
«Das ist ein Weckruf»: Pro Natura Aargau warnt wegen grossem Vogel- und Insektensterben
«Im Aargau sind viele Tier- und Pflanzenarten und Lebensräume akut vom Aussterben bedroht», sagt Matthias Betsche, Präsident Pro Natura Aargau. Umso wichtiger seien die beiden Volksinitiativen, die Schweizer Umweltverbände – unter ihnen auch Pro Natura – vergangene Woche auf nationaler Ebene lanciert und vorgestellt haben.
Die Biodiversitätsinitiative verlangt von Bund und Kantonen, die biologische Vielfalt in der Schweiz zu sichern und zu stärken. Die Landschaftsinitiative fordert strengere Regeln beim Bauen ausserhalb der Bauzone.
Der Natur in der Schweiz gehe es schlecht, argumentieren die Initianten. Pro Natura Aargau verweist in einer Mitteilung auf eine Studie aus Deutschland, die im Sommer 2017 publiziert wurde. Diese zeige, dass die Masse der Fluginsekten um 75 Prozent abgenommen habe. Es gebe drei Viertel weniger Käfer, Bienen und Schmetterlinge.
Das sei «ein Weckruf», sagt Betsche. «Wenn wir so weitermachen, werden im Kanton Aargau in den nächsten Jahrzehnten bis zu 40 Prozent unserer Insektenarten aussterben.» Und nicht nur die Insekten sind bedroht: Auch bei den Vögeln sei der Bestand in den letzten 25 Jahren «katastrophal eingebrochen», sagt Matthias Betsche.
Fast alle Feuchtgebiete verloren
Die Naturschutzorganisation kämpft im Aargau für mehr und grössere Schutzgebiete, in denen zum Beispiel Zauneidechsen und Schlingnattern einen Lebensraum finden. Genau da setzt die Biodiversitätsinitiative an.
Für den Aargau bedeute sie, dass «endlich die erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente zur Verfügung stehen würden, um die Biodiversität langfristig sicherzustellen», heisst es in der Mitteilung. «Es ist dringend Zeit, zu handeln», sagt Matthias Betsche. Der Wasserkanton Aargau habe bereits über 90 Prozent seiner Feuchtgebiete verloren.
Das zweite Problem neben den fehlenden Lebensräumen für bedrohte Tiere sei der «Siedlungsbrei». Der Kanton Aargau baue sich kaputt. «Davor hat mein Vorgänger schon in den 1980er-Jahren gewarnt», sagt Matthias Betsche. Es herrsche ein «regelrechter Bauboom im Nichtbaugebiet.
In der Schweiz habe die überbaute Fläche ausserhalb der Bauzonen zwischen 1985 und 2009 um über 186 km2 zugenommen. «Das ist mehr als die Flächen der Städte Basel, Bern, Genf und Zürich zusammen», sagt Betsche. Im Aargau verschwinde immer mehr Kulturland und Lebensraum für die Natur.
Immer mehr Masthallen
Die Landwirtschaft sei der Hauptgrund für diesen «Kulturlandverlust ausserhalb der Bauzonen», heisst es in der Mitteilung von Pro Natura Aargau. Auf ehemaligem Kulturland würden immer grössere Geflügelmasthallen oder Gewächshäuser entstehen. «Wir müssen dafür sorgen, dass der Kulturlandverlust nicht weiter zunimmt», findet Matthias Betsche.
Viele Regionen im Kanton hätten bereits ihr charakteristisches Aussehen verloren, weil «unkontrolliert und ohne Qualität» gebaut worden sei. Deshalb müsse das Nichtbaugebiet besser geschützt werden. Da setzt die Landschaftinitiative an. Ausserhalb der Bauzone soll die Zahl der Gebäude und die von diesen Gebäuden beanspruchte Fläche nicht weiter zunehmen dürfen. Neubauten müssten also durch den Abbruch anderer Gebäude kompensiert werden.
Mit der Landbauinitiative haben die Initianten auch die anstehende Revision des nationalen Raumplanungsgesetzes im Blick. Die geplanten Regeln zum Bauen ausserhalb der Bauzonen gehen den Naturschützern zu wenig weit.
Die Umweltverbände haben noch bis zum 26. September 2020 Zeit, um die nötigen Unterschriften zu sammeln. Damit es zu einer Volksabstimmung über die beiden Initiativen kommt, brauchen sie je 100 000 Unterschriften.