Auf nach Amerika: Auf Ruderboot Heidi verlassen vier junge Aargauer das Festland – und ihre Komfortzone

«Helvetic Waves»: Das sind die Brüder Georg, Sebastian und Peider Stocker und deren Cousin Matthias Odermatt. Ab dem 12. Dezember werden sie sich dem grössten Abenteuer ihres Lebens stellen und am härtesten Ruderrennen der Welt, der Atlantic Challenge, teilnehmen. Das ambitionierte Ziel: Nach 5000 Kilometern zu den Besten gehören. Gerudert wird bei Tag und Nacht, bei Wind und Sturm – Erschöpfung, Schlafmangel und Blasen auf den Handflächen inklusive.

 
«Heidi» war während der vergangenen Monate die grosse Attraktion am Hafen Zürich Wollishofen. Am Samstag ist «Heidi» in Wettingen.

«Heidi» war während der vergangenen Monate die grosse Attraktion am Hafen Zürich Wollishofen. Am Samstag ist «Heidi» in Wettingen.

Zvg

Um sich den bis zu sechs Meter hohen Wellen entgegenzustellen, reicht ein konventionelles Ruderboot bei weitem nicht aus. Das Team wird das Rennen deshalb mit dem Boot Heidi absolvieren. Dieses wurde im Jahr 2019 konstruiert, ist 9,5 Meter lang, 1,9 Meter breit und wiegt beinahe eine Tonne.

Solarenergie für Wasseraufbereitung und Autopilot

An beiden Bootsenden befindet sich jeweils eine Kabine. Die sich darauf befindenden Solarpanels versorgen die Batterie des Bootes mit genügend Energie. Damit soll zum einen das Funktionieren der Wasseraufbereitungsanlage sichergestellt, zum anderen der Autopilot in der Hauptkabine am Laufen gehalten werden.

«Streng dich a für de Börger in Antigua»: Georg und Peider Stocker versehen das Boot mit motivierenden Zitaten.

«Streng dich a für de Börger in Antigua»: Georg und Peider Stocker versehen das Boot mit motivierenden Zitaten.

Nicolas Mennel

Dank des Autopiloten und der ständigen Verbindung mit zwei Personen an Land wird sich die Equipe kaum mit Irrfahrten konfrontiert sehen. Ebenso dienen die Kabinen als Ruhezonen. Den grossen Komfort findet man hier nicht vor, das ist Teil der Grenzerfahrung. Alle zwei Stunden werden sich die Athleten mit Ruhe- und Ruderphasen abwechseln. Eine persönliche Note hat man dem Boot mit eigenen Zitaten verliehen. Diese sollen in schwierigen Situationen beflügelnd wirken.

Bei Sturm heisst es: «Weiter rudern, Männer!»

Der Faktor Wetter lässt sich nicht beeinflussen. Bei plötzlich auftretenden Stürmen wird es heissen: «Weiter rudern, Männer!» Es sei denn, die Konstellation von Wind, Wellen und Strömung ist so ungünstig, dass ein Vorwärtskommen zum Ding der Unmöglichkeit verkommt. In solchen Situationen käme der Para-Anker zur Anwendung, welcher ein Zurücktreiben verhindern soll. Für den 22-jährigen Matthias Odermatt ist aber klar:

«Wir hoffen, dass wir den Para-Anker nicht aus der Hülle holen müssen, denn das Ding ist echt schwer.»

Solche und ähnliche Situationen simulierte das Team während der vergangenen Monate wiederholt. Im August erfolgte die gelungene Hauptprobe in den Niederlanden. Dort verbrachten die vier Abenteurer über drei Tage auf der rauen Nordsee mit ihrem unangenehmen Wellengang – eine optimale Vorbereitung auf den Wettkampf. Dabei wurde Sebastian Stocker erstmals bewusst, was es bedeutet, auch nachts zu rudern: «Das ist definitiv das Schlimmste. Da brauchst du deutlich mehr Motivation und Energie als tagsüber.»

«Heidi» kommt nach Wettingen, ehe es zum Startort geht

Bis zum Startschuss wird das Team weiter fleissig trainieren und die Zeit mit dem engsten Umfeld geniessen. Die Abreise nach La Gomera erfolgt Ende November. Hochsee-Ruderboot Heidi wird bereits in zwei Wochen in Richtung Startort verfrachtet. Bevor es so weit ist, präsentiert «Helvetic Waves» das Boot am kommenden Samstag am Lägerebräu Herbstmarkt auf der Wettinger Klosterhalbinsel.

Training auf dem See vor der Atlantiküberquerung. Von vorne nach hinten: Georg Stocker, Sebastian Stocker, Matthias Odermatt, Peider Stocker.

Training auf dem See vor der Atlantiküberquerung. Von vorne nach hinten: Georg Stocker, Sebastian Stocker, Matthias Odermatt, Peider Stocker.