Das Fehlen von Xhaka, der Komplex von Seferovic und Yakins trüber Ausblick – das sind die Erkenntnisse nach dem 0:0 der Nati in Nordirland

Das Aufwachen am Montag nach dem 0:0 gegen Italien war ein schönes. Nun, nach diesem erneuten 0:0 in Belfast ist die Schweizer Gefühlslage anders. Penalty verschossen, so wenige Chancen kreiert wie kaum je in den letzten Jahren, Pole-Position in der WM-Qualifikation verspielt – das schmerzt. Was aber bleibt nach dem ersten Zusammenzug unter dem neuen Nationaltrainer Murat Yakin?

Viele Ausfälle und Xhakas fehlende Impfung

Granit Xhaka posiert zum Start des Schweizer Camps mit einem Fan für ein Foto. Kurz darauf wird bekannt: Er ist coronapositiv.

Granit Xhaka posiert zum Start des Schweizer Camps mit einem Fan für ein Foto. Kurz darauf wird bekannt: Er ist coronapositiv.

Claudio Thoma/Freshfocus / freshfocus

Wahrscheinlich hat sich auch Yakin seine ersten Tage ganz anders vorgestellt. «Es war schon ziemlich chaotisch», hat Torhüter Yann Sommer dazu zwischen den beiden Spielen festgehalten. Kaum ein Tag verging ohne Hiobsbotschaft. Yakin musste viele Ausfälle verkraften, Ausfälle von Schlüsselspielern. Zunächst die Ausfälle von Shaqiri, Embolo, Gavranovic, Mbabu wegen Verletzungen und mangelnder Fitness, dann der Corona-Schock um Granit Xhaka. Da erstaunt es kaum, wenn kaum Automatismen vorhanden sind. Gegen Italien liess sich das mit einer formidablen Willensleistung und Torhüter Sommer in Bestform noch kaschieren. Gegen Nordirland nicht mehr. Erstaunlich ist das nicht – aber ernüchternd eben doch. Gerade die Coronaerkrankung von Captain Xhaka wiegt unter diesem Gesichtspunkt doppelt schwer. Die Schweiz wäre in Nordirland so sehr auf seine Einfälle angewiesen gewesen wie kaum je – seine fehlende Impfbereitschaft hat das verhindert.

Seferovic, die schlimme Erinnerung und die Penalty-Phobie

Als wäre ihm die eigene Vergangenheit nochmals hochgekommen: Haris Seferovic scheitert vom Elfmeterpunkt.

Als wäre ihm die eigene Vergangenheit nochmals hochgekommen: Haris Seferovic scheitert vom Elfmeterpunkt.

Peter Morrison / AP

Etwas polemisch könnte man sagen: In sieben Jahren unter Vladimir Petkovic hat die Schweizer Nationalmannschaft drei Mal 0:0 gespielt – nun unter Murat Yakin in sieben Tagen bereits zweimal. Grund dafür sind auch die beiden verschossenen Penaltys, Jorginho scheiterte für Italien, Seferovic nun für die Schweiz.

Wobei Nordirland besonders für Seferovic kein gutes Pflaster zu sein scheint. Im November 2017 musste er in der WM-Barrage schlimme Pfiffe über sich ergehen lassen, weil er gegen die Nordiren so manche gute Chance vergab. Nun war sein Elfmeter so ohne Kraft und Überzeugung geschossen, als wären ihm die Szenen von damals nochmals hochgekommen. Zur Beruhigung von Seferovic: Er ist in guter Gesellschaft. Die Schweizer haben sich zu Spezialisten fürs Versagen vom Elfmeterpunkt entwickelt. Es war bereits der vierte in Serie aus dem Spiel heraus, der den Weg ins Tor nicht fand. Zuvor hiess der Sünder Rodriguez. Eine Ausnahme bildet ausgerechnet der EM-Achtelfinal gegen Frankreich, als im Penaltyschiessen alle fünf Schützen trafen. Sie kam wahrlich zur rechten Zeit.

Das wahrscheinlichste Szenario: Playoffs

Durchgang gesperrt! Steven Zuber kommt nicht an der grünen Wand vorbei.

Durchgang gesperrt! Steven Zuber kommt nicht an der grünen Wand vorbei.

Gian Ehrenzeller / KEYSTONE

Am vergangenen Donnerstag durften sich die Schweizer noch über Italiens Fehltritt gegen Bulgarien (1:1) freuen. Mit dem Remis der beiden Widersacher um den Gruppensieg konnten die Schweizer ebenfalls besser leben. Umso bitterer, dass sie nun den Vorteil wieder aus der Hand gegeben haben. Um doch noch Erster zu werden, muss die Schweiz am 12. November in Rom gegen den Europameister wohl gewinnen. Ausser Italien stolpert zum Schluss ebenfalls in Nordirland, dann würde ein Unentschieden in Italien und drei Siege in den Partien zu Hause gegen Nordirland (9. Oktober in Genf), in Litauen (12. Oktober) und zu Hause gegen Bulgarien (15. November in Luzern) reichen.

Das wahrscheinlichste Schweizer Szenario ist aber Rang 2 und damit die Playoffs. Diese sind mit einem neuen Modus gestaltet. Wer doch noch an die WM will, muss Halbfinal und Final gewinnen – ohne Rückspiele. Die sechs besten Zweiten der zehn Gruppen haben im Halbfinal Heimrecht. Zumindest diesbezüglich sähe es für die Schweiz aber gut aus.

Die Playoffs finden im März 2022 statt. Nun sollte es schnellstmöglich wieder gelingen, Tore zu schiessen. Und auch ein Penalty-Zertifikat für einige Spieler wäre von Vorteil. Es ist nicht auszuschliessen, dass auch die Reise nach Katar am seidenen Faden aus 11 Metern hängt.