Blocher geimpft: «Es tat gar nicht weh – ohne Impfungen wäre ich längst tot»

Christoph Blocher ist im vergangenen Oktober 80 Jahre alt geworden. Er gehört also nur schon vom Alter her zur Corona-Risikogruppe. Im Interview spricht die graue Eminenz der SVP über das Impfen, beurteilt die Arbeit seiner Nachfolger im Bundesrat und verrät, wie er mit Maskensverweigerern im eigenen Betrieb umgeht.

Das Gespräch wurde am Donnerstag per Telefon geführt. Blocher wirkte gut gelaunt und angriffig, gerade so, wie er sich vergangenen Freitag an der traditionellen SVP-Tagung im Albisgüetli gezeigt hatte. Diese hat zum ersten Mal praktisch ohne Publikum, dafür mit Liveübertragung im Internet stattgefunden.

Herr Blocher, sind sie nun gegen Corona geimpft?

Ja, am Dienstag um 8:30 Uhr war mein Termin am Unispital Zürich. Ich muss aber vorausschicken: Ich bekam keine Vorzugsimpfung. Am 15. Dezember hat mich der Hausarzt angerufen. Er sagte, ich stehe wegen meinem Alter und wegen meinen Vorerkrankungen bei ihm ganz oben auf der Liste. Er wollte mich so früh wie möglich impfen, aber das klappte nicht, weil schlussendlich der Impfstoff fehlte. Letzte Woche bekam ich dann ein Aufgebot vom Unispital, wo ich ebenfalls schon Patient war.

Sind sie zufrieden mit der Impfung?

Absolut. Zumindest bei mir und meiner Frau lief alles reibungslos. Ich bin zusammen mit meiner Frau Silvia, die ebenfalls über 75 Jahre ist, hingefahren, wir mussten fünf Minuten warten, dann waren wir dran. Es gab einen kleinen Piks. Und nach 20 Minuten waren wir wieder draussen.

Hat es weh getan?

Nein. Einzig in der Nacht bin ich einmal auf der Seite gelegen. Dann schmerzte es etwas, als hätte ich eine Bläuele. Ich muss ihnen sagen: Ich habe ein unverkrampftes Verhältnis zu Impfungen. Ohne Impfungen wäre ich schon lange tot. Als Kind wurde ich auf Typhus, Pocken, Kinderlähmung, Tuberkulose und Starrkrampf geimpft. Vor 10 Jahren hatte ich eine starke Grippe, fast drei Wochen lang. Seither lasse ich mich jedes Jahr auf die Grippe impfen und bin nie mehr krank geworden.

 

Sie waren sehr früh mit Impfen dran. Hatte das wirklich nichts mit Ihrem Prominentenstatus als alt Bundesrat zu tun?

Im Gegenteil. Ich wurde angefragt, ob ich mich im Rahmen einer Kampagne früh und in aller Öffentlichkeit impfen lasse. Ich habe abgelehnt. Es gibt ja zu wenig Impfstoff und als Industrieller weiss ich eins: Ich mach sicher keine Werbung für ein Produkt, das ich gar nicht liefern kann. Zudem wäre es höchst unsozial. Wenn die Behörden jetzt etwas gut machen, dann die Priorisierung beim Impfen. Zuerst sollen die drankommen, die vom Virus akut mit dem Tod bedroht sind: Alte, Kranke und vor allem die Bewohner der Altersheime. Ich nehme doch nicht jemandem den Impfstoff weg, der es nötiger hat.

Sie kamen früh dran wegen ihres Alters und wegen Vorerkrankungen. Was haben Sie denn für Vorerkrankungen?

Ich habe es mit der Lunge und mit dem Herzen. Ich möchte nicht ins Detail gehen. Es ist auf jeden Falls nichts, dass nicht jeder Hausarzt schon gesehen hätte. Im Alter bekommt man halt gewisse Gebrechen.

Christoph Blocher ist der Haudegen der SVP. Die SVP-Basis ist eher impfskeptisch, er ist impfeuphorisch. Hier eine Archivaufnahme vom 6. Dezember 2017 aus in Bern.

Christoph Blocher ist der Haudegen der SVP. Die SVP-Basis ist eher impfskeptisch, er ist impfeuphorisch. Hier eine Archivaufnahme vom 6. Dezember 2017 aus in Bern.

© Peter Schneider / KEYSTONE

Einige Bundesräte liessen sich schon impfen.

Das finde ich sehr problematisch. Keiner ist über 75 Jahre alt. Aber ich kann ihnen genau sagen wie das ablief. Ich war ja mal Bundesrat. In Bern gibt es einen Haufen Leute, die meinen, sie müssten den Bundesrat reinwaschen. Dabei braucht es das gar nicht. Wer führt, bekommt nicht nur Lob. Diese Berater haben dann in der Zeitung gelesen, dass es viele Impfgegner gibt, und wollten mit dem Bundesrat ein Zeichen setzen. Leider hat dann niemand gesagt, dass es ja gar nicht genug Impfstoff gibt für die Leute, die sich impfen lassen wollen.

Aber die Bundesräte haben sich ja eben nicht gezeigt beim Impfen.

Weil sie ein schlechtes Gewissen bekamen. Das ist doch klar. Sie nehmen jemandem, der es dringender braucht, den Impfstoff weg.

Vielleicht steckte die Überlegung dahinter, dass das Land in der Krise eine gesunde Regierung braucht.

Das ist doch Unsinn. Einen Bundesrat können sie schneller ersetzen als einen Rohrschlosser. Die Warteliste ist jedenfalls lang. Beim Impfen darf es nur ein Kriterium geben: das Überleben der Gefährdeten. Egal ob Hilfsarbeiter oder Bundesrat. Der, den die Impfung am ehesten vor dem Tod schützt, soll sie bekommen. Und ganz wichtig ist, dass man das Pflegepersonal impft, damit die das Virus nicht an die Alten weitergeben. Wer sich nicht impfen lässt, soll nicht mehr Alte und Kranke betreuen dürfen.

Läuft das nicht auf einen Impfzwang hinaus, wenn sich das Pflegepersonal obligatorisch impfen lassen muss?

Ich bin gegen den Impfzwang und ein grosser Verfechter der Freiheit. Aber wenn man so einen Beruf hat, muss das Impfen Bedingung sein. Es ist wie beim Lehrer, der muss ja auch lesen und schreiben können. Und der Bauarbeiter muss auch einen Helm anziehen. Wenn meine Mitarbeiter keine Maske tragen wollen, dann können sie auch nicht mehr bei mir arbeiten. Dann sollen sie halt Schnee schnaufeln, dort braucht es keine Masken.

Sie setzen also die Massnahmen bei ihnen im Haus streng durch?

Es ist einfach so. Man muss sich an die Massnahmen halten, auch wenn man sie selber nicht gut findet. Ich bin zwar nicht mit allen Regeln einverstanden, die der Bundesrat erliess, aber ich halte mich daran.

Also haben Sie keine Sympathie für Beizer, die trotz Verbot das Restaurant aufmachten?

Ich finde es nicht gut, es ist aber auch keine Katastrophe. Ich verstehe diese Beizerin aus dem Berner Oberland schon. Die Restaurants hatten gute Schutzkonzepte. Man hätte sie nicht schliessen sollen. Aber sie hat ja auch wieder geschlossen, als die Polizei kam. Ich staune, wie loyal die Bevölkerung ist. Überall, wo ich hingehe, halten sich die Menschen an die Vorschriften.

Hätte die Schweiz mehr Impfdosen von verschiedenen Herstellern einkaufen sollen?

Ich möchte den Bundesrat in diesem Punkt nicht kritisieren. Wir sind in einer schwierigen Situation. Ich war Bundesrat als Sars ausbrach. Also haben wir der Roche gesagt, sie sollen eine Anlage bauen und wir haben dann Vorrang. Aber dieses Mal musste man den Impfstoff ja zuerst entwickeln. Vielleicht hätte man mehr Impfstoff kaufen sollen, aber so sicher bin ich mir da nicht. Dann hätte man am Schluss vielleicht zu viel vom falschen Impfstoff geholt.

Dann könnte man den Impfstoff ja verkaufen oder verschenken.

Ja, oder wegwerfen. Ich komme aus der Chemie und weiss, dass es sehr schwierig ist von der Entwicklung auf die Produktion umzustellen. Es gibt ein grosses Risiko, dass es nicht funktioniert. Auch wenn wir mehr bestellt hätten, wäre nicht sicher, dass wir nun den Impfstoff auch schneller bekommen hätten. Aber jetzt kommt er ja, also schnell die Richtigen impfen!

SVP-Basis ist impfskeptisch

Christoph Blocher zeigt sich als grosser Freund von Impfungen. Seine Fans sehen das ganz anders. In keiner Parteibasis ist die Impfskepsis grösser als in der SVP. Nur 21 Prozent wollen sich sofort gegen Corona impfen lassen, wie eine Umfrage des Instituts Sotomo ergab. 50 Prozent der befragten SVP-Anhänger wollen sich gar nicht impfen lassen. 29 Prozent sind unschlüssig oder wollen noch warten.