
Alt Gemeindeammann Fritz Richard: Sein Meisterwerk war der Tunnel Murgenthal
Mitte August verstarb alt Gemeindeammann Fritz Richard (1933–2021) in seiner Wahlheimat Tessin. Er war von 1980 bis 1993 Gemeindeammann von Murgenthal. Es lohnt sich, nochmals auf sein Wirken in diesem Amt zurückzublicken. Sein Leistungsausweis als Gemeindeammann von Murgenthal ist denn auch eindrücklich.
Nebst unzähligen Sitzungen hat er unter anderem 29 Gemeindeversammlungen mit geschätzten 400 Traktanden geleitet. Die Stimmbürgerschaft hat in seiner Amtszeit meines Wissens nur ein einziges Traktandum (einen Beitrag an die Fernsehgenossenschaft) abgelehnt; drei Geschäfte wurden zurückgestellt. Alle übrigen Vorlagen fanden die Zustimmung der Versammlungen.
Ein besonderes Ereignis soll hier näher geschildert werden. Der Bau des Tunnels Murgenthal der Bahn 2000 war das eindrücklichste Bauwerk in unserer Gemeinde. Die Gemeindeversammlung vom 26. November 1982 lehnte auf Antrag des Gemeinderates einen Beitritt zum Aktionskomitee gegen die damalige NHT (Neue Haupttransversale) der SBB nach einer engagierten Diskussion ab, ermächtigte aber gleichzeitig den Gemeinderat, alle legalen Mittel anzuwenden, damit ein Ausbau der SBB-Strecke auf vier Spuren in der Talsohle verhindert wird. Es war eine eigentliche Meisterleistung des damaligen Gemeinderates (1985), als er unter Führung von Gemeindeammann Fritz Richard eine Variante mit einem Tunnel vorschlug. Der Schreibende erinnert sich noch genau daran, als Fritz Richard, der Techniker, dafür plädierte, dass man den Verantwortlichen der SBB am Zeichnungstisch aufzeigen müsse, wie ein solcher Tunnel «aussehen» könnte. Diese Variante fand, mit Unterstützung des Regionalverbandes Wiggertal-Suhrental, noch vor der eidgenössischen Volksabstimmung auch bei den zuständigen Stellen im Bund Gehör.
Dass Murgenthal mit einem Tunnel umfahren werden soll, wurde dann in der Vorlage für die eidgenössische Volksabstimmung vom 6. Dezember 1987 explizit erwähnt. Murgenthal selber verwarf das Konzept Bahn 2000 mit 223 Ja- gegen 631 Neinstimmen.
Der Tunnel hat eine Länge von 4742 Metern und unterquert Murgenthal in einem Bogen von Walliswil bis zur Hungerzelg in Rothrist, wo die Neubaustrecke mit der bestehenden Linie zusammentrifft. Mit dem Bau wurde am 1. Oktober 1997 begonnen. Am 24. September 1998 erfolgte der Tunneldurchstich beim Westportal in Walliswil. Ab Anfang 2005 rollten die ersten Züge durch diesen Tunnel, welcher nach Angaben der SBB als einer der wenigen schweizweit unter dem Kostenvoranschlag lag und nach Angaben der Unternehmer in Weltrekordzeit gebaut wurde.
Der Gemeinderat erreichte zudem im Alleingang vor dem Bundesgericht als einziger der Kläger einen Erfolg. Im wohl wichtigsten Urteil für unsere Gemeinde wies das Bundesgericht am 25. Oktober 1995 alle Verwaltungsgerichtsbeschwerden der Kantone Solothurn und Aargau sowie des VCS ab. Aber für Murgenthal entsprach das höchste Gericht dem Begehren des Gemeinderates und hielt fest, dass die SBB verpflichtet sind, die Güterzüge während der Nacht durch den Tunnel zu führen. Fritz Richard verdankt die Gemeinde, dass die Talsohle in Murgenthal von Bahnbauten verschont blieb.
Sein Fingerspitzengefühl war wichtig für Erfolge
Auch beim Bau des Radweges von Murgenthal nach Rothrist war das Fingerspitzengefühl von Fritz Richard sehr wertvoll. Und in seine Gemeinderatszeit fielen auch Ereignisse wie die 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft, umfassende Nutzungsplanungsarbeiten, die Erschliessungen im Baugebiet Riken und die Referendumsabstimmung über die Schulraum- und Turnhallenplanung in Riken.
Eine Würdigung soll nicht nur eine Aufzählung der Planung und Realisierung von Bauwerken sein. In der Amtszeit von Fritz Richard zeichneten sich vermehrt auch soziale Herausforderungen und Änderungen ab. Mit der ihm eigenen Sorgfalt hat der Verstorbene diese weiteren Aufgaben mit Ruhe und Besonnenheit erfüllt. Die anfallenden Arbeiten in einem Gemeinderat sind derart vielfältig, dass für die Mitglieder nebst viel Zeit zum Beispiel auch Führungsqualitäten gefragt sind. Fritz Richard war dank seines vertrauensvollen Auftretens und seiner immensen privaten und geschäftlichen Erfahrungen auch hier beharrlich und erfolgreich. Seinem Naturell entsprechend war er auch ein dankbarer Mensch. Er schätzte es, dass er immer auf die Unterstützung und Hilfe seiner Gemahlin Käthi und seiner Familie zählen durfte. Es bleibt die Erinnerung an einen Weggefährten mit einem in jeder Hinsicht vorbildlichen Wesen. Für seine aufopfernde Arbeit zum Wohle der Gemeinde danken wir ihm.
Abschliessend noch eine Art Kuriosum: Fritz Richard und seinen Vorgängern – Fritz Joggi, Gemeindeammann von 1951 bis 1969, Fritz Freiburghaus, 1970 bis 1979 – ist dies gemeinsam: Alle drei trugen den Vornamen «Fritz», alle drei waren Berner Bürger und alle drei erhielten zusammen mit ihren Gattinnen das Ehrenbürgerrecht von Murgenthal.