
Auch heute liegt ihr das Frauenhaus AG-SO noch sehr am Herzen

Früher sass sie oft in ihrem Büro im Frauenhaus, heute ist Doris Mittelholzer häufig im Tessin anzutreffen. Dort besitzt die 70-jährige Zofingerin ein Rustico. «Nur drei auf drei Meter ist es gross, geheizt wird mit Holz», sagt Mittelholzer. Daneben verlangt auch das Land ringsum nach Aufmerksamkeit. Es gibt also viel zu tun.
Viel zu tun hatte Doris Mittelholzer auch während ihrer langen Karriere. Geboren in der Ostschweiz war ihr früh klar, dass sie etwas mit Menschen machen möchte. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Sozialpädagogin, war in der offenen Jugendarbeit und in einem Heim tätig. Später arbeitete sie 15 Jahre lang in der Suchtarbeit, wo sie auch Institutionen leitete.
1998 schliesslich wurde sie die erste Betriebsleiterin des Frauenhauses Aargau. «Die Stellenausschreibung sprach mich an, weil es Projekte anzupacken galt», sagt Mittelholzer. Der Anfang sei hart gewesen, weil praktisch nichts vorhanden war, so die 70-Jährige. «Ich hatte damals aber viel Goodwill von der Stiftung, die hinter dem Frauenhaus steht.» So konnte sie viel selbst gestalten und auf ihre Art anpacken.
Die Kraft der Frauen berührte sie immer wieder
Eine ihrer Aufgaben war es, das Frauenhaus in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, damit möglichst viele, seien es Opfer oder Behörden, von diesem Angebot wussten. «Vor zwanzig Jahren waren das Frauenhaus und häusliche Gewalt weniger ein Thema. Heute sieht das anders aus», sagt Mittelholzer.
Als wichtigstes Projekt bezeichnet sie den Aufbau der Betreuung der Kinder der ins Frauenhaus geflüchteten Frauen. «Früher war die Kinderbetreuung rudimentär. Die Einführung der besonderen Betreuung der Kinder war ein Meilenstein.» Denn bei häuslicher Gewalt leide das ganze Familiensystem, vor allem auch die Kinder.
In ihrer elfjährigen Tätigkeit im Frauenhaus wurde Mittelholzer mit vielen Schicksalen konfrontiert. Berührt hätte sie immer wieder die Kraft der Frauen, sich dazu zu entscheiden, samt Kindern aus der Gewaltsituation auszubrechen. Schwierig sei es zuweilen gewesen, zu sehen, wie Frauen wieder in ihr gewalttätiges Umfeld zurückkehrten. «Doch die Frauen entscheiden, was für Lösungen sie installieren – wir stehen beratend und unterstützend zur Seite», so Mittelholzer, die seit 1978 in Zofingen lebt und während sieben Jahren im Einwohnerrat für die Grünen politisierte.
2009 trat sie mit 61 Jahren als Betriebsleiterin des Frauenhauses Aargau-Solothurn zurück. «Ich hatte meine Projekte erfüllt und wollte noch etwas anderes machen.» So arbeitete Mittelholzer bis zu ihrer Pension als Sozialarbeiterin bei der Jugendanwaltschaft. «Da konnte ich, auch in meinem Alter, noch viel lernen.»
Obwohl ihre Zeit beim Frauenhaus bereits zehn Jahre zurückliegt, merkt man Doris Mittelholzer das Herzblut, das sie in ihre Tätigkeit gesteckt hat, noch immer an. «Die Frauenhäuser sind wertvoll. Sie müssen sich immer weiterentwickeln. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Institutionen ist dabei zentral.» Betonen möchte Mittelholzer, dass in diesen Bereichen ganz sicher nicht gespart werden sollte.
Jetzt hat sie viel Zeit für das Rustico und ihre Hündin
Heute ist Mittelholzer vogelfrei, wie sie selbst sagt. «Ich mache seit der Pension das, was vorher zu kurz kam.» Dazu gehören neben ihrem Rustico im Tessin auch das Laufen mit ihrer Curly Retriever Hündin
My Lee, das Nähen und das Velofahren. «Ich freue mich, dass ich noch so gut «zwäg» bin und nichts mehr muss, sondern nur noch darf.» Sie lebe im Hier und Jetzt und das sei gut so.
Serie
Im Rahmen der Serie «Was macht eigentlich …?» haben Redaktorinnen und Redaktoren dieser Zeitung mit Menschen gesprochen, die Schlagzeilen gemacht haben. Wir fragen nach, was sie heute machen – und schwelgen mit ihnen in Erinnerungen.