
Confiserie Brändli im Dilemma: Wie umgehen mit Impfverweigerern? «Wir können nur an die Solidarität unserer Belegschaft appellieren»
Geimpft oder nicht geimpft, das ist hier die Frage. Vor allem am Arbeitsplatz scheint die Polarisierung zuzunehmen. So sagte Roche-Chef Severin Schwand, dass er einen Impfnachweis am Arbeitsplatz begrüssen würde. Auch bei der bekannten Confiserie Brändli gibt das zu reden.
Als Arbeitgeber kann Mark Brändli niemanden zur Impfung oder zum Testen zwingen – und kündigen kann er den Impfverweigerern auch nicht, das wäre missbräuchlich. Gleichzeitig hat die Geschäftsleitung aber eine Fürsorgepflicht für alle anderen Mitarbeitenden, die sich keinesfalls anstecken wollen. Unter ihnen auch eine Schwangere. Brändli sagt:
«Dieses Dilemma ist unter Gewerbetreibenden ein grosses Thema.»
Als Verwaltungsrat habe er ausserdem die Pflicht, das Unternehmen vor Schäden zu schützen. Verursachen Impfverweigerer eine Quarantäneverfügung, so könne der daraus resultierende Ausfall von Produktion und Umsatz für eine Firma durchaus das Aus bedeuten.
Wäre ein Testobligatorium zumutbar?
«Wir können derzeit nur an die Freiwilligkeit und Solidarität unserer Belegschaft appellieren», sagt Brändli. Das sei klar zu wenig. «Impfverweigerer können sich trotzdem aus ihrer Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber schleichen und Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nehmen, für die sie letztendlich nicht verantwortlich gemacht werden können.»
Dieses gesellschaftspolitische und juristische Problem müsse dringend angegangen werden, auch um weiteren wirtschaftlichen Schaden abzuwenden, so Brändli. Die aktuelle Situation sei übrigens dem Teamgeist nicht förderlich. Brändli sagt:
«Mindestens ein Testobligatorium ist zumutbar und müsste politisch durchsetzbar sein.»
Eine Impfpflicht ist unzulässig, sagt die Unia
Aber: «Es geht den Arbeitgeber nichts an, wer in seinem Betrieb geimpft ist und wer nicht.» Das sagt Serge Gnos von der Gewerkschaft Unia. Natürlich unterstütze die Gewerkschaft, dass sich die Leute impfen liessen. Allerdings ist die Sache nicht so einfach:

Serge Gnos.
«Diese Debatte können wir nicht am Arbeitsplatz führen, denn hier besteht ein Abhängigkeitsverhältnis.»
Es sei eine Frage der Abwägung der Rechte und Pflichten. Natürlich müsse ein Arbeitnehmer dafür sorgen, dass seine Arbeitnehmenden geschützt seien, doch das müsse in einem rechtlichen Rahmen geschehen.
«Der Arbeitgeber darf in seiner Fürsorgepflicht die Grundrechte seiner Angestellten nicht missachten», so Gnos. Eine Impfpflicht ist unzulässig, selbst wenn Arbeitgeber das gerne hätten.
Impfverweigerung: Wann ist eine Kündigung missbräuchlich?
Ähnlich, aber doch etwas anders, sieht es der Arbeitsrechtler Thomas Geiser, emeritierter Professor für Privat- und Handelsrecht an der Universität St. Gallen. Er sagt: «Als private Arbeitgeberin kann ich sehr wohl einem Arbeitnehmer kündigen, weil er sich weigert, sich impfen zu lassen.»

Thomas Geiser.
Ob eine Kündigung, die wegen einer Impfverweigerung ausgesprochen wird, missbräuchlich sei, komme auf den konkreten Fall an. «In der Regel wird sie missbräuchlich sein, weil in aller Regel die Impfung nicht notwendig ist, um die anderen Mitarbeitenden und die Kunden zu schützen.»
In den meisten Fällen gäbe es andere mögliche Vorsichtsmassnahmen – vom täglichen Test bis hin zu Masken- und Schutzkleidungspflicht, Distanzpflicht, teilweise andere Arbeit. «Wenn der Schutz der anderen Mitarbeitenden durch solche Schutzvorkehrungen möglich sind, besteht auch keine Gefahr für die anderen Mitarbeitenden und die Fürsorgepflicht ist nicht verletzt», so Geiser. Und weiter:
«Wer sich nicht impfen lässt, verbreitet noch keine ansteckende Krankheit.»
Diese Diskussion ist auch in anderen Ländern voll im Gang, zum Beispiel in Deutschland. Griechenland und Frankreich haben sogar bereits eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal eingeführt. Hierzulande ist zwar ein Impfzwang kein Thema, doch diskutiert wird ein erweiterter Einsatz des Covid-Zertifikats für Getestete, Genesene oder Geimpfte.
Statt über Lockerungen wird über Covid-Zertifikat diskutiert

Lukas Engelberger.
So hat der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger einen neuen Vorschlag ins Spiel gebracht, wonach der Impfpass etwa bei Sportaktivitäten, in Fitnesscentern oder bei kleineren Veranstaltungen nötig werden könnte. Der Berner Gesundheitsdirektor Pierre-Alain Schnegg hat sich ebenfalls bereits für eine Ausweitung ausgesprochen, andere Kantone halten sich noch zurück.
Offen ist auch, wie der Bundesrat dazu steht. Dieser weilt noch in den Ferien, und vor der Sommerpause sah alles anders aus. So hatte die Regierung eigentlich vorgesehen, bis Ende Juli die Kantone zu konsultieren und am 11. August den nächsten Öffnungsschritt bekannt zu geben.
Ob es dazu kommt, ist derzeit unsicher, wie mehrere mit dem Dossier vertraue Quellen sagen. Denn die Fallzahlen steigen wieder an und die Impfquote ist noch immer zu tief. Und zu reden gibt vor allem der Einsatz des Covid-Zertifikats. Letzteres hat die Diskussion um allfällige weitere Öffnungsschritte gänzlich übertüncht. Wann also die nächsten Lockerungsschritte kommen, ist noch völlig offen.