
Darum verbietet der Aarauer Stadtrat die Coronademo – Regierungsrat entscheidet über Kundgebung in Wettingen
Die Mitteilung klingt etwas umständlich, die Aussage ist aber klar: «Der Stadtrat weist das Gesuch des Aktionsbündnis Aargau-Zürich für eine vernünftige Corona-Politik vom 1. April 2021 betreffend die Nutzung des öffentlichen Grundes für eine Corona-Kundgebung und einen Protestmarsch am 8. Mai 2021 ab.» Dies gab die Kommunikationsstelle der Kantonshauptstadt am Dienstag kurz vor dem Mittag bekannt.
Weiter heisst es in der Mitteilung, die Durchführung einer Corona-Kundgebung und eines Protestmarsches ohne Bewilligung werde verboten. Und: «Die Nichtbeachtung oder Zuwiderhandlung gegen diese Verfügung, insbesondere die Durchführung einer Corona-Kundgebung und eines Protestmarsches ohne Bewilligung, wird mit Busse geahndet.»

Daniel Ringier, Leiter Abteilung Sicherheit der Stadt Aarau, verbot die Coronademo schon vor zwei Wochen.
Mit dem Demoverbot bestätigt der Aarauer Stadtrat den Entscheid des städtischen Sicherheitschefs Daniel Ringier, der bereits vor zwei Wochen eine Kundgebung untersagt hatte. Dagegen wehrten sich die Organisatoren mit einer Beschwerde beim Stadtrat, die letzte Woche eingereicht wurde. Sie argumentierten, für eine politische Kundgebung sei kein Schutzkonzept nötig und der Veranstalter dürfe die Einhaltung der Maskenpflicht gar nicht kontrollieren.
Gesundheit und Sicherheit vor Meinungsäusserung und Versammlungsrecht
Professor Andreas Glaser, Direktor des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA) hielt gegenüber der AZ fest, er sehe durchaus Spielraum für die Behörden, eine Coronademo zu bewilligen. Dennoch hat der Aarauer Stadtrat den Coronaskeptikern die Bewilligung für die Kundgebung verweigert.
Dabei ging es um eine Interessenabwägung, wie Sicherheitsvorsteherin Suzanne Marclay-Merz (FDP) auf Anfrage der AZ erklärt. Auf der einen Seite stünden Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung, auf der anderen Meinungsäusserungsfreiheit und Versammlungsrecht. Marclay-Merz sagt:
«In einer Pandemiesituation, wie sie derzeit herrscht, hat der Stadtrat die Verhinderung von Ansteckungen und damit den gesundheitlichen Aspekt höher gewichtet als das Anliegen der Organisatoren, eine derartige Grossdemonstration durchzuführen.»

Suzanne Marclay-Merz, Stadträtin in Aarau, erklärt die Gründe für das Demonstrationsverbot.
Daran änderten auch Vorschläge der Organisatoren nichts, allenfalls nur einen Protestmarsch oder nur eine Kundgebung durchzuführen. «Bei allen Varianten ist die Ausgangslage letztlich dieselbe: Es werden gegen 8000 Teilnehmende erwartet und bei so vielen Leuten ist von vornherein davon auszugehen, dass der nötige Abstand nicht eingehalten werden kann», sagt die Aarauer Sicherheitsvorsteherin.
Abstand und Masken als Auflage: Stadträtin sieht Rechtsgrundlage gegeben
Die Organisatoren machten laut Marclay-Merz bei ihren Anträgen auch keine Zusagen, dass sie die Einhaltung der Mindestabstände oder der Maskentragpflicht kontrollieren und sicherstellen. «Zudem stellen sie im Vergleich zur erwarteten Anzahl der Teilnehmenden relativ wenig eigenes Sicherheitspersonal», ergänzt die Stadträtin.
Zum Argument der Organisatoren, sie seien nicht verpflichtet, ein Schutzkonzept vorzulegen und dürften die Maskenpflicht nicht kontrollieren, sagt Marclay-Merz: «Wenn man rein auf die geltenden Covid-Verordnungen des Bundes abstellt, ist diese Argumentation möglicherweise korrekt.» Für eine Kundgebung mit 8000 Teilnehmenden in Aarau sei aber die Bewilligung der Stadtpolizei notwendig, diese könne auch Auflagen für die Organisatoren erlassen. Marclay-Merz betont:
«Eine solche Auflage wäre vorliegend die Einhaltung von Abstandsregeln und Maskenpflicht – doch die Veranstalter sind offenbar nicht willens, dies zu gewährleisten.»
Dies hätten die bewilligten Demonstrationen in Wohlen und Liestal gezeigt, und diese Haltung gehe auch klar aus dem Antrag der Organisatoren an die Stadtpolizei hervor. «Deshalb sind wir der Meinung, dass eine rechtliche Grundlage für die Verweigerung der Bewilligung besteht», sagt Marclay-Merz, die selber Juristin ist.
Regierungsrat befasst sich morgen Mittwoch mit Demoverbot in Wettingen
Den negativen Entscheid des Aarauer Stadtrats kann das Aktionsbündnis innerhalb von 30 Tagen beim Aargauer Regierungsrat anfechten. Bereits hängig ist bei der Kantonsregierung eine Beschwerde der Organisatoren gegen das Verbot einer Kundgebung am 8. Mai in Wettingen. Dort hatte der Gemeinderat die Demo mit dem Hinweis darauf untersagt, dass ab einer gewissen Anzahl Teilnehmern die Maskentragpflicht nicht mehr durchgesetzt werden könne.
Für den Gemeinderat Wettingen sei es «wichtiger denn je, dass die Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie konsequent eingehalten werden», teilte die Behörde mit. Ob diese Argumentation vor dem Regierungsrat standhält, dürfte sich in den nächsten Tagen zeigen. Die Kantonsregierung befasst sich wohl in ihrer Sitzung von morgen Mittwoch mit der Beschwerde gegen das Demoverbot in Wettingen.
Organisatoren: Aargau könnte mit Bewilligung für Demo zum Vorbild werden
Das «Aktionsbündnis Aargau-Zürich für eine vernünftige Corona-Politik» hat bisher nicht auf das Demoverbot in Aarau reagiert. In einer Mitteilung letzte Woche schrieben die Coronaskeptiker aber: «Was man mit einem Kundgebungsverbot erreicht, haben die vergangenen Samstage in Altdorf und Schaffhausen gezeigt.» Dort hatten jeweils mehrere hundert Personen an unbewilligten Coronademonstrationen teilgenommen – letzten Samstag waren es in Rapperswil gar bis zu 4000 Leute:
Das Aktionsbündnis hielt vor diesem Hintergrund letzte Woche fest: «Es ist den Behörden zu wünschen, dass sie mit mehr Weisheit agieren und unsere Argumente sehr sorgfältig prüfen.» Der Kanton Aargau könnte mit einer Bewilligung für Coronademos aus Sicht der Organisatoren «zum Vorbild für die restliche Schweiz werden und ein Zeichen dafür setzen, dass die Versammlungsfreiheit doch noch nicht ganz abgeschafft wurde».