Cédric Wermuths Ständeratskandidatur: «Ich habe noch nie etwas versteckt»

Cédric Wermuth

Politik im Blut

Cédric Wermuth (32) ist im Freiamt aufgewachsen. Er studierte an der Universität Zürich Politikwissenschaften, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Philosophie. Seit 2015 lebt er mit seiner Familie in Zofingen. Zwischen 2008 und 2011 war Wermuth Präsident der Jungsozialisten/-innen. Seit 2011 sitzt er für die SP Aargau im Nationalrat. Von 2014 bis Anfang 2018 war er Co-Präsident der Kantonalpartei.

Im Ständeratswahlkampf will Wermuth sechs Anliegen in den Fokus rücken, wie er auf seiner Webseite schreibt: «1. Gleichstellung erkämpfen; 2. Service public stärken; 3. Steuerwettbewerb eindämmen; 4. gute Arbeit, gute Löhne; 5. Menschenrechte verteidigen; 6. Klimawandel anpacken.»

Die SP des Bezirks Zofingen wird heute Abend Wermuth offiziell als Ständeratskandidaten nominieren. Wen die SP Aargau bei den Wahlen 2019 definitiv ins Rennen schickt, entscheidet der Parteitag Ende September.

Herr Wermuth, Sie wollen Standesvertreter werden. Was ist das Aargauischste an Ihnen?

Es gibt wohl kaum einen oder eine Aargauer PolitikerIn, der oder die den ganzen Kanton so gut kennt wie ich. Ich bin im Freiamt aufgewachsen, habe in Lenzburg und Baden gewohnt und lebe nun im Westen, in Zofingen. Der Kanton hat ein grosses Problem, dass fast alle seine Vertreter in Bern aus dem Osten kommen. Es gibt leider nur wenig konstruktiven Austausch zwischen Ost und West.

Sie sind Neo-Zofinger. Was sind denn die Besonderheiten des Westens?

Das Problem ist, dass sich die Region Zofingen unter ihrem Wert verkauft. Der Osten macht einfach ein besseres Lobbying. Der Westen hat als Lebensraum viel zu bieten. Wir leben sehr gerne hier. Es ist ein sympathischer Ort. Man spürt die Nähe zu Bern, aber auch zu Luzern und Basel. Es gibt eine Offenheit. Und man ist sich im Rest des Kantons oft nicht bewusst, wie vernetzt diese Region ist.

Warum wollen Sie in den Ständerat?

Es gibt mehrere Gründe. Für einen Nationalrat ist der Ständerat attraktiv. Denn dort ist man nicht einfach einer von 200, sondern einer von 46. Man rutscht noch mal näher zu dem Ort, wo man wirklich politisch gestalten kann. Man sah in der letzten Legislatur, wie entscheidend zwei, drei Stimmen im Ständerat sein können. So etwa bei der AHV-Vorlage. Zudem ist extrem entscheidend, dass die Linke mit der SP im Ständerat gut vertreten ist. Denn der andere Aargauer Ständerat vertritt in erster Linie die Interessen von Economiesuisse und nicht die Bevölkerung. Darum braucht es weiterhin eine Stimme, die sich für Löhne, Renten und Menschen einsetzt.

Gibt es nicht mal einen Autobahnabschnitt, den Sie ausbauen würden?

Nein. Das wäre ein kapitaler Fehler. Wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen wollen, also die Verhinderung der Zerstörung unseres Planeten, dann gibt es keinen Spielraum für neue Strassen.

Aber es gibt Regionen im Kanton, die unter der Last des Verkehrs ächzen.

Das stimmt. Aber dann muss man sicher nicht mehr Strassen bauen, denn das führt nur wieder zu mehr Verkehr. Die langfristige Lösung ist der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und weniger Zersiedelung. Eine meiner sechs inhaltlichen Punkte für den Wahlkampf ist eine Service-Public-Garantie für die Gemeinden. Wir müssen den Gemeinden einen gesetzlichen Anspruch für eine qualitative hochwertige ÖV-Anbindung geben.

Man sieht: Sie bewegen sich noch nicht in die Mitte, um Ständerat zu werden.

Nein. Und das will ich betonen, auch zuhanden meiner Partei. Ich verändere meine Positionen nicht, um Ständerat zu werden. Für eine solche Strategie bin ich der falsche Kandidat.

Sie wählen also einen anderen Weg als Pascale Bruderer, die sich ab und zu den bürgerlichen Wählern angebiedert hat und dafür Kernanliegen der SP beiseiteschob. So etwa bei der Erbschaftssteuerinitiative.

Ich würde dem nicht anbiedern sagen. Aber sie hat eine andere Strategie. Und das ist sicher nicht meine. Ich bin nicht Pascale Bruderer. Ich setze primär auf Leute, die von der Politik enttäuscht sind. Diese müssen wir mobilisieren. Ich werde nichts sagen, an das ich nicht glaube – nur weil es elektoral helfen könnte.

Wie wollen Sie denn sonst die starke bürgerliche Konkurrenz schlagen? Auf dem Tapet sind nun Marianne Binder von der CVP und SVP-Vertreter Hansjörg Knecht. Dieser hat beim letzten Mal im ersten Durchgang hinter Bruderer das beste Resultat erzielt.

Wir sind uns bewusst: Die SP hat nur eine kleine Chance, aber genau die müssen wir nützen. Wir müssen mit Inhalten neue Wählerinnen und Wähler mobilisieren. Darum habe ich mit meiner Kandidatur sechs inhaltliche Punkte ins Zentrum gestellt. Wir müssen aufzeigen, dass wir die Interessen der Bevölkerung besser vertreten als die Bürgerlichen.

Sie wollen Ideen statt Ihre Person in den Vordergrund stellen. Das tönt nach PR-Sprache. Und auf jede erdenkliche Gegenkandidatin in der SP würde das auch zutreffen. Warum stehen Sie nicht zu dem Profil, das Sie haben?

Doch, ich stehe zu meinem Profil. Aber man soll mich wegen meines Programms wählen. Das ist entscheidend. Man muss einen Gegenpunkt setzen zu den Ständeratswahlkämpfen, wo man das Gefühl hat, man sei im Auswahlprozess für eine mittlere Kaderfunktion. Das ist falsch. Am Ende ist entscheidend, welchen Abstimmungs-Knopf die Leute in Bern drücken.

Aber man wählt doch Personen und nicht Roboter mit gespeicherten Parteiprogrammen.

Es gibt kaum politisch interessierte Aargauerinnen und Aargauer, die meine Person nicht kennen. Ich habe noch nie etwas versteckt.

Sie wollen mit Ihrem Programm eine Gleichstellungsoffensive statt Kampfjets. Oder eine Offensive für Menschen über 55, welche die Arbeit verlieren. Das würden alle SP-Kandidatinnen unterschreiben. Warum muss man trotzdem Sie ins Rennen schicken?

Es sind nicht alle SP-Vertreter und -Vertreterinnen für eine Halbierung der Kampfjetbeschaffung zu Gunsten der Gleichstellung. Ich bringe eine Mischung von klaren Positionen und dem Beweis, dass ich mit allen zusammenarbeiten kann. Ich arbeite in der Staatspolitischen Kommission mit Matthias Jauslin oder Ruth Humbel, daneben auch mit einem Thierry Burkart, manchmal mit Philipp Müller und anderen gut zusammen. Gleichzeitig habe ich eine politische Sprache, bei der niemand an meinen Inhalten zweifelt. Das zeichnet mich aus. Und ich habe den Anspruch, die ganze Breite der Linken-Bewegung im Aargau abzudecken.

Intern kommt es nun wohl zur Ausmarchung gegen Yvonne Feri. Warum greifen Sie eine Frau an? Im Ständerat herrscht ja akuter Frauenmangel.

Ich greife keine Frau an, wir beide bieten der Partei eine Auswahl. Das ist kein Drama – im Gegenteil. Wir sind die einzige Partei, welche die Personalpolitik nicht im stillen Kämmerlein macht. Bei uns macht das die Parteibasis. Die Geschlechterfrage ist sicher wichtig. Es gibt den nationalen SP-Beschluss, dass in 13 Kantonen Männer und in 13 Frauen kandidieren sollen. Da hat sich der Kanton Aargau einfach nichts vorzuwerfen. Wir sind jetzt seit Jahren in allen Delegationen und Gremien paritätisch. Wenn jemand seinen Job erledigt hat in der Gleichstellungsfrage, dann ist es die SP Aargau.

Dann müssten Sie aber für Marianne Binder kämpfen, damit die Aargauer Standesvertretung gemischt ist.

Was die Bürgerlichen machen, ist ihre Sache. Ich empfehle da nichts.

Ihr Plus ist das Alter. Warum braucht der ausgesprochene Altherrenclub eine Auffrischung?

Man merkte das zum Beispiel bei der Frage der Kontrollen zur Lohngleichheit oder beim Vaterschaftsurlaub. Es ist eben wichtig, dass die Männer ihren Teil zur Gleichstellungspolitik beitragen. Da hat meine Generation eine andere Position als die ältere Generation Männer. Es ist für die Zukunft der Gleichstellungspolitik zentral, dass wir diesen Stimmen von jungen Männern, die auch die Schnauze voll haben von Frauenverachtung und Sexismus, mehr Gehör verschaffen. Auch Fragen wie die Digitalisierung kann man anders angehen. Da ist der Ständerat nicht auf der Höhe der Zeit. Darum muss die junge Generation besser vertreten sein.