Ausgerechnet die klimafreundlichen Städte heizen besonders oft mit Öl und Gas – jetzt drohen Verbote und Zwang

Genf, die Internationale: Keine Schweizer Stadt ist so nah am Puls der Weltpolitik. Sogar Klimahauptstadt möchte man werden. Grosse Umweltorganisationen haben hier ihren Sitz.

Genf, die Linke: SP und Grüne dominieren die Stadtpolitik. Nur in Basel-Stadt stimmten mehr Personen für das – schweizweit abgelehnte – CO2-Gesetz als im Kanton Genf.

Genf, die Umweltsünderin: Geht es um den CO2-Ausstoss beim Heizen, gehört Genf zu den Schweizer Schlusslichter. Die Gebäude werden zu 92 Prozent mit fossilen Brennstoffen geheizt – konkret mit Gas (78 Prozent) und Öl (14 Prozent). Diese Zahlen nennt die Stadtverwaltung auf Anfrage. Zum Vergleich: Im Kanton Uri liegt der Anteil der Ölheizungen unter 50 Prozent; Gas ist vernachlässigbar.

Auch Bern oder Zürich schneiden schlecht ab

Genf ist nicht die einzige Stadt, in der überdurchschnittlich oft fossile Energieträger zum Heizen verwendet werden. «Die Diskrepanz zwischen dem Ist und dem Soll ist in den Städten gross», sagt Patrick Hofstetter, Klimaexperte beim WWF Schweiz. Und weiter: «Keine Schweizer Stadt kann von sich sagen, dass sie bereits im nötigen Ausmass und Tempo Klimaschutz umsetzt.»

Dies zeigen auch Zahlen, die CH Media vorliegen. Der Anteil der fossilen Heizungen ist in den Städten besonders hoch. In Zürich etwa wird zu rund 70 Prozent fossil geheizt. In St. Gallen sind es rund 70 Prozent. Und auch in der Stadt Bern sind nur 23 Prozent der Heizstoffe erneuerbar. Ganz anders sieht es im Schweizer Schnitt aus: Dort sind zu 47 Prozent Öl- und zu 16 Prozent Gasheizungen verbaut. Dies zeigen die 2015 letztmals veröffentliche Zahlen des Bundesamtes für Statistik. Inzwischen dürfte die Zahl der fossilen Heizungen noch gesunken sein.

Gas: Der goldene Käfig der Schweizer Städte

Wie kommt es dazu, dass in Bern 77 Prozent fürs CO2-Gesetz stimmen, aber drei Viertel der Häuser nicht mit erneuerbaren Energien heizen? Dies ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Einerseits gibt es in den Städten viele Mieter, die nicht mitentscheiden können, wie ihre Wohnung geheizt wird. Andererseits ist der Gebäudepark in den Städten älter als auf dem Land, der Denkmalschutz kann eine Hürde sein bei energetischen Sanierungen.

Vor allem aber dominiert in den Städten das Gas. Einst brachte es die Beleuchtung in die modernen Zentren. Heute steht die Infrastruktur noch immer – und ist für städtische Energieversorger rentabel, was den Willen zum Wandel bremsen kann. «Die Gasversorgung kann ein goldener Käfig sein», sagt Patrick Hofstetter vom WWF. «Viele Gemeinden haben dank der Gasversorgung willkommene Zusatzeinnahmen.»

21’300 fossil betriebene Heizungen müssten in Zürich ersetzt werden, wenn die Stadt ihr Netto-Null-Ziel bis 2040 erreichen will. Doch die Realität ist eine andere: «Zurzeit werden immer noch 70 bis 80 Prozent der fossilen Heizsysteme wieder durch fossile Lösungen ersetzt», hält die Stadt fest. So oder so geht es um eine langwierige Angelegenheit, wie der Blick nach Bern zeigt: Die Bundesstadt hat in den letzten zwölf Jahren durchaus Erfolge vorzuweisen: Die Ölheizungen nahmen klar ab, der Anteil der erneuerbaren Energien ist deutlich gestiegen. Häuser wurden besser gedämmt. Und die Gasbezüger können einen Mix wählen, bei dem umweltfreundliches Biogas dem Erdgas hinzugefügt wird. Insgesamt sind damit die CO2-Emissionen im Heizungsbereich um einen Drittel gesunken.

Kommen jetzt Zwang oder Verbote?

Trotzdem bleibt der Handlungsdruck hoch, gerade in Bern. Nach wie vor gibt es zu viele fossile Heizungen für die Klimaziele. Zu beobachten ist auch ein Wechsel weg von Öl- hin zu Gasheizungen. Letztere stossen zwar etwa einen Viertel weniger CO2 aus als Ölheizungen. Am Ende werden diese neuen Heizungen aber über Jahrzehnte betrieben. Und schweizweit ist der Anteil des umweltfreundlichen Biogas noch immer tief, auch wenn die Branche beteuert, diesen Anteil in den kommenden Jahren deutlich erhöhen zu wollen.

Die Hoffnung ruht in vielen Städten auf der Fernwärme. Über 500 Mio. Franken sollen alleine in Bern in deren Ausbau investiert werden. Einfach so rentieren diese Netze aber nicht. Die Stadt Bern hätte deshalb gerne eine Anschlusspflicht an dieses Netz, doch das ist aufgrund des kantonalen Rechts nur bei Neubauten möglich.

In Basel wirkt der Quasi-Zwang

So oder so wäre ein Fernwärmezwang ein umstrittenes Unterfangen, alleine schon, weil es Hausbesitzern vorschreibt, wie sie heizen müssen. Entsprechende Pläne stiessen vielerorts auf Widerstand. So heikel das Vorhaben allerdings ist, so wirksam könnte es sein: Dies zeigt der Vorreiter Basel-Stadt. Am Rheinknie ist quasi vorgeschrieben, dass beim Heizungsersatz auf eine erneuerbare Energie umzustellen ist, «soweit es technisch möglich ist und zu keinen Mehrkosten führt». Inzwischen kommen beim Heizungsersatz in mehr als 90 Prozent der Fälle erneuerbare Energien zum Zug, während es 2017 noch 50 Prozent waren.

Wegen ihrer CO2-Bilanz auf die Städte zu zeigen, dürfte so oder so fehl am Platz sein. Denn es passiert dort viel mehr als in vielen kleineren Gemeinden. Kaum eine Stadt, die nicht von sich aus zusätzliche Fördergelder – in Millionenhöhe – spricht. Kaum eine Stadt, die nicht ihre eigenen Klimaziele hat. Den grösseren Städten hilft, dass sie professionelle Verwaltungen haben. «Einige Städte haben heute Pläne, welche Quartiere künftig ohne fossile Energien beheizt werden können. Vor fünf Jahren hatte dies noch niemand», sagt WWF-Experte Hofstetter.