
«Das Bevölkerungswachstum Köllikens zu steuern, ist nicht einfach»
Herr Schegner, Sie sind seit 2018 Ammann und beginnen nächstes Jahr Ihre zweite Amtsperiode. Was ist das Beste am Job als Gemeindeamman von Kölliken?
Mario Schegner: Das Beste an meinem Job ist der Kontakt mit den Menschen. Der ist sicher in den letzten zwei Jahren etwas zu kurz gekommen wegen Corona. Als Ammann kann man ausserdem noch etwas mehr gestalten, hat noch etwas mehr Einfluss, in welche Richtung die Entwicklung des Dorfs geht. Man kann in verschiedenen Gremien Kontakte knüpfen und Erfolge feiern von Geschäften, in die man Energie gesteckt hat. Natürlich hatten wir auch einige Misserfolge, aber das gehört dazu.
Das ist Politik. Was ist das Schwierigste an diesem Job?
Im Moment die Stimmungslage, die man in der Bevölkerung spürt. Man hat viel Zeit, ist im Homeoffice. So werden die Menschen sensibler bezüglich baurelevanten Themen. Man ist zuhause und hört den Lärm von Bauprojekten, die man vorher nicht hörte, weil man im Büro war. Dann merkt man, dass sich die Menschen durch die Bautätigkeit, die herrscht, etwas bedrängt fühlen. In der Verwaltung spürten wir das durch eine höhere Zahl an Einsprachen und Rückmeldungen.
Die Parteistärken im Gemeinderat haben sich in den letzten Jahren verändert. Ist das für die Gemeinderäte überhaupt wichtig?
Es geht darum, wie wir zusammenarbeiten und welche gemeinsame Richtung wir verfolgen. Die Kommunalpolitik ist nicht eine Parteipolitik. Wir sind ein Kompromiss-Gremium, in das jeder und jede Bedürfnisse einbringen kann, das aber gemeinsam Lösungen generieren muss. Das andere Thema, das uns mit abnehmender Stärke von Parteien beschäftigt: Findet man noch Nachwuchs für die Politik? Deshalb stellt sich die Frage: Sind diese Gremien noch stemmbar im Sinne von Miliz-Arbeit oder braucht es Profis?
Kölliken scheint auf dem Weg zur Metropole. Als Sie 2014 Gemeinderat wurden, hatte das Dorf 4200 Einwohner. Inzwischen sind es 4600. Werden es irgendwann 6000 sein?
Es ist nicht das Ziel, so stark zu wachsen. Aber auf fast allen vorhandenen Landreserven sind grosse Überbauungen geplant: Die «Wallenmatt», die schon im Bau ist, dann die Projekte «Obere Bahnstrasse» oder «Scheidgasse». Innerhalb kurzer Zeit werden wir rund 200 neue Wohnungen bekommen. Mit entsprechendem Bevölkerungszuwachs. Wir möchten aber moderat wachsen. Das zu steuern ist nicht ganz einfach.
Woher kommen die Menschen, die zu Ihnen ziehen?
Unsere Neuzuzüger kommen von überall her. Vom ursprünglichen Charakter her sind wir ein Einfamilienhaus-Dorf, jetzt entstehen aber auch immer mehr Doppel- und Mehrfamilienhäuser. Wir haben hier alle Schulstufen und schnellen Anschluss an die Autobahn. Der öV-Anschluss ist nicht schlecht und man ist schnell in Aarau und Zofingen.
Was sind die grössten Herausforderungen, die sich aus dem Bevölkerungswachstum ergeben?
Die Herausforderung für uns ist, die nötige Infrastruktur nachzuliefern. Der private Bau ist in der Regel schneller als die öffentliche Hand. Bevor wir etwa eine Schulhauserweiterung bauen, müssen wir abschätzen können, wie viele zusätzliche Kinder in die Klassen kommen. Wir haben jetzt ein kleineres Provisorium gebaut auf dem Schulhausplatz und planen am Farbweg Erweiterungsbauten. Weitere Herausforderungen sind Verkehr und Schulwegsicherheit, die wir mit dem Kanton angegangen sind.
Der Verkehr bereitet den Köllikerinnen und Köllikern oft Sorgen. Welche Massnahmen sind hier in Planung?
Die Schönenwerderstrasse wird in nächster Zeit saniert und mit Fussgängerinseln versehen. Auf verschiedenen Strassen sind Fussgängerstreifen, Schutzinseln oder gemalte Inseln geplant. Aber: Wo gebaut wird, gibt es Autos. Primär müssen wir uns selbst an der Nase nehmen, um unsere Autofahrten zu verringern. Unsere Schule hat ein Schulweg-Konzept erarbeitet, das klar definiert, wo die sicheren Schulwege für unsere Kinder durchführen.
Ist man beim Thema Elterntaxi schon etwas weitergekommen?
Es ist ein Dauerbrennerthema, das man nicht so schnell lösen kann. Sensibilisieren und eine Vorbildfunktion erfüllen ist das Einzige, was man im Moment machen kann. Auch wenn man irgendwo absperren würde, den Weg würden sie trotzdem finden.
Sie sind Teamleiter der Disponenten für Lokführer bei der SBB. Könnte man Kölliken öV-technisch noch besser erschliessen?
Grundsätzlich sind wir nicht so schlecht erschlossen mit dem Halbstunden-Takt des Zugs. Projektmässig liegt es uns am Herzen, dass wir nicht noch mehr Güterverkehr bekommen, der durch das Dorf rauscht. Aber die Mobilität im Dorf müsste mehr Richtung Elektro-Mobilität gehen, wie es sie in Städten gibt.
Die Sondermülldeponie möchte ich nicht auslassen. Gegen die neue Zonierung gab es Einwendungen von Naturschutzorganisationen.
Pro Natura, WWF, Bird Life und zwei von Kölliken. Die Einigungsverhandlungen sind vorbei. Das Zonierungsverfahren wird nun im Prozess weiterbearbeitet.
Sind diese Einwendungen ein Gradmesser für die Sensibilität des Themas in Kölliken?
Das ist schwierig zu sagen. Das Grundstück selbst gehört ja nicht der Gemeinde, sondern dem Konsortium Sondermülldeponie. Dieses hat die Vorgaben vom Kanton zur weiteren Gestaltung. Wegen der Geschichtsträchtigkeit des Areals kann ich mir auch vorstellen, dass die verschiedenen Einsprecher dort Symbolcharakter sehen. Aber ihnen geht es vor allem um das Biotop von nationaler Bedeutung gleich ausserhalb des Areals.
Das heisst?
Bei einem Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung ist der Kanton für alle Gewässerflächen und den gewässernahen Raum zuständig. Zudem ist er im Grundsatz für die Naturschutzgebiete von kantonaler Bedeutung zuständig. Der Unterhalt und die Pflege wird mit Pflegeverträgen geregelt. Kölliken hat diesen Auftrag nicht. Das Konsortium hat viel zur Pflege des Biotops getan.
Die Firmen, die an der Wiederauffüllung mitgearbeitet haben, haben auch für einen Steuersegen gesorgt in Kölliken. Hat man da jetzt ein Loch?
Ja, ein marginales Loch ist schon noch da im Betrag an Aktiensteuern. Aber das haben wir gewusst und bereits frühzeitig Korrekturen im Budget vorgenommen. Das haben wir im Griff.
Was wünschen Sie sich für Kölliken?
Dass wir weiterhin einen guten Austausch haben, dass wir das Vertrauen in Generationenprojekte im Gemeinderat mittragen können. Dass wir zusammen Energie auch in jene Projekte stecken, von denen nicht nur wir, sondern auch die nächsten Generationen profitieren werden.
Was wünschen Sie sich von den Köllikern und Köllikerinnen?
Ein aktives Mitgestalten der Einwohnerinnen und Einwohner wird gefordert sein in der nächsten Zeit. Es gibt viele raumplanerische Themen, die auf uns zukommen: verdichtetes Bauen, die Weiterentwicklung des Oberdorfs, die SMDK. Dass wir dort eine gute Lösung finden. Und: Dass wir, wenn von Corona dereinst das Gröbste vorbei ist, die Kontakte zueinander wieder pflegen können.