Auch Olten folgt dem Trend, die Nachtruhe der Anwohner ernst zu nehmen

Vor drei Jahren ein erster Schritt: Der reformierte Kirchgemeinderat entschied aufgrund einer Petition eines Anwohners, dass die Friedenskirche das viertelstündliche Geläut nachts von 0.15 bis 6 Uhr aussetzt. Damals war der Anwohner noch mit der weitergehenden Forderung gescheitert, dass alle Glocken von 22 bis 6 Uhr ausgeschaltet werden sollen.

Doch vor Kurzem gelangte das Anliegen erneut auf die Traktandenliste der Kommission des Pfarrkreises Olten-Stadt. Diesmal sollte das Glockengeläut ganz ausgeschaltet werden, und zwar von 22 bis 6 Uhr. «Aus der Nachbarschaft wurden uns Forderungen herangetragen, das Geläut aus Lärmschutzgründen nachts abzustellen», sagt der Präsident Peter Engelhardt auf Anfrage. Die Kommission hatte Ende August klar mit 6 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen entschieden, das Geläut künftig nachts auszusetzen. In den nächsten Tag soll es gemäss dem Kirchenkommissionspräsidenten soweit sein.

Bundesgericht urteilt bisher pro Kirchengeläut

Für Engelhardt ist die nächtliche Abschaltung ein Kompromiss und entspricht auch dem Trend, die Nachtruhe der Anwohner ernst zu nehmen. Man wollte keinen Gerichtsfall riskieren. «Das Geläut hat keinen kultischen Hintergrund, sondern dient nur der Zeitangabe», sagt Engelhardt. Der Stundenschlag sei «ein plötzlicher, sehr lauter Schlag, der ohne Anschwellen passiert». Die Glocken leiser einzustellen, ist gemäss der zuständigen Glockenbaufirma nicht möglich.

Der Entscheid der reformierten Kirchenkommission liegt im Trend. Von immer mehr Kirchtürmen gibt es aus Lärmschutzgründen nachts kein Geläut mehr. In der Vergangenheit hat das Bundesgericht aber bei der Abwägung zwischen der Tradition des Glockengeläuts und dem Lärmschutz meist zugunsten der Kirche entschieden. Der vielleicht aufsehenerregendste Fall: Ein Ehepaar drang in Wädenswil ZH mit seiner Forderung, das Viertelstundengeläut zwischen 22 und 6 Uhr bei der reformierten Kirche abzuschalten, nicht durch. Die Massnahme sei angesichts ihrer beschränkten Wirkung in Bezug auf den Lärmschutz und dem in der Gemeinde fest verwurzelten nächtlichen Glockenschlag nicht gerechtfertigt, hiess es damals in der Mitteilung des Bundesgerichts Ende 2017. Eine Studie der ETH Zürich aus dem Jahr 2011 zeigte allerdings, dass bereits Glockenschläge von unter 60 Dezibel zu unerwünschten Aufwachreaktionen bei Betroffenen führen könnten. Werde man sogar jede Viertelstunde geweckt, könne das gesundheitsschädlich sein.

In Trimbach schlagen Glocken nachts nicht mehr

Rolf Sommer ist mit diesen Argumenten nicht einverstanden. Für den SVP-Kantonsrat, der gleich unterhalb der Friedenskirche wohnt und selbst Mitglied der Reformierten ist, geht damit eine «Entchristlichung der Schweiz» einher. Die Kirchen und ihre Glocken sind für ihn «ein christliches Symbol der Schweiz», wie er in einem Leserbrief an die Redaktion schreibt. Und er rät zu einer drastischen Massnahmen: Falls die Kirchenvertreter nicht mehr zu «unseren schweizerischen Grundwerten stehen», gibt es aus seiner Sicht nur eines – aus der Kirche austreten. Sommer beabsichtigt nun, Beschwerde gegen den abschliessenden Entscheid der Kirchenkommission zu führen. Eventuell will er sogar eine Petition unter gleichgesinnten Anwohnern starten.

Dass das Aussetzen des nächtlichen Geläuts auch ohne grossen Widerstand über die Bühne geht, zeigt der Fall in Trimbach. Bei der reformierten Johanneskirche schlagen die Glocken seit November 2018 zwischen 22 und 7 Uhr gar nicht mehr. Die Kirchenkommission sei auf die Anfrage aus der Anwohnerschaft mit einer Enthaltung zum Schluss gekommen, dass «die Nachtruhe höher zu werten ist als das viertelstündliche Glockengeläut», schreibt Präsident Remo Grossenbacher auf Anfrage. Da sich die Kirche mitten in einem Wohngebiet befindet, «haben wir Verständnis, dass der viertelstündliche Glockenschlag in der Nacht als sehr laut und störend wahrgenommen werden könnte», so Grossenbacher weiter.

Nach der mehrmonatigen Testphase hat die Kirchenkommission im August beschlossen, dass das Regime ohne Glockenschlag beibehalten wird. Gemäss Grossenbacher hat die Abschaltung in der Bevölkerung weniger als zehn Rückmeldungen ausgelöst. «Es trafen rund gleich viele positive wie negative Reaktionen ein», schreibt er. «Wichtig ist für uns, dass die Glocken weiterhin am Tag und für wichtige Anlässe wie Abdankungen und Hochzeiten läuten können.»