Das Licht der Bildschirme lässt uns schneller altern

Egal, ob in Smartphones, Lampen, Werbetafeln oder Scheinwerfern: Led-Leuchten sind mittlerweile aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch bestimmte LED-Formen können den Augen und unserem ganzen Organismus schaden, warnen nun Wissenschafter aus Frankreich und den USA. Eine aktuellen Untersuchung der Oregon State University brachte kürzlich zu Tage, dass sogenanntes blaues Licht unsere Lebenserwartung senken kann. Eine längere Exposition gegenüber blauem Licht, wie es beispielsweise von Smartphone und Computer ausgeht, könne selbst dann die Lebenserwartung beeinträchtigen, wenn es nicht direkt in die Augen leuchte, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift «Aging and Mechanisms of Disease.»

Fliegen altern unter blauem Licht deutlich schneller

Die Forschenden untersuchten, wie Fliegen reagieren, wenn man sie tägliche zwölf Stunden blauem LED-Licht aussetzt. Dieses Licht ähnelt der vorherrschenden blauen Wellenlänge in Geräten wie Handys und Tablets. Das Team um Systembiologie Jaga Giebultowicz stellte fest, dass das blaue Licht die Alterung der Fliegen beschleunigt. Die Tiere waren auch in ihrer Fortbewegung beeinträchtigt und zeigten Schäden an ihren Netzhautzellen und Neuronen. Einige der Fliegen im Experiment waren Mutanten, die keine Augen entwickelten. Selbst diese augenlosen Fliegen zeigten Hirnschäden und Bewegungseinschränkungen. Die Wissenschafter folgern daraus, dass die Fliegen das Licht nicht sehen müssen, um von ihm geschädigt zu werden.

Französische Gesundheitsbehörde warnt

Unabhängig von den Resultaten der Fliegen-Studie warnt auch die französische Gesundheits- und Sicherheitsbehörde ANSES vor bestimmten Formen des LED-Licht. Insbesondere die grell-weiss strahlenden Auto-, Fahrrad- und Taschenlampen und auch die Beleuchtung einiger Spielzeuge seien ein ernsthaftes Problem. Denn sie haben, wie Augenärztin und Gutachterin Francine Behar-Cohen warnt, «ein hohes phototoxisches Potenzial». Sie können also oxidative Prozesse in der Augennetzhaut in Gang setzen und zu irreparablen Schäden an Sehzellen führen. Ein typisches und berüchtigtes Beispiel für solche Prozesse ist die Makuladegeneration, die für knapp ein Drittel aller Neuerblindungen zuständig ist.

Kinder können das Licht noch schlechter filtern

Bis heute sei zwar, wie die französischen Experten ausführen, nicht klar, wie viel Blaulicht nötig ist, um der Netzhaut tatsächlich zu schaden. Doch sie fordern trotzdem – als präventive Massnahme – eine Absenkung der vorherrschenden Grenzwerte für die LED-Maximalbelastung. Dies sei gerade im Hinblick auf Kinder und Jugendliche nötig, deren Augen das Blaulicht noch schlechter filtern könnten als die der Erwachsenen. Ausserdem sollten nur noch warm strahlende LED-Leuchten verkauft und die Leuchtkraft der Autoscheinwerfer reduziert werden.

Experimente an Ratten

Auch die französischen Experten können ihre Mahnung erst mit Tierexperimente untermauern. Wie etwa ein Experiment an Ratten, deren Netzhaut deutlich mehr Schaden nahm, wenn sie bei einer Intensität von 500 Lux mit LED statt mit Glühbirne oder Leuchtstoffröhre bestrahlt wurde.

Doch ansonsten ist die Beweislage eher dünn. Was aber, wie Richard Funk von der Technische Universität Dresden betont, nichts an dem präventiven Sinn der Warnungen aus Frankreich ändert. «Denn die meisten Menschen haben vergessen, wie extrem empfindlich ihr optisches Wahrnehmungssystem ist», sagt der Mediziner und Zellbiologe. «Da kann ein Weckruf nicht schaden.»

Nachts sind unsere Augen viel empfindlicher

Und dazu gehöre auch, vor der Blaulichtbelastung durch LED zu warnen. Deren besonderes Problem besteht nämlich nicht nur darin, dass sie Gewebeschäden in der Netzhaut provozieren können. «LEDs kommen ja auch in erster Linie nachts zum Einsatz, also in einer Zeit, in der unsere Augen auf Dunkelheit eingestellt sind und um ein Zigfaches empfindlicher auf Licht reagieren», so Funk. Was ja jeder aus eigener Erfahrung kennt: Scheinwerfer, die tagsüber kaum auffallen, können bei Nacht geradezu in den Augen wehtun. Der Grund: Es wird mehr Licht als tagsüber zur Netzhaut durchgelassen. Und darin liegt ein zusätzliches Risiko der LED-Beleuchtung. Wer nachts noch am Tablet chattet oder über grell ausgeleuchtete Autobahnen fährt, setzt sich nicht nur verstärkt dem Blaulicht der LEDs aus; er lässt es auch auf Augen treffen, die auf diese Belastung nicht eingestellt sind.

Auch ältere Menschen sind gefährdet

Wobei das Risiko laut Funk nicht nur Kinder und Jugendliche betrifft, deren Hornhaut und Linse besonders durchlässig für hochfrequente Lichtstrahlen sind. Ältere Erwachsene haben dafür ein anderes Problem. Ihre Linsen und Hornhaut lassen zwar nicht mehr so viel durch, doch dafür befinden sich in ihrer Netzhaut und unmittelbar darunter pigmentähnliche Substanzen, die so genannten Lipofuszine. «Sie können zusätzlich freie Radikale freisetzen und oxidative Prozesse anstossen», betont Funk. Die Warnung vor grellem LED mit seinem hohen Blaulichtanteil gilt also schwerpunktmässig nicht nur für jüngere, sondern auch für ältere Menschen.

 
Die innere Uhr gerät durch LED-Licht aus dem Takt

Was Menschen aller Altersschichten betrifft, ist der LED-Einfluss auf unsere innere Uhr. Dies weil Blaulicht die Ausschüttung von Melatonin unterdrückt, dem hormonellen Taktgeber für den Tag-Nacht-Rhythmus. Normalerweise steigt seine Konzentration in der Nacht um das Zehnfache an, doch unter Blaulicht verläuft dieser Anstieg deutlich flacher. Wer sich also vor der Nachtruhe in einem LED-ausgeleuchteten Badezimmer aufhält oder noch eine Runde an der hektisch flackernden Spielkonsole zockt, wird hormonell weniger in den Schlafmodus versetzt. Mit der möglichen Folge, dass die Schlafqualität abnimmt, was wiederum das Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. «Ausserdem ist Melatonin ein wichtiges Hormon für die Zellregeneration», betont Funk. Und das gelte auch für die Netzhaut. Blaulicht greift die dortigen Zellen also nicht nur direkt an, sondern auch indirekt, indem es deren Regeneration einschränkt.

Eigenes Verhalten ändern und wärmeres Licht installieren

Gründe genug also, diesen Lichtanteil gerade abends und nachts möglichst gering zu halten. «Die Beleuchtungs-Industrie hat bereits diverse LED-Produkte im Angebot, die ein wärmeres Licht produzieren und dadurch weniger problematisch sind», betont Funk. «Doch man muss sie natürlich auch kaufen und nicht die preiswerteren, aber dafür grelleren Alternativen im Haus installieren.» Auch Autoschweinwerfer sind mittlerweile oft so eingestellt, dass sie nicht mehr direkt ins Gesichtsfeld der anderen Verkehrsteilnehmer strahlen, und der LED-Hintergrund der meisten Smartphones, Tablets und Laptops lässt sich mittlerweile abschalten. Ein weiteres Hilfsmittel, das Funk – nach jahrelanger LED-Komplettverweigerung – auch im eigenen Badezimmer zuhause installiert hat: Eine Vorrichtung zum Dimmen. Denn in der Regel sei eine gedimmte LED-Lampe immer noch hell genug, so der Mediziner, um alles Notwendige zu sehen.

Ganz zu schweigen davon, dass man im fortgeschrittenen Alter vielleicht auch gar nicht mehr alle Details der Abendtoilette sehen will.