Banale Methode? Deutscher entwickelt eigenen Impfstoff – und hat nun Ärger

Das Ganze liest sich wie die Anleitung für einen selbstgemixten Cocktail. Zugegebenermassen etwas komplizierter. «Man nehme dreimal 15 Mikrogramm rekombinate RBD der S1-Untereinheit für eine Person», schreibt der Verfasser in seinem Blog. «Ordentlich durchschütteln und davon 200 Mikroliter mit der Tuberkulinspritze aufziehen», liest man weiter. «Davon 500 Mikroliter pro Schuss, mit denen man seine Portion Antigen vermischt. Alles hübsch steril!»

Die Zeilen stammen von Winfried Stöcker, 74, Professor, Laborarzt und Inhaber eines «immunologischen Labors» in Lübeck. Es ist die Anleitung für den besten Coronaimpfstoff überhaupt. Leicht herzustellen, im Kühlschrank zu lagern, ohne Nebenwirkungen, im Nu herstellbar. Dieses hohe Lob jedenfalls stammt von Winfried Stöcker selbst, dem Erfinder des Wundermittels.

In wenigen Monaten könne dank seines Impfstoffes ganz Deutschland «nahezu frei von Covid-19» sein, schreibt der Tüftler. Der Mann ist, wie sein hochdekorierter Name erahnen lässt, nicht irgendein verschrobener Hobby-Laborant. Stöcker forscht seit Jahrzehnten in der Welt der Viren, gründete 1987 das Unternehmen Euroimmun, welches auf der ganzen Welt seine Standorte hat, auch an der Hirschmattstrasse in Luzern. 2017 verkaufte der Milliardär das Unternehmen an einen US-Konzern für 1,2 Milliarden Euro.

95-prozentiger Schutz?

Stöcker hat den Impfstoff bereits im Frühjahr 2020 in seinem eigenen Labor entwickelt. Der Laborarzt hat bei der Entwicklung auf Bewährtes gesetzt. Stöcker entwickelte einen Totimpfstoff, durch den der Körper auf einfache Art dazu angeregt werde, Antikörper gegen das Virus zu produzieren. Der 74-Jährige hat sich den Impfstoff im März und April selbst verabreicht, per Spritze in seinen Oberschenkel, insgesamt vier Mal. Kurze Zeit später verimpfte er das Präparat auch seiner Frau und seinen Kindern. Ergebnisse seines Experiments: Etwa 95-prozentiger Schutz gegen das Virus.

Stöcker wandte sich mit seinen Erkenntnissen an den Virologen der Berliner Charité, Christian Drosten, und den Bonner Virologen Hendrik Streeck. Beide bescheinigten der Methode hohe Wirksamkeit, wie der «Spiegel» berichtet. Der Laborarzt wollte die Schutzwirkung an einem grösseren Kreis von Freiwilligen erproben – und meldete sich im September beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das für die Zulassung von Impfstoffen zuständig ist. Doch der Milliardär aus dem hohen Norden wurde vom Institut nicht etwa eingeladen, um seine Ergebnisse zu präsentieren. Das Institut meldete Stöckers Versuche der zuständigen Landesbehörde. Diese wiederum erstattete Strafanzeige gegen den Arzt beim Landeskriminalamt wegen des Verdachts, Stöcker experimentiere ohne Genehmigungen der Behörden an Freiwilligen herum. Es sei «Eile» geboten, vermerkte die Behörde, die sich um die Gesundheit der Probanden sorgte.

Inzwischen hat der Mediziner mit dem schlohweissen Haar und den buschigen Augenbrauen seinen Impfstoff weiteren hundert Freiwilligen verabreicht, wie er verriet. Keiner sei krank geworden, Nebenwirkungen: Fehlanzeige. «Wenn die Ergebnisse bei denen auch so gut sind», sagt der Labordiagnostiker, «dann haue ich mal richtig auf den Putz.» Die Not rechtfertige unkonventionelle Mittel, erklärt er sein Handeln an behördlichen Bewilligungen vorbei. Der Zulassungsbehörde unterstellt Stöcker «völliges Versagen». Wäre sein Vorschlag sofort aufgegriffen worden, «hunderttausend Menschen wären nicht krank geworden, zehntausend nicht gestorben».

«Dann kann jeder einen Impfstoff herstellen»

Stöcker ist bekannt für markige Worte. Bisweilen überschreitet er Grenzen des guten Geschmacks, mindestens der politischen Korrektheit, wenn er über Flüchtlinge oder die #metoo-Bewegung lästert. Die Lübecker Bürgerschaft ist inzwischen auf Distanz zu Stöcker gegangen. Auch nun steuert Stöcker auf Konfrontationskurs. Die Behörden und die Forscher wollten ihn ausbremsen, seine einfach Methode kleinreden, weil Milliarden für Forschung und erwartete Gewinne der Pharmafirmen durch seinen banalen Impfstoffes wegzufallen drohten.

«Wenn sich herausstellt, dass mein Verfahren funktioniert, dann sind die Patente der anderen hinfällig. Weil dann jeder einen Impfstoff herstellen könnte», ist er überzeugt. Seine Rezeptur für das Antigen will er kostenlos im Internet veröffentlichen. Damit sofort mit der Produktion seines Impfstoffes begonnen werden könne. «Ich habe in der Sache keine Gewinnabsichten», schreibt der Impfstoff-Tüftler in seinem Blog. Weder er noch Virologen der Berliner Charité waren für eine Stellungnahme zu erreichen.

Eine Ahnung, wie sich das Rezept dereinst lesen könnte, bekommt man auf den Blog von Winfried Stöcker. Für den Heimgebrauch ist das Ganze vermutlich dann doch nicht zu empfehlen.