Auf Stimmenfang mit Sklavinnen und Zombies: Was ist bei Abstimmungs-Plakaten eigentlich alles erlaubt?

 

Die Zombie-Plakate in Olten wurden auf Werbeflächen der APG|SGA aufgehängt. Dort heisst es auf Anfrage, man sei keine Zensurstelle. Zudem sei gesetzlich ganz klar geregelt, was erlaubt sei und was nicht. Nur im Zweifelsfall würde man Plakate den Gemeinden vorlegen, bevor man sie aufhänge. Und auch das nur bei einigen Gemeinden und nicht bei allen. Weil die APG|SGA so viele Vertragspartner habe, sei es gar nicht realistisch, die Plakate sämtlichen Gemeinden zur Prüfung vorzulegen.

So wurde etwa das Zombie-Plakat der Stadt Olten nicht vorgelegt, bevor es aufgehängt wurde. Als die Stadt das Sujet sah, war ihr aber offenbar doch nicht ganz wohl dabei. Man habe Kontakt mit der APG|SGA aufgenommen, sagt Stadtschreiber Markus Dietler. Doch zu diesem Zeitpunkt war das Plakat bereits wieder überklebt, sodass sich Massnahmen erübrigten.

Nein-Komitee ist zufrieden mit der Wirkung

Etwas lockerer sah man die Sache in Solothurn: Dort wurde nicht verlangt, dass die Plakate entfernt werden. Stadtschreiber Hansjörg Boll: «Auch wenn die Stadt nicht mit allen Botschaften auf Plakaten einverstanden ist, gewichtete sie die Meinungsfreiheit bisher immer höher als die Gründe, die für ein Verbot gesprochen hätten.»

Ein weiteres Plakat der Gegner der Ehe für alle. Bild: kind-keine-ware.ch
Ein weiteres Plakat der Gegner der Ehe für alle. Bild: kind-keine-ware.ch

 

Doch auch in Solothurn hängen die Plakate mittlerweile nicht mehr. Der Grund ist aber ein anderer, wie Nein-Komitee Sprecher Freysinger sagt: «Wir mussten uns aus finanziellen Gründen einschränken. Solche Plakatkampagnen sind sehr teuer.»

Er ist zufrieden mit der Kontroverse, welche die Plakate auslösten: «Ein Plakat, das nicht aufrüttelt oder zumindest die Aufmerksamkeit weckt, ist misslungen.» Es sei gelungen, Themen ins Zentrum zu rücken, die vom Pro-Lager und den Medien vermieden worden seien. Freysinger: «Wir bereuen das Vorgehen keineswegs, im Gegenteil.»

Man ist es sich ja gewohnt: Rücken Abstimmungen näher, dann füllen provozierende Plakate die Städte. An Strassenlaternen kicken weisse Schafe schwarze aus dem Lande, an Hauswänden werden Minarette zu Raketen und im Bahnhof steht geschrieben: «Kosovaren schlitzen Schweizer auf».

So geschehen auch in diesem Abstimmungskampf. Besonders hervorgetan haben sich die Gegner der «Ehe für alle» mit zwei Plakaten, die unter anderem auch in Olten und in Solothurn aufgehängt wurden. Eines zeigte drei dicke Frauenbäuche, darüber stand «Sklavinnen». Das zweite zeigte einen Toten, daneben stand: «Kinder mit einem Toten».

Das Nein-Komitee befürchtet, dass Frauen als Leihmütter missbraucht werden könnten. Bild: Twitter
Das Nein-Komitee befürchtet, dass Frauen als Leihmütter missbraucht werden könnten. Bild: Twitter

 

 

Eine Leiche und schwangere Sklavinnen: Was hat das damit zu tun, ob homosexuelle Paare heiraten dürfen oder nicht? Hinter den Plakaten steckt das Nein-Komitee «Das Kind ist keine Ware». Sprecher ist der ehemalige Walliser SVP-National- und Regierungsrat Oskar Freysinger.

Das Komitee befürchtet, dass, sobald schwule Paare heiraten dürfen, es einen Ansturm auf Leihmütter geben werde. Dass Frauen in der Dritten Welt versklavt und zur Leihmutterschaft gezwungen würden. Und hinter dem Zombie-Plakat steckt die Befürchtung, dass, sobald die Samenspende für lesbische Paare erlaubt wäre, es einen Ansturm auf Samenspenderbanken geben würde. Dass das Sperma knapp werden würde. Und dass auch der Samen von Toten verwendet würde.

Heftige Reaktionen in den sozialen Medien

Diese Zusammenhänge schienen aber nicht allen klar zu werden. Etwa in verschiedenen Facebook-Gruppen, wo die Sujets diskutiert wurden. Allerdings: Nicht nur Unverständnis wurde dort geäussert. Sondern auch Ekel: So schrieb eine Frau: «Wieso darf man so was Absurdes aufhängen? Echt krank.» Auch Kommentare wie «geschmacklos», «Schande» oder «widerlich» sind zu lesen. Es dauerte jeweils nicht lange, bis die Plakate verschmiert oder abgerissen wurden.

In Genf wurden die Zombie-Plakate gar nie aufgehängt: Die Stadt hatte sie abgelehnt. Und Kriens liess die Plakate wieder abhängen, nachdem man sie mit eigenen Augen gesehen hatte. Die Begründung: Das Plakat verstöre schon Erwachsene, und sei für Kinder gänzlich ungeeignet. Nicht so in Solothurn und Olten: Dort hingen die Plakate für eine Weile.

Dazu muss man wissen: Geht es um Abstimmungen, ist fast alles erlaubt. Halbwahrheiten, Übertreibungen, Provokationen. Es gibt nur wenige Auflagen für Plakatsujets: Sie dürfen etwa nicht rassistisch oder beleidigend sein. Und für Plakate an Strassen gilt: Sie dürfen Autofahrer nicht ablenken, also etwa nicht zu grell sein.

Meistens kontrollieren Gemeinden Plakate nicht

Dazu kommt: Die Gemeinden prüfen Plakate in den allermeisten Fällen gar nicht, bevor sie aufgehängt werden. Für politische Werbung am Strassenrand vor Abstimmungen und Wahlen braucht es grundsätzlich sowieso keine Bewilligung. Und offizielle Werbeflächen im öffentlichen Raum werden meistens von privaten Unternehmen verwaltet. Die grösste in der Schweiz: die APG|SGA.

Zombie-Plakat der Gegner der Ehe für alle. Bild: kind-keine-ware.ch
Zombie-Plakat der Gegner der Ehe für alle. Bild: kind-keine-ware.ch