Cannabis-Pilotprojekte: Der Nationalrat macht Dampf

Das Parlament steht nun unter Zugzwang. Breite Kreise im Nationalrat geben deshalb Vollgas. Innert kürzester Zeit sammeln sie im Parlament Unterschriften, um den Bundesrat zum Vorwärtsmachen zu bewegen. Denn die Enttäuschung war gross, als das Bundesamt für Gesundheit (BAG) von SPBundesrat Alain Berset Mitte November erklärt hatte, dass die Universität Bern keine wissenschaftliche Studie zum legalen Verkauf von Cannabis durchführen darf. Begründung: Zwar stehe man dem Ansinnen positiv gegenüber, es fehle aber eine gesetzliche Grundlage.

Das soll sich möglichst rasch ändern. Vertreter von SP, Grünen, Grünliberalen und der FDP weibelten gestern im Parlament, um eine möglichst breite Unterstützung zu erreichen. Und tatsächlich: Noch gestern Abend konnten 101 Unterschriften aus dem 200-köpfigen Nationalrat eingereicht werden.

Im 46-köpfigen Ständerat habe Sozialdemokrat Roberto Zanetti sogar 26 Unterschriften gesammelt. Mit mehreren gleichlautenden Vorstössen soll im Betäubungsmittelgesetz ein sogenannter Experimentierartikel aufgegleist werden, welcher das Pilotprojekt der Universität Bern ermöglichen würde. So müsste das Verbot von Cannabis zu Genusszwecken befristet aufgehoben werden können. Es sei nun endlich Zeit, zu handeln, findet die Zürcher FDP-Nationalrätin Regine Sauter. «Eine Lösung für den künftigen Umgang mit Cannabis ist wichtig und dringend.»

«Wollen den Ball aufnehmen»
Die Stadt Bern hatte die Uni beauftragt, zu erforschen, wie sich das Konsum- und Kaufverhalten von CannabisKonsumenten verändert, wenn diese geregelten Zugang zur Droge haben. Auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Studienteilnehmer sollten untersucht werden. Geplant war, Cannabis in Apotheken zu verkaufen. Mit der Absage des Bundes ist die Durchführung ähnlicher Forschungsvorhaben auch in anderen Städten wie Zürich, Luzern oder Genf ungewiss.

Weil Parlamentsvertreter gegenüber dieser Zeitung bereits vergangene Woche signalisiert hatten, rasch handeln zu wollen, hat die Universität Bern am Dienstag bekannt gegeben, auf eine Beschwerde gegen den BAG-Entscheid zu verzichten. Mit der gleichen Begründung stellt auch der Kanton Basel-Stadt eine geplante Cannabis-Studie zurück. «Der Ball wird dem Bundesparlament zugespielt», sagt Grünen-Präsidentin Regula Rytz. Für die Berner Nationalrätin steht fest, «dass wir unsere politische Verantwortung wahrnehmen und diesen Ball nun auch aufnehmen wollen».

Die Grünen stünden vollständig hinter dem Anliegen, betont Rytz. Grosse Unterstützung kommt auch von der SP und den Grünliberalen. Auch in den Mitte-Parteien CVP und BDP finde sich Unterstützung. Die freisinnige Fraktion wiederum sei etwa in zwei Hälften aus Gegnern und Befürwortern geteilt, sagt FDP-Nationalrätin Sauter. «Es braucht viel Überzeugungsarbeit.» Ablehnend zeigt sich vor allem die SVP.

Skeptisch ist der Baselbieter SVP-Nationalrat Thomas de Courten. Der Präsident der nationalrätlichen Gesundheitskommission ist nicht grundsätzlich gegen einen Experimentierartikel. «Voraussetzung sind allerdings eine deutliche Qualitätssteigerung im Gesundheitswesen sowie klare Rahmenbedingungen», sagt er. Es dürfe kein Freipass sein für fragwürdige Projekte. Denn für de Courten steht fest: «Die jetzigen Pilotprojekte zielen darauf ab, die Legalisierung von Cannabis voranzutreiben. Und da bin ich klar dagegen.»

Klares Signal an Berset
So weit wollen auch die meisten Befürworter des Experimentierartikels noch nicht gehen. «Aber man muss den Realitäten ins Auge blicken», argumentiert Grünen-Präsidentin Rytz. Immerhin geht man in der Schweiz von rund 300000 regelmässigen Konsumenten aus. «Ergo: Der Konsum ist nicht zu verhindern.» Aus diesem Grund hoffen die Befürworter, dass Gesundheitsminister Berset ein Einsehen habe und gleich von sich aus die nötigen Gesetzesgrundlagen in die Wege leiten wird – was den politischen Prozess nochmals deutlich beschleunigen würde.

Die Offensive im Parlament sei ein «sehr klarer Wink» an Berset. Nun kann er dem Cannabis-Versuch alle Steine aus dem Weg räumen.» Er müsse die Überweisung der Motion eigentlich gar nicht abwarten, ist sie überzeugt. «Mit einem so klaren Signal aus dem Parlament hat er viel Rückenwind.»

Von Daniel Ballmer AZ