Alt-Bundesrat Leuenberger gibt in Schawinskis letzter SRF-Sendung zu: «Früher hast du mich verängstigt»

In seiner 338. und letzten Talk-Sendung im Schweizer Fernsehen sah sich Medienpionier Roger Schawinski mit drei Überraschungsgästen konfrontiert: Er wusste nicht, wer kommen würde. Mit Moritz Leuenberger war sein erster Gast ein langjähriger Feund – mit Ausnahme jenes Tages, an dem Schawinski dem Alt-Medienminister (SP) den Rücktritt nahgelegt haben soll. Heute vertragen sich die beiden wieder. Mehr noch: «Du bist ein viel netterer Mensch als früher», lobte der Talk-Meister Leuenberger. Worauf dieser mit einem Grinsen gestand: «Das ist, seit du so freundlich bist zu mir. Früher hast du mich verängstigt, darum habe ich immer so einen Stein gemacht.»

Weniger locker war die Atmosphäre beim Thema Coronavirus. Leuenberger rechnet damit, dass der Beinahe-Stillstand in der Schweiz bis in den Sommer dauern wird. Darum soll das Schweizer Fernsehen sein Programm anpassen. Es müssten andere Sendungen gemacht werden: «Bildung, nicht nur Sauglattismus», propagierte Leuenberger – worauf Schawinski das SRF verteidigte: «Das machen wir in diesen Tagen sehr intensiv.» Ausserdem fände Leuenberger es nicht schlecht, wenn Schawinskis Sendung bestehen bliebe, was diesen kurz in Verlegenheit brachte.

Demut befolgen ist schwieriger als sie zu verkünden

Leuenberger verteidigte die Massnahmen des Bundesrats auf Schawinskis Nachhaken, ob die Landesregierung nicht früher hätte durchgreifen müssen: «Stell dir den Mais vor, der losgegangen wäre, wenn man von Anfang an ein Ausgehverbot verfügt hätte. Das hätte man gar nicht durchsetzen können.» Der 74-Jährige hält sich an die Aufforderungen des Bundesrats, was aber nicht so einfach sei, wie er erklärte: «Ich habe früher auch Demut gepredigt als Bundesrat. Jetzt muss ich sie befolgen. Das ist schwieriger.»

Schawinskis zweiter Gast, Tagesschau-Moderatorin Katja Stauber, stieg als 22-Jährige bei Radio 24 ins Mediengeschäft ein – unter Chef Schawinski. «Du warst ein wahnsinnig schwieriger Chef, hast von den Leuten alles abverlangt», sagt sie rückblickend, hat aber auch viel Lob übrig. So habe Schawinski eine gute Nase für Talente gehabt, von denen einige im Journalismus gross geworden seien. Stauber sagt, diese seien sich einig, dass sie von ihm profitierten: «Ich bin ein Schawinski-Kind. Ich bin durch dieses Stahlbad gegangen.»

Wie gross der Einfluss Schawinskis auch auf Stauber war, zeigt ein Albtraum, den sie von ihrem ehemaligen Chef immer noch hat. Sie sass als junge Frau ohne Platten im Radio-Studio, weshalb sie stundenlang durchreden musste. Hinter der Scheibe habe Schawinski gestanden und sich wahnsinnig aufgeregt.

«Komm jetzt nicht mit der Frauenschiene»

Heute geht sie mit Pannen entspannt um – wie jüngst, als die Tagesschau-Hauptausgabe um 19.30 Uhr verspätet anlief. Am 3. April wird sie die Nachrichtensendung zum letzten Mal moderieren – dann wechselt sie als Produzentin hinter die Kamera. Als Schawinski sie fragte, ob sie freiwillig zurücktritt oder man ihr dazu geraten habe, erteilte die 57-Jährige ihm eine Lektion: «Komm jetzt nicht mit der Frauenschiene. Franz Fischlin, der gleich alt ist wie ich, würde man das nie fragen. Wir müssen aufhören mit dem.»

Nach etwas (Eigen-)lob, Werbung für Schawinskis neues Buch und dem Gespräch mit Credit-Suisse-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner – er holte Schawinski 2003 als Geschäftsführer zu «Sat.1» nach Berlin – verabschiedete sich Schawinski vom SRF-Publikum: «Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, eine gute Woche und ein gutes weiteres Leben – auch in diesen ganz schwierigen Zeiten, die wir jetzt gerade haben.»