Beraterauftrag erhält der Arbeitskollege eines Aarburger Gemeinderates

Kommentar

Die positive Vetterliwirtschaft

Derzeit passen viele Gemeinden wegen des neuen Lehrplanes ihre IT-Konzepte für die Schule an und beschaffen Tablets und Laptops. Bei IT-Beschaffungen läuten bei kritischen Bürgerinnen und Bürgern schnell und zu Recht die Alarmglocken. Oft sind diese Vergaben für Laien intransparent, und oft drohen wegen Abhängigkeiten von einem Anbieter schnell hohe Folgekosten.

Diese Probleme stellen ein Milizgremium wie einen Gemeinderat vor hohe Anforderungen. Wo holt man die richtige Expertise? Wie kommt man zu einem günstigen und guten Angebot? Im Fall von Aarburg hat das Milizgremium aber auch seine Vorteile, denn Gemeinderat Rolf Walser ist hauptberuflich Schulleiter in Erlinsbach und hat dort die IT-Umstellung schon hinter sich.

Er brachte also im Gemeinderat das Wissen mit, worauf bei der Umstellung zu achten ist. Und da der Erlinsbacher Schulinformatiker eine Firma gegründet hatte, machte es sich der Aarburger Gemeinderat einfach und beauftragte diesen mit der Erarbeitung eines IT-Konzeptes.

Letztlich ist dies eine Art von Vetternwirtschaft. Denn ohne Rolf Walser wäre sein Schulinformatiker kaum an diesen Auftrag gekommen. Doch im Fall von Aarburg kann man die Vetternwirtschaft wohl positiv werten. Erstens weil es Sinn macht, auf eine erprobte und günstige Lösung zu setzen. Und zweitens, weil Walsers Informatiker mit dem Aarburger Auftrag nicht reich wird. Für bisherige Beratungen und die nächsten fünf Jahre erhält er rund 28 000 Franken. Joel Widmer

Jeder Oberstufenschüler erhält bald ein eigenes iPad, die Primarschüler eines pro drei Schüler und in den Kindergärten werden einige wenige iPads verteilt. Die Gemeinde Aarburg erneuert ihre Schulinformatik und beantragt der Gemeindeversammlung darum einen Kredit von 630 000 Franken, unter anderem für die Beschaffung von rund 450 Tablets.

Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens ist die bisherige IT-Lösung in Aarburg fast zehn Jahre alt und zweitens gibt der neue Lehrplan 21, der im Aargau kommenden Sommer eingeführt wird, neue Vorgaben für die Integration von IT-Geräten und Anwendung im Unterricht.

Der Aarburger Informatik-Kredit ist aber nicht nur eine logische Folge des neuen Lehrplanes, sondern auch ein kleines Lehrstück über das Miliz-Gremium Gemeinderat, das sich immer wieder in neue Themen einarbeiten muss und dabei auch von beruflichen Erfahrungen von Mitgliedern profitiert. Es ist aber auch ein Lehrstück, wie heikel dabei die Grenze zur Vetternwirtschaft ist. Denn der Berater, der mit seiner Firma für Aarburg die aktuelle Lösung erarbeitete, ist Schulinformatiker an der Schule Erzbachtal und damit dem dortigen Schulleiter Rolf Walser unterstellt, der für die SP im Gemeinderat Aarburg sitzt.

Aarburger Delegation besuchte Schule von Gemeinderat Walser

Die Erneuerung der Schulinformatik beschäftigt den Gemeinderat seit mehr als zwei Jahren. Schon vor den letzten Wahlen 2017 besuchte eine Delegation von Schule und Gemeinde unter der Führung von Gemeinderat Fredy Nater die Schule Erzbachtal und liess sich deren IT-System erklären. Der Input für den Ausflug kam damals von Rolf Walser, der natürlich stolz ist, an seiner Schule eine gute und kostengünstige IT-Lösung zu haben. Die Reise hatte aber noch keinen direkten Einfluss auf die Aarburger IT-Beschaffung und Walsers Empfehlung war insofern unproblematisch, als damals sein Schulinformatiker Patrik Huggel auch noch keine eigene Firma hatte.

Heute ist das anders. Seit Frühjahr 2018 bietet Huggel mit seiner Firma ICTeach Beratungen zu IT-Lösungen für Schulen an. Und einen seiner ersten Aufträge erhielt er im November 2018 aus Aarburg. Doch der Gemeinderat hat nicht einfach bei Huggel eine neue Schul-Informatik bestellt, sondern ihn zuerst lediglich mit der Prüfung des bisherigen Planungsprozesses beauftragt.

Der Gemeinderat hatte zuvor dem bisherigen IT-Anbieter angeboten, eine Offerte einzureichen. Als er mit dieser nicht zufrieden war, erarbeitete die Gemeinde im Sommer 2018 zusammen mit der Firma Publis eine Ausschreibung. Doch die Kosten erschienen dem Gemeinderat auch danach noch zu hoch, worauf man den Blick noch mal nach Erlinsbach zu Walsers Schule wandte und damit eben zu Huggels junger Firma.

Vom Bericht, den Huggel im April 2019 dem Gemeinderat präsentierte, war das Gremium dann so überzeugt, dass man den IT-Unternehmer gleich mit der Ausarbeitung der neuen IT-Lösung beauftragte. Dazu wurde eine strategische Steuergruppe geschaffen, in welcher Gemeinderat, Schulpflege und Schulleitung vertreten sind.

Damit stellt sich nun vor der Gemeindeversammlung vom kommenden Freitag aber die Frage: Hat Gemeinderat Rolf Walser seinem Mitarbeiter einen lukrativen Auftrag zugeschanzt oder hat eher die Gemeinde Aarburg von der beruflichen Erfahrung seines SP-Gemeinderats profitiert?

Für Gemeindeammann Hans-Ulrich Schär ist die Sache klar: «Es wäre komisch, wenn Rolf Walser dem Gemeinderat sein Fachwissen nicht zur Verfügung stellen würde.» Aarburg komme damit zu einer erprobten ICT-Schullandschaft. Diese sei wesentlich kostengünstiger als die bisherige Lösung und es könnten auch Stellenprozente eingespart werden. «Der Input kam von Rolf Walser, was in meinen Augen auch legitim ist.» Die Schule Erzbachtal sei aber Vorzeigeschule in Sachen ICT. Die Ausrüstung sei Lehrplan-21-konform, die ICT laufe sehr stabil und sei im Vergleich mit anderen Schulen kostengünstig. Zudem würden sich die Kosten für externen Support gemäss der Rechnung des Schulverbandes auf 0 Franken belaufen.

Auch Walser selbst ist sich der heiklen Situation sehr wohl bewusst «Problematisch fände ich es, wenn Huggel mit seiner privaten Firma nun die ganze Aarburger Beschaffung durchführen würde», sagt er. Doch Huggel habe einen beschränkten Beratungsauftrag. Zu seiner Rolle erklärt Walser: «Wenn man Know-how hat, gibt man das im Gemeinderat gerne weiter.» Und als eben die Frage aufgekommen sei, wie das andere Schulen mit der IT machen würden, habe er angeboten, die Lösung an seiner Schule mal anzuschauen.

Auch weitere Aarburger Gemeinderäte, die nicht direkt ins Geschäft involviert waren, bestätigten dem ZT, dass die Vergabe des Auftrages an ICTeach sauber aufgelaufen sei. Sie zeigten sich zudem froh darüber, dass der Gemeinderat hier von Walsers Erfahrung habe profitieren können.

Kommunikation zu Berater illustriert Gratwanderung

Berater Huggel legt auf Anfrage offen, dass Aarburg eine von drei Gemeinden sei, die er mit seiner Firma berate. Sein Konzept sei günstiger als andere, «weil das lokale ICT-Team in der Lage sein wird, den grössten Teil des Supports selbstständig zu leisten und allgemein weniger externer Support anfällt.» Dank einem einfachen Geräteverwaltungssystem könne zum Beispiel auch ein Nicht-Informatiker neue Geräte in Betrieb nehmen. Bei der Hardware empfehle er Apple-Produkte, weil die Geräte intuitiv und einfach zu handhaben seien aufgrund des klaren Vorsprungs bei Bildungs-Apps. «Welche Software-Lösung gewählt wird, ist noch offen», so Huggel. Im Vordergrund stünden Office365 von Microsoft, Apple-Lösungen und ein Datenverwaltungssystem, das die Schule Aarburg schon aufgebaut habe. Wichtig sei hier, die lokalen Bedürfnisse der Schule Aarburg zu berücksichtigen.

Bei aller Freude in Aarburg über die neue, günstigere IT-Lösung: Auch die Kommunikation des Gemeinderates illustriert die Gratwanderung bei solchen Vergaben, die aufgrund persönlicher Beziehung zustande kommen. So hat der Gemeinderat im Antrag zwar aufgeführt, wer den Beratungsauftrag ausführt. Er verzichtete aber aktiv offenzulegen, dass es der Schulinformatiker jener Schule ist, bei der SP-Gemeinderat Rolf Walser Schulleiter ist. Dennoch war die Rolle Walsers in den Sozialen Medien schnell einmal Thema unter einigen Aarburgerinnen und Aarburgern.

Doch in der Folge versuchte die Gemeinde nichts zu verstecken. Im Gegenteil: Auf Anfrage des ZT gab Gemeindeammann Hans-Ulrich Schär breitwillig Auskunft, und legte auch offen, wie viel die Firma von Walsers Schulinformatiker am Aarburger Auftrag verdient und noch verdienen werde. So erhalte Huggel für die bisherigen Beratungen 8000 Franken. Und für die Projektbegleitung sei im 630 000-Franken-Kredit ein Kostendach von 20 000 Franken vorgesehen.