Alterszentrum Schöftland: Whistleblower vom Arbeitgeber angezeigt

Mitte Januar bekamen sieben Gemeinden des Suhren- und Ruedertals einen beunruhigenden Brief. Der Absender: Otto Zeller, ehemaliger Geschäftsleiter des Alterszentrums Schöftland (heute Suhrental Alterszentrum). Die Empfänger: die Gemeinderäte der Aktionärsgemeinden. Der Brief war eine deutliche Warnung, was die Finanzlage des Alterszentrums betrifft. Zeller vermutet darin, dass «der betriebswirtschaftlich erforderliche Gewinn der Betriebsrechnung von 560 000 Franken» in der Jahresrechnung nicht erreicht werde.

Schuld daran seien unter anderem «die exorbitanten Personalkosten, die neuen Möbel, das neue Marketing und die sinnlose Bauerei», schreibt Zeller. Die Zentrumsführung werde «voraussichtlich die 620 000 Franken Infrastrukturbeiträge ebenfalls verbrauchen». Und: Möglicherweise seien die «Mieteinnahmen der Alterswohnungen von 580 000 Franken ebenfalls verbraucht» worden. Hinzu komme ein «mehr als fragwürdiges Honorar des Verwaltungsratspräsidenten» Uwe Matthiessen in beachtlicher Höhe, wie gemunkelt werde.

Wegen seines Briefs, so Zeller, habe mittlerweile ein Treffen der Gemeindeammänner stattgefunden. Zeller war elf Jahre Alterszentrumsleiter in Schöftland (2001 bis 2012), danach 2016 Interimsleiter.

Verwaltungsrat wurde vor Finanzlage gewarnt

Was in der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt war: Der ehemalige Leiter Finanzen und Verwaltung, der von Anfang 2018 bis Mitte 2019 im Dienst des Alterszentrums war, hatte ebenfalls vor einer Verschlechterung der finanziellen Situation gewarnt – in zwei E-Mails, gekennzeichnet mit dem Vermerk «Vertraulich» an die Verwaltungsräte. Verschickt hatte er sie am 2. sowie 4. April 2019.

Die Mails haben dem Whistleblower Ärger eingebrockt – er verlor nicht nur seinen Job, sondern wurde auch wegen Ehrverletzung angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau nahm das Verfahren mit Verfügung vom

5. Dezember 2019 aber nicht an die Hand: Der Mailverfasser habe nicht die persönliche, sondern höchstens die berufliche Ehre der involvierten Personen verletzt, und diese ist im Schweizer Strafrecht nicht geschützt.

In finanzielle Schieflage gesteuert?

Aus der Verfügung geht hervor, dass Uwe Matthiessen, die aktuelle Zentrumsleiterin und eine externe Finanzberaterin im Mai 2019 bei der Polizei Anzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung gemacht hatten. Die Zentrumsleiterin ist seit Mai 2019 im Amt; die Finanzberaterin mit eigener Firma wurde im Mai 2019 vom Alterszentrum beauftragt.

Konkret geht es darum: In den beiden Mails des Whistleblowers stand unter anderem, dass Verwaltungsratspräsident Matthiessen Entscheidungen mitgefällt habe, die zu einer finanziellen Schieflage des Alterszentrums geführt hätten. So wird es in der Verfügung der Staatsanwaltschaft wiedergegeben. Weiter wird dort der Mailverfasser mit den Worten zitiert: «Uwe Matthiessen habe Rechnungen für Aufwendungen ohne Beleg gestellt und es bestehe die Gefahr der Bereicherung auf Kosten der Bewohner.»

In seiner Mail, wird in der Verfügung weiter zitiert, vermutete der Whistleblower, dass die beiden Frauen sich gut kannten und Vetternwirtschaft betrieben, weshalb die Finanzberaterin zu einem grösseren Ausgabeposten für das Alterszentrum werden könne. Erklärungen von ihm bei den ersten Treffen habe diese auf ihre eher «arrogante» Art nicht begreifen wollen. Weiter steht in der Verfügung, was dem Mailverfasser über die Zentrumsleiterin zu Ohren gekommen sei. Darunter waren Ausdrücke wie «ehrgeizig, misstrauisch, geldgierig und ‹geht über Leichen›». Und: Er – der Whistleblower war damals noch Leiter Finanzen – sehe eine ernsthafte Gefahr für die Finanzierung des Neubaus des Alterszentrums durch die heutige Leiterin.

Die Staatsanwaltschaft führte Voruntersuchungen durch, eröffnete schliesslich aber kein Verfahren – was sie wie folgt begründete: «Der Beschuldigte versuchte offensichtlich, den Verwaltungsrat auf Umstände im Alterszentrum hinzuweisen, welche seines Erachtens als Missstände zu betrachten sind.» Und: «Seine Bemühungen für das Alterszentrum und Wohlwollen diesem gegenüber sind gut erkennbar und prägen seine beiden E-Mails.» Und weiter: «Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte seine E-Mails verfasste, nur um jemandem Übles vorzuwerfen oder jemanden per se oder zumindest als Mensch ausserhalb der Berufswelt schlecht darzustellen.» Ferner habe der Whistleblower «mit keinerlei Beleidigungsabsicht» gehandelt. Die Staatsanwältin fasst zusammen, dass sämtliche Äusserungen in den E-Mails die strafrechtlich nicht geschützte berufliche Ehre der Betroffenen tangierten. Die Straftatbestände seien eindeutig nicht erfüllt.

Hat Whistleblower Entschädigung erhalten?

Der Whistleblower hatte angeblich nach seinem Abgang als Leiter Finanzen ein Verfahren wegen missbräuchlicher Kündigung eingeleitet, worauf ihm das Alterszentrum eine Entschädigung zahlte. Fakt ist: An der Generalversammlung vom Mai 2019 präsentierte der Verwaltungsrat einen Verlust von gut 146 000 Franken im 2018. Aus der Erklärung für den Verlust (mehrere Mitarbeiter wurden per sofort freigestellt und deren Nachfolger nahtlos eingestellt, weshalb es zu doppelten Lohnzahlungen kam) resultierten keine Diskussionen.

«Gerüchte und Unwahrheiten»

Auf Nachfrage am Donnerstagmorgen per E-Mail, ob die Vorhaltungen von Otto Zeller, insbesondere punkto finanzieller Lage, so stimmen und ob der Leiter Finanzen – der Whistleblower – wirklich eine Abgangsentschädigung erhalten hat, hat Verwaltungsratspräsident Uwe Matthiessen geantwortet: «Diese Behauptungen beruhen auf Gerüchten und Unwahrheiten von einem kleinen Kreis von Personen, welche das Ziel verfolgen, die RAZS AG (Regionales Alterszentrum Schöftland) zu destabilisieren, zu verunglimpfen und so den Betrieb zu gefährden.» Es sei ihm unmöglich, innert rund 30 Stunden zu den Fragen Stellung zu nehmen, «ohne das Aktionärsrecht und die Geschäftsinteressen zu verletzen». Man befinde sich in einem «tiefgreifenden Transformationsprozess mit Anpassungen von Strukturen und Abläufen», und es liege «in der Natur der Sache, dass sich nicht alle Menschen, aus eigennützigen Gründen, an einem solchen Veränderungsprozess beteiligen wollen». Matthiessen schreibt auch, man werde an der Generalversammlung vom 13. Mai 2020 «im Kontext und umfassend informieren».