
Berufsmeisterin: «Es ist schön, Teil dieser ‹Familie› zu sein»
«Manche Leute denken, wir Betreuer sitzen nur mit den Bewohnern beim Kaffee – aber unser Beruf ist sehr anspruchsvoll», sagt Cathrine Spindler. Die 19-Jährige arbeitet als Fachfrau Betreuung in der Stiftung azb, wo sie Menschen mit körperlicher und/oder kognitiver Beeinträchtigung im Alltag unterstützt. Seit Kurzem darf sich Spindler als beste Betreuerin im Aargau bezeichnen: Sie hat bei den regionalen Berufsmeisterschaften in Brugg den ersten Platz belegt. Der Wettbewerb mit dem Titel «Fa-Best» – abgeleitet von der Berufsbezeichnung FaBe für Fachfrau/-mann Betreuung – fand im November gleichzeitig in Brugg, Bern, Horw, St. Gallen und Zürich statt. Organisiert haben ihn die fünf regionalen Organisationen der Arbeitswelt Soziales und Gesundheit.
Hilfe im Alltag bieten
Sie habe aus Neugier am Wettbewerb teilgenommen, erzählt die Zofingerin. Mit der guten Platzierung hat sie nicht gerechnet. Da die Bewertung der Experten erst später folgt, kann sie nur vermuten, weshalb sie gewonnen hat: «Vielleicht, weil ich locker an den Wettbewerb herangegangen bin.» Die Teilnehmer mussten verschiedene Aufgaben lösen, darunter die Arbeit von Berufskollegen in einem Film beurteilen oder in von Schauspielern gestellten Situationen zeigen, wie sie Konfliktsituationen lösen. Sie habe ausgeblendet, dass die Szenen beim Wettbewerb nur gespielt waren, sagt Spindler. «Ich mache den Beruf einfach so gern.»
Cathrine Spindler schloss im August ihre dreijährige Ausbildung als Fachfrau Betreuung in der Stiftung azb in Strengelbach ab. Seitdem arbeitet sie in der Aussenwohngruppe im Haus Ramoos in Vordemwald. Sie betreut dort eine Gruppe von zehn Personen zwischen 44 und 65 Jahren. Cathrine Spindler unterstützt sie bei alltäglichen Aufgaben. Sie hilft bei der Körperpflege, beim Kochen des Abendessens oder unternimmt mit den Bewohnern Spieleabende. Nachtdienst gehört ebenfalls zu ihren Aufgaben. Ein Bewohner erfordert derzeit besondere Wachsamkeit, da er unter Demenz leidet und Mühe hat mit der Orientierung. Seine Mitbewohner sind ebenfalls für ihn da, erzählt Spindler. «Sie geben auf dem Weg zum Mittagessen auf ihn Acht oder leisten ihm Gesellschaft, wenn er Unterstützung benötigt.» Der Gruppenzusammenhalt im Ramoos sei gross. Jeder gebe auf jeden Acht und man helfe sich gegenseitig. «Manche der Bewohner leben schon seit 30 Jahren zusammen und haben unglaubliche soziale Kompetenzen.» Es sei schön, Teil dieser «Familie» zu sein.
Handschlag statt Umarmung
Der Beruf bietet für Cathrine Spindler aber auch Herausforderungen. Eine davon ist der Umgang mit Nähe und Distanz: Wie reagieren, wenn sie ein Bewohner umarmen möchte? «Als ich mit 15 Jahren die Lehre begonnen habe, war das ein schwieriges Thema für mich», sagt Spindler. Sie wolle den Menschen zwar Halt geben, aber auch eine professionelle Distanz zu ihnen wahren. Darum hat sie mit den Bewohnern vereinbart, dass man sich anstatt einer Umarmung die Hand gibt oder einander auf die Schulter klopft. Nun, da sie die Bewohner kenne, sei der Umgang mit diesem Thema aber sehr viel einfacher geworden.
Anspruchsvoll sei in diesem Beruf auch der Umgang mit Macht. «Diese haben wir als Betreuer zwangsläufig. Wir dürfen sie nicht missbrauchen.» Dies passiere leicht: Indem man die Bewohner etwa auffordere, zu einer bestimmten Zeit ins Bett zu gehen. Oder wenn man ihnen beim Essen rät, eine verschmähte Speise doch zu probieren. Cathrine Spindler reflektiert daher oft ihr Verhalten und versucht, solche Situationen zu vermeiden: «Wir haben es schliesslich mit erwachsenen Menschen zu tun.»
Irgendwann möchte Cathrine Spindler eine Ausbildung zur Sozialpädagogin machen. Bis es so weit ist, will sie aber noch einige Jahre als Betreuerin arbeiten. Die Atmosphäre in der Stiftung azb gefalle ihr sehr. «Es herrscht hier viel Wärme.»