
Das ist nicht an den Haaren herbeigezogen: «Hair Impulsing»
Zufällig das bewusste Haareschneiden entwickelt
Mercury Yount wird als Begründer der Hair Balancing/Impulsing-Methode angesehen – man könnte diese auch als ganzheitliches Haareschneiden bezeichnen. Yount soll spontan und unbeabsichtigt zu seiner Berufung gekommen sein. Geboren am 13. Mai 1948, reiste er in den 70er-Jahren als Kunststudent durch Zentral- und Südamerika. Wegen seiner langen Haare durfte er eine Grenze nicht überqueren, so schnitt er sich die Haare kurzerhand ab. Seine Freunde sollen das Ergebnis für so gut befunden haben, dass sie ihn baten, ihnen die Haare zu schneiden. Innerhalb der nächsten zwei Monaten soll er zweihundert Menschen die Haare geschnitten haben. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass die Menschen hinterher fröhlicher und energiegeladener waren.
In den nächsten 20 Jahren studierte er die Gesetze, die das Haarwachstum beeinflussen. Ausserdem interessierte er sich für Akupunktur und östliche Medizin. Auch eine klassische Coiffeurausbildung gehörte dazu, wobei er die chemischen Haarbehandlungsmethoden nach der Ausbildung nicht mehr anwendete. Trotzdem wollte er herausfinden, was die klassischen Berufsleute beim Haareschneiden anders machten als er.
Yount verfeinerte fortlaufend seine Haarschneide-Technik, die er «Hair Balancing» nannte. Um die Auswirkungen zu demonstrieren, liess er an verschiedenen Universitäten wissenschaftliche Untersuchungen durchführen. Damit glaubte er beweisen zu können, dass Hair Balancing die Energiefelder beim Haareschneiden positiv beeinflusst. Yont wurde nur 42 Jahre alt; er starb 1990 in Peru. (pd/kpe)
Menschen haben Haare – die meisten jedenfalls. Einige mehr, andere weniger und wieder andere vor allem an den falschen Stellen. Unsere Haare sind das, was vom Pelz unserer Vorfahren übrig geblieben ist. Doch für Eveline Duss, Coiffeuse und Mitinhaberin von «Duss Coiffeur» in Rothrist, sind die Haare gar «Spiegelbild der Seele». Ob struppig, glänzend, mit oder ohne Wirbel: Laut Duss speichern die Haare ab, was wir erlebt haben.
Seit 2015 bietet sie im Untergeschoss ihres Coiffeurladens energetisches Haarschneiden an. Anders als bei einem klassischen Haarschnitt fallen die Haare danach viel weicher und die Linien fliessen ineinander. Obwohl das geschulte Auge optisch einen Unterschied bemerkt, ist die fachliche Arbeit beim energetischen Haareschneiden alles andere als schlecht: «Natürlich habe ich den Anspruch, meine Kunden mit einem guten Haarschnitt zu verabschieden», so Eveline Duss. Der lockere Fall der Haare entsteht durch verschiedene Faktoren. Einerseits spielt das Material eine grosse Rolle. Die beiden Bürsten, die vor mir auf dem Tisch liegen, bestehen aus natürlichen Materialien. Die eine hat mittellange Naturborsten mit einem Olivenholzkörper. Die andere präsentiert sich mit langen Olivenholzborsten. Nachdem ich meine Haare damit durchgebürstet und so für das Schneiden vorbereitet habe, fallen sie locker auf meine Schultern und sehen geschmeidig und glänzend aus. «Durch das Bürsten bringt man den Talg von der Kopfhaut bis in die Spitzen, was eine natürliche Pflege für die Haare ist», erklärt Duss. Nebst den Materialien spielt aber auch die Technik eine entscheidende Rolle. Die Haare werden beim Schneiden in definierten Winkeln von der Kopfhaut gehalten, sodass der natürliche Energiestrom nicht unterbrochen wird. Ausserdem schneidet Eveline Duss meine Haare in einem Fluss, sodass sich die Spitzen ständig berühren. Als Laie merke ich beim Schneiden keinen Unterschied zum klassischen Coiffeurbesuch. Was aber deutlich auffällt: Es ist still.
Ruhig und ohne Spiegel zum inneren Sein
Während der Wortschwall im klassischen Coiffeurladen meistens kein Ende nimmt, ist es beim energetischen Schneiden ruhig. Abgesehen vom beruhigenden Klang von Wasser, der auf meinen Wunsch aus einer kleinen Musikbox strömt, höre ich nichts. «Ich dränge mich nicht auf. Wenn die Kunden reden möchten, dann dürfen sie das gerne signalisieren», so die 53-Jährige. Was neben dem Small-Talk auch fehlt, ist der Spiegel. «Man kann sich während des Haareschneidens ganz auf sich konzentrieren, ohne dabei ständig in den Spiegel zu schauen», meint die Coiffeuse. Als Ausblick dient im Untergeschoss ein grosses Fenster, vor dem Eveline Duss ein paar grosse Topfpflanzen platziert hat.
In den eineinhalb bis zwei Stunden werden die Haare zuerst trocken und anschliessend noch einmal im nassen Zustand geschnitten. Die Haare werden liegend gewaschen, der Hinterkopf liegt auf und der Nacken ist frei. Somit werden die Halswirbelsäule und die Nervenbahnen geschont. Mit einem ansprechenden Duft, den ich selber auswähle, folgt eine Kopfmassage. Eveline Duss lässt ein letztes Mal ihren fachmännischen Blick über die nassen Haare schweifen und optimiert den Haarschnitt. Eine Stunde bei Eveline Duss kostet 90 Franken, jede weiteren zehn Minuten 15 Franken.
In ihren späten 30ern hat sich Eveline Duss vermehrt für das Spirituelle interessiert. Das energetische Haareschneiden konnte sie optimal mit ihrem Beruf als Coiffeuse verbinden. Die Ausbildung dazu dauerte fünf Tage. In ihren Räumen bietet sie von klassischer Massage über Breuss bis Fussreflex und andere energetische Therapien an. Apropos Therapie: In welche Sparte gehört das energetische Haareschneiden? Ist es Therapie, Wellness – oder doch etwas ganz anderes? Eveline Duss hat eine Antwort bereit: «Es ist spirituelle Wellness zur Förderung der psychischen Stabilität.» Sie möchte nach eigenen Angaben nicht mehr daraus machen, als das, was es schliesslich ist. Auf jeden Fall ist es für sie mehr als das Überbleibsel des Pelzes unserer Vorfahren.
SERIE
Alternativmedizin ist ein Begriff, dem lange Zeit viele Menschen skeptisch gegenüberstanden. Dabei können alternative Heilmethoden durchaus Wirkung zeigen. Wie breit sich der Markt mittlerweile präsentiert, beweist die Serie
«Alternative Therapiemöglichkeiten». Dabei stellt sich Redaktorin Katrin Petkovic den bekannteren Methoden wie Kinesiologie oder Ayurveda. Sie versucht sich aber auch in einer weniger geläufigen Therapie, nämlich dem Hair Impulsing.