Blumenstrauss statt Bussen: Teilnehmer bedanken sich nach Demo bei der Polizei – Politiker fordern umfassende Erklärung

Obwohl sich die Demonstration in Liestal «Stiller Protest» nannte, mag im Baselbiet nach dem vergangenen Samstag überhaupt niemand schweigen. Dass um die 6’000 Personen ohne Maske gegen die Coronamassnahmen protestierten, sorgt vor allem in den sozialen Medien für hitzige Diskussionen.

Über 500 Kommentare sammeln sich alleine unter dem Facebook-Post der Polizei Basel-Landschaft. Dabei scheint es – ähnlich den Anzügen der Demonstranten – nur Schwarz und Weiss zu geben: Die einen freuten sich ausgelassen über den grösstenteils friedlich verlaufenen Protest, die anderen kritisieren das fehlende Eingreifen scharf. Auch von Seiten der Politik regte sich Kritik. SP-Landrat Jan Kirchmayr etwa reichte für die Landratssitzung am Donnerstag drei Fragen ein. Er will unter anderem wissen, welche Konsequenzen den Veranstaltern drohen und ob die Verbreitung von antisemitischen und faschistischen Parolen registriert und sanktioniert wird.

«Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich die grosse Mehrheit der Bevölkerung solidarisch an die Massnahmen hält und gleichzeitig mehrere Tausende egoistisch und selbstsüchtig die Auflagen ignorieren», schreibt er. Auch der CVP-Landrat Felix Keller hat seinerseits Fragen. Er will wissen, ob Kundgebungen dieser Art im Baselbiet weiterhin bewilligt werden und was die Beweggründe für die Durchführung und Bewilligung waren.

Ähnlich wie bei Kirchmayr klingt es von Seiten der GLP Liestal & Umgebung. «Das Verhalten dieser Gruppierung ist aus unserer Sicht verantwortungslos, demokratiefern, egoistisch und im grössten Masse unverschämt gegenüber allen Menschen, welche alles unternehmen, um diese Krise gemeinsam zu überstehen», heisst es in einer Mitteilung.

War das Aufgebot der Polizei zu klein?

«Den Unmut können wir ein Stück weit nachvollziehen», sagt denn auch Polizeisprecher Adrian Gaugler. Da es sich um eine bewilligte Veranstaltung handelte, sei die Polizei primär dafür verantwortlich gewesen, dass alles ruhig und sicher über die Bühne geht. Gaugler erwähnt beispielsweise die anwesenden Familien und die daraus resultierende Güterabwägung, die ein defensives Verhalten nötig machte.

Über die genaue Anzahl der Einsatzkräfte, unter denen sich zur Unterstützung auch Polizisten aus Zürich befanden, werden keine Informationen weitergegeben. Den um die 6’000 Demonstranten gegenübergestellt, sei es aber ein Aufgebot gewesen, «das nicht annähernd daran herankam». So wurden letztendlich keine Bussen ausgestellt, angehalten wurden 12 Personen aus den Reihen der Demonstrationsgegner.

Kritiker der Coronamassnahmen planen Dankesschreiben

In diversen Telegram-Chats wird die Polizei deswegen für ihren Einsatz gelobt. In einer eigens erstellten Gruppe planen die Kritiker der Coronamassnahmen etwa ein Dankesschreiben, zudem soll der Stadt Liestal und der Kapo ein bunter Blumenstrauss für den «unglaublich tollen Nachmittag» überreicht werden.

Gleichzeitig machte am Wochenende ein Bild von einem Polizeiauto die Runde, an dem ein Schild eines Demonstrationsteilnehmers angebracht wurde. Wie Gaugler nach einer Nachfrage bei den abgebildeten Polizisten aber mitteilt, sei das unbemerkt angebrachte Plakat nach der Entdeckung sofort vernichtet worden.

Auch die Liestaler Sozial- und Sicherheitsvorsteherin Regula Nebiker möchte sich keineswegs von den Coronaskeptikern einspannen lassen. Einen Blumenstrauss habe sie noch nicht erhalten: «Mittlerweile sammle ich eher Kakteen.» Überhaupt könne sie auf das Geschenk getrost verzichten. Nach Samstag sei eher eine Entschuldigung bei der Bevölkerung angebracht. Besorgte Anwohner befürchten laut ihr einen Superspreader-Event. Auch Nebiker zeigt sich enttäuscht: «Ich finde es extrem bedenklich, wie sich die Demonstranten benommen haben und sich gegen sämtliche Hygieneregeln hinweggesetzt haben. Das hat mich beunruhigt.»

Von einer Naivität bei der Erteilung der Bewilligung will sie trotzdem nicht sprechen. Obwohl die Demonstration grösser als erwartet ausfiel, sei man gut vorbereitet gewesen. Die Polizei habe richtig reagiert. «Bei einer derartigen Gruppendynamik ist es besser, wenn man das Ganze laufen lässt und stattdessen darauf achtet, dass Dritte nicht tangiert werden», sagt sie. Nur eines ist klar: Der nächste von den Demonstranten auserkorene Standort sei jetzt vorgewarnt.

Im Kanton Uri soll der Protest bereits in die nächste Runde gehen

Die Juso BL fordert derweil eine umfassende Erklärung von Regierungsrätin und Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer (SP). Laut Medienmitteilung habe die Polizei mit ihrer Untätigkeit die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet.

Auf Anfrage bei der Sicherheitsdirektion heisst es, dass die Polizei Basel-Landschaft situativ und fortlaufend Lagebeurteilungen sowie eine Güterabwägung durchgeführt habe, um eine allfällige Eskalation zu verhindern. Gleichzeitig rügte Schweizer die Veranstalter bereits einen Tag nach der Demonstration: «Die Organisatoren zeigten keinerlei Anstrengung, die Regeln durchzusetzen.»

Trotzdem soll es laut Stillem Protest Anfang April wieder zu einer Kundgebung kommen, diesmal im Kanton Uri. Wie die Sicherheitsdirektion mitteilt, hat bereits ein telefonischer Austausch stattgefunden. Seit Samstag habe man positive wie auch negative Zuschriften erhalten. «Das zeigt, dass die Meinungsäusserungsfreiheit gerade in Krisenzeiten ein sehr hohes Gut ist», so Adrian Baumgartner, Leiter Kommunikation. Zum weiteren Vorgehen bezüglich Bussen oder anderen Sanktionen gegenüber Stillem Protest kommuniziert der Regierungsrat voraussichtlich am Dienstag. Nach den diversen Vorankündigungen würde es niemanden mehr überraschen, wenn die Coronamassnahmen-Gegner nicht nur eine saftige Busse kassierten, sondern auch keine Bewilligungen mehr für künftige Veranstaltungen erteilt bekämen.

Darf die nächste Demo in Uri stattfinden?

Am 10. April ist bereits die nächste Demo der Corona-Skeptiker geplant. Stattfinden soll sie in Altdorf, Kanton Uri. Der Plan: Eine grosse Versammlung auf einem Privatgrundstück. Das Problem: Die Kundgebung ist noch nicht bewilligt. Laut Polizeisprecher Gusti Planzer sei man im Dialog mit den Veranstaltern vom Aktionsbündnis der Urkantone. Diese bewerben die Kundgebung und halten sich hierbei nicht zurück: «Wir haben Platz für 10’000 Personen», geben sie an und haben das Ziel vor Augen, die Präsenz von Liestal zu toppen.

Im Unterschied zu den vorangegangenen Demos in Chur und Liestal soll in Altdorf kein Marsch stattfinden. «Dafür wäre es wohl zu eng», meint Josef Ender, Sprecher des Aktionsbündnis der Urkantone. Doch um die Bewilligung für die Veranstaltung steht es im Moment nicht unbedingt gut. Denn Vorgabe für die Durchführung einer solchen Kundgebung ist das Einhalten der Maskenpflicht. Da die Besucher der Demonstration in Liestal grösstenteils maskenlos unterwegs waren, kommt momentan harsche Kritik auf. Was wird nun passieren, sollte der Kanton Uri diese Kundgebung nicht erlauben?

Laut Szenekenner Raimond Lüppken wird im Telegram-Chat dazu aufgefordert, sich ein paar hundert Meter von diesem Gelände entfernt zu treffen, um den Marsch zum Gelände wie einen Spaziergang aussehen zu lassen. Dort angekommen, könne man den Anlass durchführen, denn es bräuchte keine Bewilligung, da man sich auf Privatgrund befinde. Diese Meinung tut vor allem Daniel Trappitsch, Schweizer Heilpraktiker und Impfgegner, kund. Dass dies nicht der Wahrheit entspricht, belegen Lüppken sowie Planzer, der auf Artikel 65 des Polizeigesetzes verweist: «Sofern die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit beeinträchtigt werden könnte, benötigt es eine Bewilligung der zuständigen Behörde.» (mkf/AH)