
Das Café Littéraire ist neu in der Buchhandlung Schreiber daheim
Es schien, als habe ihn ein Blitz getroffen. Vor einer guten Woche nämlich hat Christoph Rast, alt Stadtbibliothekar und Vater des Café Littéraire, Knall auf Fall entschieden, per sofort die Leitung der von ihm initiierten Institution aufzugeben. Vor satten 13 Jahren hatte er die Idee lanciert. Sollte dieser «ungezwungene Club der lebendigen Leserschaft», wie das Forum auch schon mal genannt wird, plötzlich ohne geistigen Vater dastehen? Unfassbar. Rast begründete seinen Entscheid in einer Mail an seine treue Klientel mit der Bemerkung, in letzter Zeit habe er festzustellen geglaubt, die Teilnehmerzahl sei geschwunden, die Konzentration der Teilnehmenden hätte nachgelassen und immer häufiger hätten private Konversationen stattgefunden. «Offenbar wurde es auch zu viel, zwei Bücher pro Monat zu lesen – verständlich», schrieb der alt Stadtbibliothekar weiter.
Das grosse Bedauern der lebendigen Leserschaft
Das Café Littéraire also schien sich aufzulösen. Mit einer Bilanz, die sich sehen lassen kann: «13 Jahre, etwa 150 Abende und rund 300 Bücher», bezeichnete Rast als Eckpunkte des Cafés. Aber der alt Stadtbibliothekar wäre nicht der alt Stadtbibliothekar, hätte er nicht die Möglichkeit einer Weiterführung angedacht: «Wenn jemand von Euch Freude und Zeit findet, das Café Littéraire weiter zu organisieren, dann freut das sicher alle», schrieb er in seinem kleinen Abschiedsbrief.
Nun: Das Echo aus Insiderkreisen auf die E-Mail war enorm: Dorothee Windlin, die neue Leiterin der Stadtbibliothek, nahm mit grossem Bedauern Kenntnis davon: «Das Café Littéraire war über Jahre ein fester Bestandteil der Stadtbibliothek Olten und hat die Aufgabe einer Bibliothek, nämlich zum Lesen anzuregen, in vorbildlicher Weise nach aussen getragen», gab sie zu verstehen. Andere sagten gar dichtend und bedauernd Adieu: Etwa Barbara Gisi: «Schade, hab mich sehr gefreut, selten hat es mich gereut, ein Buch zu lesen, das da stand, im Web oder kopiert (von Hand).» Und Rotraud Hockamp schrieb per Mail: «Die Café-Littéraire-Zeit war für mich eine enorm wichtige und bereichernde Zeit, von der ich mich nur ungern verabschiede.» Während Peter Scheidegger meinte: «Mir bleiben unzählige gute Erinnerungen an spannende und interessante Gespräche in der Bibliothek.»
Erbarmen und eine Bestätigung
Wie weiter? Bekanntlich wird doch nicht so heiss gegessen wie gekocht. Das ist auch in dieser Angelegenheit der Fall. Denn Rast, dieser Literaturfuchs, erbarmte sich der Seinigen und kam zum Schluss: Es muss weitergehen. Und wenn der alt Stadtbibliothekar zu solchen Schlüssen kommt, dann geht’s weiter. «Die vielen Reaktionen auf meinen sehr spontan gefassten Entscheid – und darunter gabs wirklich nicht nur brave, – haben mich effektiv dazu bewogen, die Sache neu zu überdenken», sagt Rast auf Anfrage. Ergebnis des Überdenkens: Natürlich geht’s weiter, sogar unter gleichem Namen. «Soll man ein Markenzeichen ändern?», fragt Rast rhetorisch.
Hingegen ändern Standort und Datum. Neu findet das Café Littéraire jeweils donnerstags statt. Wo? In der Buchhandlung Schreiber, wo «wir zeitlich flexibler sind und keinen Türwächter wie seinerzeit in der Stadtbibliothek brauchen», wie Rast betont. Das Ambiente einer Buchhandlung wirke mit Sicherheit beflügelnd. Zudem sei der Donnerstag insofern praktisch, als dass selben Tags der Abendverkauf stattfinde und im Übrigen das Café der Buchhandlung Schreiber eine Konsumationsmöglichkeit biete und im Sommer bei entsprechender Witterung die Terrasse benutzt werden könne. «Diskutieren im Freien», schwärmt Rast.
Das Café Littéraire ist gerettet, dessen Freunde atmen auf. Die bisherigen 13 Jahre, 150 Abende und die rund 300 besprochenen Bücher finden eine Fortsetzung.