Applaus ist ein Anfang, aber es muss noch etwas folgen

Keine Frage, die Idee, sich am Freitag auf den Balkon zu stellen und den momentan besonders geforderten Menschen zu applaudieren, war richtig. Die moralische Unterstützung wird helfen, zumindest kurzfristig. Dennoch hatte diese Aktion für mich einen fahlen Beigeschmack. Selbstverständlich erleben wir momentan einen Ausnahmezustand, den nur die Allerwenigsten von uns schon einmal in ähnlicher Dimension mitgemacht haben. Selbstverständlich braucht es oft Extremsituationen, um sich klar zu werden, was und wer im Leben wichtig ist. Selbstverständlich nehmen wir Dinge oft als selbstverständlich hin, obwohl sie es nicht sind.

Vielleicht wäre aber genau jetzt endlich der richtige Zeitpunkt, um gewisse Anpassungen im System vorzunehmen. Was würden wir – weltweit – momentan machen, wenn wir nicht die tausenden Frauen und Männer in den Altersheimen, Behindertenheimen, Pflegeheimen und Spitälern hätten, die tagtäglich alles dafür geben, dass es uns möglichst gut geht. Sie arbeiten oft bis an die Grenze oder sogar darüber hinaus, werden immer wieder mit schlimmen Bildern und dem Tod konfrontiert, setzen sich für die Psychohygiene der Patientinnen und Patienten ein und wischen in aller Ruhe sämtliche Ausscheidungen eines menschlichen Körpers auf.

Mein allergrösster Respekt gehört diesen Menschen, die Arbeiten ausführen, die ich nicht im Stande wäre zu erledigen. Weder der Applaus von letztem Freitag noch mein Respekt sind aber der Honorierung dafür genug. Viele dieser «Helden des Alltags» müssen jeden Tag mit Beleidigungen und zuweilen sogar tätlichen Angriffen leben, müssen mit wenig oder sogar zu wenig Lohn auskommen und erscheinen trotzdem jeden Tag – mal mit viel und mal mit ein bisschen weniger Freude – zur Arbeit. Die Wertschätzung ist durchaus zu einem Teil vorhanden, allerdings nicht in diesem Mass, in dem es verdient wäre.

Obwohl ich weiss, dass der Mensch nicht so gepolt ist, mit anderen Menschen freiwillig zu teilen, hätte ich einen Vorschlag, wie man den Pflegerinnen und Pflegern auch nach der momentanen und vor der nächsten Krise zeigen könnte, wie dankbar wir für ihre Arbeit sind. Erhöhen wir endlich ihren Lohn! Wie wäre es, wenn die Topmanager des Landes nach jedem Jahr, das mit einem Millionenverlust endet, ihren «Bonus» freiwillig auf ein Konto einzahlen und man dieses Geld dann Ende Jahr den Menschen im Gesundheitswesen zur Verfügung stellt?