Dankbar für unsere relative Freiheit

Die Corona-Pandemie hat neben aller Schrecklichkeit auch positive Seiten. Durch die relativ zurückgezogene Lebensweise packt mich die Lust, Kontakt aufzunehmen zu Leuten, von denen ich schon lange nichts mehr gehört habe. Wie gehen sie mit der Situation um, die uns alle betrifft? So habe ich per Telefon, WhatsApp oder Facebook Kontakte zu Verwandten und Bekannten in Frankreich. Durch sie habe ich das Wort «Confinement» gelernt, das mir bisher fremd war. Es steht auf Deutsch für Beschränkung. Aber auch für Gefangenschaft und Enge. Confinement meint die Ausgangssperre in Frankreich und anderen Ländern wie Italien und Spanien. Wer nicht unbedingt raus muss, darf nicht raus. Ansonsten braucht es einen Passierschein. Meine Verwandten stöhnen darüber. Mein Onkel in Südfrankreich darf seine Freundin, die 70 Kilometer entfernt wohnt, momentan nicht besuchen. Hart. Da er zur Risikogruppe gehört, darf er sowieso nicht raus. Er liess sich einen Einsiedler-Bart wachsen. Sagt mir seine Freundin. Mein Kumpel Roger aus Paris hat sogar doppelt Pech: Er brach sich auf einer Südamerikareise im Dezember die Hüfte, wurde mit viel Glück im Januar von Kolumbien nach Frankreich ausgeflogen – und ist jetzt temporär behindert in doppeltem Sinne. Ich bin in den Momenten der Anteilnahme glücklich, dass wir in der Schweiz nicht unter Hausarrest stehen. Wir geniessen immer noch eine relative Freiheit, die ich gerne – verantwortungsvoll und unter Einhaltung der Corona-Sicherheitsregeln – nutze. Den eingesperrten Verwandten und Bekannten im Ausland schicke ich aber lieber keine Fotos von weidenden Kühen auf meiner Bike-Tour oder vom blauen Vierwaldstättersee. Da würde ich wohl Anti-Reflexe wecken – von wegen verwöhnte Schweizer, die es auch jetzt wieder schöner haben.