
Auch Trinken ist politisch: Jetzt hat die Ökowelle das Bier erreicht
Bierbrauen boomt. Per Ende Januar dieses Jahres verzeichnete die Eidgenössische Zollverwaltung 1127 Brauereien, die pro Jahr mehr als 400 Liter Bier herstellen und damit steuerpflichtig sind. Vor zehn Jahren zählte das Land erst 332. Der Marktanteil der Mikrobetriebe und Hobbybrauer ist jedoch gering; 51 Brauereien stellen 99,2 Prozent der Inlandproduktion her.
Jetzt werfen sich Waadtländer SP-Politiker für die Kleinstbrauereien in die Bresche – namentlich für lokale, grüne und handwerklich fabrizierte Biersorten. Nationalrat Samuel Bendahan schweben tiefere Steuern für Betriebe vor, die sämtliche Rohstoffe lokal einkaufen oder besonders umweltschonend produzieren. In seinem Postulat argumentiert Bendahan, die grossen Bierproduzenten würden von Einfuhrerleichterungen bei Rohstoffen profitieren. Er möchte zudem mehr Bauern zum Anbau von Hopfen animieren. Derzeit wird nur 10 Prozent der inländischen Produktion mit einheimischem Hopfen gebraut.
Waadtländer Gastrobetriebe sollen kantonales Bier anbieten
Die SP-Kantonsrätin Jessica Jaccoud plädiert derweil dafür, Waadtländer Handwerk-Brauereien noch gezielter unter die Arme greifen. Sie will mit einem Vorstoss alle Gastrobetriebe mit der Lizenz zum Alkoholausschank verpflichten, Bier von Waadtländer Mikrobrauereien anzubieten; für Wein ist das bereits der Fall. Als Mikrobrauerei sollen Betriebe gelten, deren Jahresproduktion tiefer als bei 15 000 Hektolitern liegt.
Von diesen Regeln, die auch für Grossanlässe wie Musikfestivals gelten sollen, würden potenziell mehr als 100 Waadtländer Brauereien profitieren. Jaccoud kritisiert, die grössten Brauereien wie Carlsberg und Heineken würden den Schweizer Biermarktes beherrschen. Mit dieser Dominanz könnten sie kleineren Anbietern den Marktzugang faktisch versperren, indem sie zum Beispiel mit Festivals und Gastrobetrieben Exklusivverträge abschliessen würden. Jaccoud und Bendahan haben ihr Vorgehen koordiniert.
Bierbrauer Gmür findet es wenig berauschend
Die grüne Welle hat also den Gerstensaft erreicht. CVP-Nationalrat Alois Gmür findet das wenig berauschend. Der Ruf nach lokalem und umweltfreundlichen Bier möge zwar sympathisch tönen, sagt der Mitinhaber der Brauerei Rosengarten AG in Einsiedeln. «Doch es handelt sich um einen Eingriff in die Vertrags- und Wirtschaftsfreiheit.» Der Bierwahl solle dem Konsumenten überlassen werden. «Ich habe oft erlebt, dass Restaurants unsere Biersorten in ihr Sortiment aufnahmen, weil die Gäste danach verlangten», sagt Gmür. Der CVP-Politiker weist darauf hin, dass es in der Schweiz praktisch keine Mälzereien gebe. Die Bierproduzenten seien auf den Import von Malz angewiesen.
Marcel Kreber, Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes, schlägt in die gleiche Kerbe. «Es wäre ja toll, wenn wir unsere Biere zu 100 Prozent mit einheimischen Rohstoffen herstellen könnten», sagt er. «Allein für die Produktion von genügend Braugerste müssten wir aber eine zusätzliche Anbaufläche von mehr als 15000 Fussballfeldern haben.»
Kreber steht dem politischen Support für lokale Ökobiere skeptisch gegenüber. «Wir haben einen funktionierenden Biermarkt. Wenn die Qualität stimmt, haben solche Produkte ohne spezielle Förderung eine Chance.»
Auch der Bundesrat verwirft einen Eingriff in den Biermarkt und erteilt Bendahans Idee eine Absage. Der Anbau von Hopfen und Braugerste werde bereits jetzt subventioniert. Er erinnert auch daran, dass Brauereien mit einer Jahresproduktion von weniger als 55 000 Hektolitern steuerlich begünstig werden.
Die vorberatende Kommission des Waadtländer Kantonsparlaments hat derweil die Motion von Jaccoud in ein unverbindlicheres Postulat umgewandelt. Noch keine Entscheide gefällt zur staatlichen Mikrobrauereiförderung hat das Eidgenössische Parlament.