
Auf Abfalltour mit Hansruedi Lüscher: «Vom Ätti eins auf den Ranzen gekriegt»
Wenn nach einem warmen Weekend wieder die Arbeitswoche anbricht, dann sieht es an unzähligen Plätzen in der Schweiz gleich hässlich aus: Leere PET-Flaschen, zertretene Alu-Dosen, zerknüllte Lebensmittelverpackungen liegen herum. Wer beginnt, die Zigarettenstummel zu zählen, landet schnell bei einer dreistelligen Zahl. Und ja, irgendwer muss den Müll ja wieder einsammeln.
Hansruedi Lüscher ist so ein Mann, der wegräumt, was andere liegengelassen oder weggeschmissen haben. 30 Jahre arbeitet er schon für die Gemeinde Oftringen. Viele Jahre lang war Lüscher, der dieses Jahr seinen 63. Geburtstag feiert, mit dem Wischfahrzeug unterwegs. Inzwischen ist er für die sogenannte Abfalltour zuständig. Fünf Quartier-Sammelstellen, 29 Kübel bei Bushalte-Stellen, 54 Robidogs und 43 sonstige Abfalleimer fährt er mit seinem schmalen und wendigen Nutzfahrzeug an.
An diesem Morgen schlüpft Lüscher in seine Regenjacke und setzt sich einen schwarzen Hut auf den Kopf. «Dann mal los», sagt er, und schwingt sich hinters Steuerrad.
Den ersten Halt legt er bei der Sammelstelle auf dem Parkplatz des Gemeindehauses ein. «Hier standen bis vor kurzem ebenfalls drei Abfalleimer», erzählt Lüscher beim Aussteigen. Sie wurden entfernt, weil massig Güsel strandete – nicht nur in den Behältern, sondern vor allem daneben. Es gab Tage, da füllte Lüscher zwei 110-Liter-Säcke mit allem, was ein Haushalt so ausspucken kann. «Jetzt hat es ein bisschen gebessert.»
Als Lüscher beim Schulhaus Oberfeld hält, hat der Regen bereits ein bisschen nachgelassen. Gut, denn hier gibt es einiges zu tun. Auf dem Boden liegen Burger-Verpackungen und Alu-Dosen – und Dutzende Kippen. Lüscher zeigt auf den Abfalleimer, der keine zehn Meter davon entfernt steht. «Immer das Gleiche: Kübel hat es mehr als genug – die Leute lassen ihren Dreck trotzdem liegen.» Er nervt sich, wenn er hört, es habe halt keine Aschenbecher. «Hier hat es ja extra ein Fach», sagt er und zeigt auf den Schlitz am Kopf des Behälters.
Wir fahren am Mattenweg vorbei zur Bushaltestelle Obristhof/Post. Hier muss Lüscher erst einmal die Öffnung des Eimers von Haushaltsabfällen befreien, bevor der den vollen Sack herausnehmen kann. Zum Vorschein kommt ein Dutzend leere Bierflaschen.
Mit dem Düsenjet durch die Kinderstube
Nächster Halt ist die Bushaltestelle Kreuzplatz vor dem EO, ein Hotspot, wie Lüscher weiss. Er wirft einen prüfenden Blick ins Bushäuschen. Der Boden ist mit kleinen Papierfetzen übersät, es braucht jetzt einen Besen. Trotzdem: «Heute ist es heilig», sagt er. An manchen Tagen sei die bare «Katastrophe», was er hier vorfinde. Auch Anwohner beklagen sich.
Viel kann Lüscher auf seinen Touren nicht mehr aus der Ruhe bringen. Trotzdem ärgert er sich manchmal, wenn er den Dreck anderer wegbringen muss. «Vor allem, wenn ich irgendwo alles saubergemacht habe – und nach ein, zwei Stunden sieht es wieder gleich aus.»
Nach ein paar Stunden tuckern wir Richtung Erzo, der Entsorgungsanlage der Region Zofingen. Lüscher lädt die Ausbeute der ersten Morgenstunden ab, es sind 120 Kilogramm. «Manchmal kommen in der gleichen Zeit locker 300 Kilo zusammen.»
Später, beim Kaffee, setzt sich Lüschers Chef, Werkhofleiter Roger Grivel, dazu. Littering ist ein stark saisonales Phänomen, das wissen die beiden inzwischen. Die Hochsaison beginnt Mitte Juni und endet erst dann, wenn es zu kühl wird, sich draussen essend, trinkend und rauchend die Nachtstunden um die Ohren zu schlagen. Lüscher braucht keine soziologischen Studien zu Rate zu ziehen, um zu wissen, wo meist der Grund des Übels zu suchen ist: in den Kinderstuben nämlich. Wenn er als Heranwachsender einfach Abfall weggeworfen hätte, wäre es keine gute Idee gewesen, sich dabei vom Vater erwischen zu lassen. Denn der «Ätti», sagt er, hätte ihm in einem solchen Fall wohl «eins auf den Ranzen gegeben».
Noch ein paar hundert Mal wird Lüscher in Oftringen auf Abfalltour gehen – dann ist Schluss. Wenn möglich, möchte er sich nächstes Jahr pensionieren lassen. Seinen Job wird dann ein anderer machen müssen. Denn so viel steht leider fest: Die Litterer werden Lüscher nicht in die Pension folgen.
Schicken Sie uns Ihre Bilder und Videos!
Das ZT rückt in einer losen Serie das Thema Littering in den Fokus. Haben Sie in letzter Zeit selbst Erfahrungen mit Littering gemacht? Schicken Sie uns Ihre Bilder und Videos an ztredaktion@ztmedien.ch; die Redaktion wird die besten davon publizieren (Adresse und Telefon nicht vergessen). (zt)
Hansruedi Lüscher räumt in Oftringen zusammen, was andere liegengelassen haben. Hansruedi Lüscher räumt in Oftringen zusammen, was andere liegengelassen haben. Hansruedi Lüscher räumt in Oftringen zusammen, was andere liegengelassen haben. Hansruedi Lüscher räumt in Oftringen zusammen, was andere liegengelassen haben. Hansruedi Lüscher räumt in Oftringen zusammen, was andere liegengelassen haben. Hansruedi Lüscher räumt in Oftringen zusammen, was andere liegengelassen haben.