführt werden. Ich war viel weniger unterwegs und viel mehr am Computer.

Haben Sie persönlich digitale Neuerfahrungen gemacht?

Ich habe zum Glück schon vor Corona gewusst wie Zoom und Co. funktioniert.

Werden Messen aus der Corona-Not geboren künftig mehr live gestreamt?

Gut möglich. Wichtig ist, dass  gestreamte Gottesdienste hohe Qualitätskriterien erfüllen. Es bringt nichts, wenn nur einer vor sich hin betet. Eine wichtige Erfahrung eines Gottesdienstes ist, dass andere mit beten. Ein Gottesdienst ist keine Show, sondern etwas zum Mitmachen. Ein anderer, wichtiger Aspekt ist auch zu erfahren, dass man nicht allein ist.

Glauben oder hoffen Sie, dass Corona auch etwas Gutes, Nachhaltiges zeitigen wird?

Ich hoffe wir kommen etwas zur Besinnung.

Die römisch-katholische Weltkirche hat sich gerade auf den Weg zur Synode 2023 gemacht. Papst Franziskus will eine synodale Kirche, in der Menschen miteinander sprechen und aufeinander hören. Sie laden dafür in ihrem Bistum u.a. Pfarreien, Kirchgemeinden, Glaubensgemeinschaften etc. ein, als Botschafter für den synodalen Prozess zu werben und Gesprächsmöglichkeiten zu organisieren. Was erwarten Sie?

Die Pandemie unterstützt uns hier insofern, als wir mehr online machen können. Das ist kein Event, sondern ein Prozess, dem man Zeit geben muss. Reden und einander zuhören und wieder reden und zuhören ist das Motto des Papstes – zusammen vorwärtsgehen. Er will, dass man immer miteinander spricht. Ich lasse mich überraschen, was rauskommt. Ich habe gehört, dass schon Leute miteinander gesprochen haben, die sonst nie miteinander sprechen.

Quasi im Namen des Papstes?

Vielleicht auch, er kann sowas initiieren.

Haben Sie eigentlich regelmässig mit dem Papst zu tun?

Ich bin regelmässig in Rom. Wissen Sie, es gibt mehrere Tausend Bistümer und wir sind jetzt nicht das wichtigste Land der Welt für die katholische Kirche. Im Herbst gehen wir mit der Bischofskonferenz aber nach Rom, dann werden wir den Papst treffen.

Hat ein Bischof auch etwas zu beichten?

Ja, durchaus. Der einzige ohne Sünde ist Jesus.

Was halten Sie von einer Best-of Bibel auf einer A4-Seite, die alle Menschen auf der Welt verstehen und beherzigen, was drinsteht. Den Inhalt der dicken Bibel kann sich ja kein Mensch merken?

Eigentlich macht jeder Pfarrer an seiner Sonntagspredigt ein Best-of aus seiner Sicht. Eine Best-of-Bibel ist insofern etwas schwierig, als die Bibel eine Sammlung verschiedener Erzählungen aus verschiedenen Optiken – der Optik der Armen, des unterdrückten Volkes, derer im gelobten Land, derer die meinen, sie seien wertvoller als die anderen etc. ist. Eine Art Best-of-Bibel findet man in alten Kirchen, wo die Geschichte auf Bildern transportiert wird.

Was ist das Beste, an ihrem Beruf?

Das ich für die Botschaft des Lebens wirken kann. Jesus ist gestorben und auferstand. Jesus hat versucht die Menschen vom Rand in die Mitte zu holen und er hat sich ausnahmslos dem Menschen zugewandt. Botschafter dessen zu sein ist das Schönste. Aus praktischer Sicht ist kein Tag wie der andere. Ich treffe sehr viele Leute und höre sehr viele Meinungen. Mir macht das Freude und wenn es einen freut, wird die Arbeit nie zu viel. Zudem bin ich ständig in Kontakt mit Menschen aus allen Kontinenten.

Suchen die Menschen in schweren Zeiten eher den Weg zur Kirche?

Es gibt beides. Einige verspüren mehr den Drang in der Kirche Antworten zu finden, es gibt aber auch Leute, die sagen, dort habe ich sowieso nichts zu erwarten.

Als Bischof stehen Sie rund um die Uhr für die Menschen im Einsatz. Bleibt Ihnen trotzdem Zeit für sagen wir irdische Vergnügungen wie Sport, Konzert, Theater, Kino, Romane, Essengehen etc.?

Eher weniger. Zuletzt war ich Theatern Solothurn. Ab und zu gehe ich Velofahren und wenn ich Zeit habe gehe ich auch ins Kino. Ich gehe auch gern ins Museum.

Solche Vergnügungen sind also keine Sünde?

Nein, gar nicht. Im Gegenteil, sie sind wichtig und tun gut. Man muss sich Freizeit nehmen. Man könnte 24 Stunden arbeiten, aber entweder stirbt man dann früher oder wird krank.

Wäre der neue James Bond ein Film für Sie?

Wenn ich Zeit habe schaue ich mir den gern an. Ich habe bisher fast alle im Kino gesehen.

Wenn Sie nicht Bischof geworden wären, hätte es einen anderen Beruf gegeben, in dem Sie gern Karriere gemacht hätten? Was wollten Sie als Bub werden?

Ich finde, jeder Beruf hat etwas Schönes und Interessantes. Ich hätte mir als Kind vorstellen können, in Afrika Brücken zu bauen, damit die Menschen nicht vom Krokodil gefressen werden. Ich hätte mir auch vorstellen können, Arzt zu werden. Aber letztlich hat mich immer die Frage nach dem Sinn des Lebens und warum sind wir hier sind interessiert. So habe ich Philosophie studiert und bin Priester und jetzt Bischof geworden.

Welcher Philosoph interessiert Sie besonders?

Was mich immer fasziniert hat ist Sprachphilosophie. Die Grenzen des Denkens sind die Grenzen der Sprache oder die Grenzen der Sprache sind die Grenze des Denkens, sagt Wittgenstein. Wir können nicht ausserhalb unserer Sprache denken.

Das Bistum Basel umfasst zehn Kantonen u.a. Solothurn. Was schätzen und mögen Sie besonders am Kanton resp. der Stadt Solothurn?

Solothurn ist ein sehr interessanter Kanton, weil er verschiedene, fast eigenständige Gebiete hat und drei fast gleich grosse Städte. Ich habe den Eindruck, dass Solothurn ein Kanton ist, in dem man versucht einen guten Kompromiss zu finden.

Gibt es einen besonderen Platz für Sie in Solothurn?

Ich wohne hier im bischöflichen Ordinariat.

Ihr Name, Felix, kommt aus dem Lateinischen (felix, Genitiv: felicis) und bedeutet vom Glück begünstigt, glücklich, erfolgreich – können Sie das unterschreiben?

Ja, ich bin zufrieden! Felix ist auch ein guter Vorname, weil er kurz ist und man ihn andere Sprachen übersetzen kann.

Wenn man Sie googelt, gibt es in der Hirslanden Klinik eine Dr. med. Verena Bischof Gmür, Fachärztin für Psychologie und Psychotherapie – haben Sie das gewusst?

Nein habe ich nicht gewusst, kenn ich nicht. Muss ich mal googeln.

Bald ist Weihnachten – wie feiern Sie Weihnachten? Auch mit Tannenbaum und Essen und Päkli im Kreis der Familie?

Ich bin etwas öfter in der Kirche an Weihnachten als andere und feiere aber mit der Familie wie alle anderen – nur etwas später.