
Bitte 4 Jahre Mund halten
Chefredaktor Philippe Pfister weiss, warum es immer schwieriger wird, Kandidaten für den Gemeinderat zu finden
Diese Woche verbrachte ich den Dienstagabend in Rothrist. Ein lauer Augusttag, perfekt zum Grillieren. Kein guter Zeitpunkt, um über Gemeindepolitik zu diskutieren – könnte man denken. Die Gemeinde hatte für diesen Abend zu einem Podium geladen. Während andere Gemeinden Schwierigkeiten haben, ihre Sitze in den Gemeinderäten zu besetzen, stehen in Rothrist gleich neun Kandidatinnen und Kandidaten für das fünfköpfige Gremium in den Startlöchern. Am Dienstagabend nun stellten sich alle der Bevölkerung vor. Mit 50, vielleicht 100 Besucherinnen und Besuchern hatte die Gemeinde im Vorfeld gerechnet. Am Schluss sassen gegen 200 Leute im Gemeindesaal.
Gibt es ein besseres Zeichen für die Vitalität unserer Demokratie?
Wir sind stolz darauf, dass die Macht im Land nicht in den Händen einer kleinen Kaste liegt, sondern – beim Volk. Dass die Macht flach verteilt ist, haben wir im Wesentlichen den Abertausenden von Frauen und Männern zu verdanken, die auf Gemeindeebene Verantwortung übernehmen. Das pragmatische Management der Kommunen ist das Rückgrat der Eidgenossenschaft.
Wer mit Gemeinderäten spricht, weiss, warum es immer schwieriger wird, Leute für diese Aufgabe zu finden. Von ihnen wird das Unmögliche erwartet – am liebsten sofort. Läuft bei manchen Leuten vor der Haustüre nicht alles perfekt, pflaumen sie bei der nächstbesten Gelegenheit giftig eine Gemeinderätin oder einen Gemeinderat an. Auch nach dem Podium in Rothrist erreichten mich einige Rückmeldungen, die einem zu denken geben. Äussern sich die Kandidatinnen und Kandidaten zu einem Thema konkret, heisst es, sie müssten zu allem ihren Senf dazugeben. Bleiben Sie im Allgemeinen, kommt aus der gleichen Ecke der Vorwurf, ihnen falle nichts Konkretes ein.
Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sind keine redegewandten Bühnenstars, die sieben Tage in der Woche Gemeindeakten wälzen. Sie machen Jobs, in die sie allmählich hineinwachsen. Sie machen Fehler. Wenn ich allen, die am 24. September gewählt werden, etwas wünschen darf, dann dies: Dass alle, denen sie nie etwas recht machen können, für 4 Jahre den Mund halten.