
Billig, billiger am billigsten: Anbieter wie Wish und Alibaba locken mit Schnäppchen – doch der Boom nimmt ab
Die Pandemie hat dem Onlinehandel einen starken Aufschwung beschert. Doch während Schweizer Händler wie Digitec Galaxus oder Brack.ch ihren Umsatz stark steigern konnten, nahm der Import von Sendungen aus Asien zum ersten Mal seit Jahren wieder ab: Verarbeitete die Post im Jahr 2019 noch 23,8 Millionen Kleinwarensendungen – vergleichbar mit dickeren Briefen – waren es im vergangenen Jahr noch 21,8 Millionen.
Der Rückgang mehrere Gründe: Sendungen aus Asien trafen etwa wegen fehlender Transportmöglichkeiten im April und im Mai stark verzögert in der Schweiz ein, wie eine Post-Sprecherin sagt. «Das hohe Volumen im Sommer konnte den Einbruch aber abfedern.» So verarbeite die Post mit knapp 60’000 Sendungen pro Tag nach wie vor eine hohe Anzahl von Importsendungen aus Asien. Um künftig noch effizienter mit dieser Menge umgehen zu können, nimmt die Post voraussichtlich ab Sommer 2021 eine neue Anlage in Betrieb.
Ein weiterer Grund für die Abnahme der Importe aus Asien sind die gestiegenen Tarife. Aufgrund einer Regelung des Weltpostvereins UPU galt China lange als postalisches Entwicklungsland und profitierte von niedrigen Posttarifen. Ende 2019 gab der Weltpostverein aber den Weg frei, damit Empfängerländer die Tarife für die Bearbeitung der Päckli erhöhen dürfen und somit dem Päckli-Wahn aus China die Stirn bieten können.
Laut der Eidgenössischen Zollverwaltung sind Warensendungen bis zu einem Betrag von 65 Franken abgabefrei. Über die Mehrwertsteuer hinaus müssen aber sämtliche Sendungen zur Verzollung angemeldet werden. Die Versandkosten bestimmt das Absenderland. Aus China war der Versand eine Zeitlang sogar gratis. Dies, weil die chinesische Regierung den Versand subventioniert hat, um den Export zu fördern, wie Patrick Kessler vom Schweizerischen Handelsverband sagt. «Dazu ist die chinesische Regierung anscheinend nicht mehr gewillt», sagt Kessler. «Mit den gestiegenen Tarifen werden chinesische Händler jetzt immer mehr zu normalen Anbietern, die normale Produkte zu normalen Preisen bieten.»
Bei solchen Angeboten schrillen die Alarmglocken
Ganz so normal sind diese Preise aber noch nicht. Auf der Plattform Wish findet man beispielsweise ein nigelnagelneues Tablet oder einen flauschigen Wintermantel – alles für nur einen einzigen Franken. Einblendungen wie «minus 99 Prozent», «20’000+ haben das gekauft» oder «fast weg!» sollen zum schnellen Kauf verführen.
Mit etwas gesundem Menschenverstand schrillen bei solchen «Schnäppchen» sofort die Alarmglocken. Da muss es doch einen Haken geben. Oftmals beklagen sich Kunden über mangelnde Qualität, lange Versanddauer oder über einen schlechten – oder nicht existenten – Kundendienst. Zudem liegt auf der Hand, dass solch günstige Produkte wohl kaum unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt werden.
Wish birgt Gefahren für Händler und Käufer
Während alle anderen Unternehmen versuchen, sich nachhaltiger und hochwertiger zu positionieren, macht Wish also genau das Gegenteil – und hat damit trotzdem Erfolg. Nach Firmenangaben nutzen monatlich 100 Millionen Menschen die App, mehr als zwei Millionen Produkte werden pro Tag verkauft.
Seit Dezember 2019 gibt es über Wish wegen seiner kuriosen Produkte, die oftmals von den Abbildungen abweichen, sogar ein eigenes Meme: Ein Reddit-User postete ein Bild einer Person, die Eminem ähnlich sieht, aber nicht Eminem ist, sondern eher wie eine schlechte Kopie wirkte. Als Überschrift des Beitrages schrieb er «When you order Eminem off Wish», also «wenn man Eminem auf Wish bestellt». Seither ist «Bei Wish bestellt» ein Sinnbild für schlechte Qualität. Wäre die Plattform ein normales Unternehmen, wären diese Memes wohl ihr Untergang, aber sie ist eben nicht normal.
Für die Konsumenten bergen die Billig-Produkte zudem gewisse Gefahren. So etwa in Punkto Sicherheit: «Die Händler nehmen null Rücksicht auf Schweizer Regeln. Beispielsweise sind viele Elektronikprodukte nicht auf unseren Markt abgestimmt», sagt Kessler. Wer im Internet sucht, stösst schnell auf explodierende Akkus, brennende Batterien oder unschöne Hautausschläge wegen Kosmetika. Auch für Schweizer Händler stellen Wish oder Alibaba eine Bedrohung dar: Sie werden stark unter Druck gesetzt. «Sie können auf keinen Fall dieselben Dumping-Preise bieten», sagt Kessler. «Das verzerrt den Wettbewerb gewaltig.»
Junge nehmen schlechte Qualität eher in Kauf
Trotzdem: «Wish oder Alibaba sind nicht per se schlecht», sagt Kessler. «Sicher wurde bei der Deklaration schon beim Produktwert gemogelt und sicher haben die Anbieter alle möglichen noch legalen Schlupflöcher ausgenutzt.» Aber ganz so dubios wie sie teilweise dargestellt werden, seien die China-Shops doch nicht. «Letztlich sind auch qualitativ gute Produkte zu finden», sagt Kessler.
Ausserdem gibt es auf Wish vieles, das man sonst nirgends findet. Einige Produkte sind sogar richtig nützlich, wie etwa ein praktischer Sparschäler oder ergonomische Katzennäpfe. Andere Produkte sind aber einfach nur sonderbar. So kann man auf Wish Speck-Socken, Fisch-Schlappen oder Ohren-Ohrringe erwerben.
Das steckt hinter Wish
Der Sitz des Billig-Anbieters Wish liegt entgegen der häufigen Erwartung nicht in China sondern in San Francisco. Wish bietet Waren nämlich nicht selbst an, sondern stellt Händlern eine Plattform bereit. Die Verbindung zu China kommt daher, weil ein Grossteil dieser Händler eben aus Fernost stammt. Typisch für die verkaufte Ware ist, dass kein Hersteller oder Markenname angegeben ist. Ähnlich verhält es sich bei der Plattform Aliexpress, mit dem Unterschied, dass Aliexpress tatsächlich in China sitzt. Die Plattform ist Teil der Alibaba Group.