
Danke, Sibylle Berg
Die Kontroverse rund um die Überwachung von mutmasslichen Betrügern in den Sozialversicherungen ist um ein Kapitel reicher. Wir erinnern uns: 2016 rügte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz, weil hierzulande Sozialdetektive Verdächtige überwachten und viele davon auffliegen liessen. Dazu fehle eine gesetzliche Grundlage, befand Strassburg. Das Bundesgericht stoppte die Praxis, das Parlament gleiste eine griffige Vorlage auf, um die Gesetzeslücke zu schliessen. Mitte Monat beschloss der Nationalrat, dass Verdächtige auch in ihren Gärten oder auf ihren Balkonen beobachtet werden dürfen; auch der Einsatz von GPS-Trackern soll – mit richterlicher Genehmigung – möglich sein. Nun hat eine Gruppe von Gegnern um die Autorin Sibylle Berg angekündigt, das Referendum zu ergreifen. Kommt es zustande, hat das Volk das letzte Wort.
Gut, dass Berg & Co damit eine Debatte lancieren, die durch die digitale Revolution an Relevanz gewonnen hat: Welche Überwachungsmethoden erachten wir als verhältnismässig und zulässig – und wo beginnt der Schnüffelstaat? Ist ein Garten oder ein Balkon eine Art Verlängerung des Wohnzimmers oder schon ein halböffentlicher Ort? Rückt die Überwachung eine ganze Gruppe von Menschen, IV-Bezügern beispielsweise, in ein schlechtes Licht, wie manche Überwachungsgegner behaupten? Oder hat nicht gerade diese Gruppe das grösste Interesse an einem harten Durchgreifen gegen mutmassliche Schwindler? Unsere Sozialversicherungen verkörpern die Idee schweizerischer Solidarität wie kaum etwas sonst. Sie vor Betrügern zu schützen ist richtig und wichtig. Grösstmöglicher Schutz kommt indes auch der Privatsphäre zu. Dass die Vorlage in einem Urnengang vom Volk legitimiert wird, muss deshalb auch im Interesse der Befürworter sein.