Das Pflichtlager der Eidgenossen steht unter anderem in Olten

«Kluger Rat – Notvorrat» war eine bekannte Parole der Nachkriegszeit. Dabei hatten die Schweizer Sicherheitsverantwortlichen vor allem die Gefahr eines Atomkriegs während des Kalten Krieges im Blick.

In Zeiten der Corona-Pandemie manifestiert sich die Gefahr in Form von Hamstereinkäufen und leeren Regalen bei den Detailhändlern.

Dieses Verhalten bringt nichts

In den letzten Wochen wurde bereits viel darüber geschrieben, dass dieses Verhalten, seine eigenen Vorräte aufzustocken, im aktuellen Kontext nichts nützt. Die Lebensmittelversorgung ist gesichert; die Lagerbestände der grossen Detailhändler Migros, Coop, Aldi oder Lidl sind weiterhin genügend gross, um die Schweizer Bevölkerung zu ernähren.

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Das As im Ärmel des Bundes

Und selbst, wenn plötzlich diese Versorgungskette abbrechen sollte, hat der Bund noch ein As im Ärmel: die Réservesuisse, eine privatwirtschaftliche Genossenschaft, die im Auftrag des Bundesrats Pflichtlager an notwendigen Rohstoffen für die Herstellung von Lebensmitteln hält.

Ein Oltner wacht über Getreidereserven

Heinz Eng, Oltner FDP-Gemeindeparlamentarier, ist deren stellvertretender Vorsitzender und der Bereichsleiter für die Pflichtlager Getreide. Er gibt sich beruhigend: «Im Moment ist alles im grünen Bereich, was die Ernährungsversorgung betrifft.» Die Genossenschaft Réservesuisse hat nämlich Vorrat an Zucker, Getreide, Reis oder Speiseöle- und fette für mehrere Monate auf Lager.

 

Die gesetzliche Grundlage dazu steht im Landesversorgungsgesetz und in mehreren Verordnungen, die das Halten von Pflichtlagern an die Genossenschaft abgeben. Diese wird von mehreren Unternehmen gebildet, die sich verpflichten, eine gewisse Menge an den oben genannten Produkten zu lagern. Eingebunden in die Pflichtlager ist auch das Silo Olten im Industriegebiet.

Heinz Eng, FDP-Stadtparlamentarier Olten und Leiter bei réservesuisse

Heinz Eng, FDP-Stadtparlamentarier Olten und Leiter bei réservesuisse

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Es hat einen Notvorrat von 3600 Tonnen an Getreide, hat aber einen Gesamtbestand an Getreide von 20’000 Tonnen. Das Silo hat ein Bahnanschlussgeleis für Ein- und Auslagerungen. Ein eigenes Rangierfahrzeug garantiert die tägliche Zustellung und den Abzug der Silowagen. Die Be- und Entladeleistung beträgt dabei bis zu 100 Tonnen pro Stunde.

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© Bruno Kissling

Im Moment noch kein Bedarf an Reserven

Darüber hinaus kontrolliert die Réservesuisse die Einfuhr der versorgungsrelevanten Waren in die Schweiz: «Jegliches Importieren von Zucker, Kaffee oder Getreide, das 20 Kilogramm übersteigt, bedarf einer Einfuhrbewilligung», erklärt Eng. Diese ist kostenpflichtig: Anhand dieser Garantiefondbeiträge finanziert sich die Genossenschaft. «Die meisten Schweizer sind im Unwissen darüber, dass der Bund durch uns faktisch eine Lebensmittelversicherung für die Bevölkerung gewährleistet», sagt Eng.

Der Alltag läuft noch ganz normal

In Zeiten der Corona-Pandemie arbeitet er im Homeoffice, wie viele andere auch, bleibt im Kontakt mit seinen Arbeitskolleginnen und -kollegen über Mail, Telefon und Videochats. Ansonsten hat sich jedoch sein Alltag kaum verändert: «Wir sind täglich mit dem Bundesamt für wirtschaftliche Landesvorsorge in Kontakt. Sollte es notwendig werden, gewisse Güter aus den Pflichtlagern freizugeben, dann würden wir benachrichtigt werden.

Aber im Moment läuft der internationale Warentransport von Lebensmitteln normal.» Also besteht noch kein Bedarf, auf die Lagervorräte zurückzugreifen. «Falls die Krise weitergeht und der Rheinverkehr oder Lastwagentransport in Europa eingeschränkt werden, ist es schon so, dass wir uns Fragen stellen müssen», sagt Eng.

Im Moment herrsche zwar kein Grund zur Sorge, aber das gesamte System sei fragil. «Die Vorräte halten nicht ewig.» Darüber hinaus müsse der Warentransport nach wie vor möglich sein. Am wichtigsten sei die Stromversorgung. «Ohne Strom kann man kein Kilo Mehl verarbeiten.» Den Titel von Retter im Schatten weist Heinz Eng von sich ab. «Wir erfüllen den Job, für den wir angestellt sind. Das machen wir völlig emotionslos.»

Zum Schluss: Warum Kaffee noch im Pflichtlager vorhanden ist:

Interessanterweise lagert Réservesuisse auch 17’000 Tonnen Kaffee. Letztes Jahr wollte der Bundesrat diese Reserven loswerden und auf eine Pflichtlagerung von Kaffeebohnen verzichten. Die Genossenschaft und die Kaffeebranche haben sich aber erfolgreich dagegen gewehrt. Die Kaffeebranche hat insbesondere hervorgehoben, dass sie komplett vom Import abhängig sei und Lieferungsengpässe niemals auszuschliessen seien.