
Den Arsch mit Hirn auf Eis gelegt
«Merken Sie sich: Der Mensch kann nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Arsch denken», mahnt Dr. Charles Lewinsky in der Kleinen Bühne Zofingen das Publikum. Die Grundfrage lautet: Wie kann der Mensch gleichzeitig so klug und sackblöd sein? Gemeinsam mit seinen weiss gekittelten Assistenten Judith Stadlin und Michael van Orsouw geht er diesem brandaktuellen Phänomen mit ins Satirische übersteigertem Furor nach. Schenkelklopfenden Humor und Bauchpinseleien garantiert er mit dieser Übungsanlage nicht. Dafür liefert er scharf gepfefferten Witz und Selbsterkenntnis.
IQ versus AQ
Eines ist unbestreitbar: Dem Intelligenzquotienten (IQ) steht ein Arschlochizitätsquotient (AQ) gegenüber. Der IQ beurteilt im Wahlkampf die Argumente der Kandidaten. Der AQ taxiert – mit leidlich ausgeprägter Differenzierungsfähigkeit – deren Frisur. Wenig überraschend: Mit Dummheit steht der AQ nicht im Bunde. Jeder Mensch ist mit beidem in unterschiedlichster Ausprägung gesegnet. Doof, aber lieb sind jene mit niedrigem IQ und AQ. Während niedriger IQ kombiniert mit hohem AQ gerne kahlrasiert fremdenfeindliche Parolen schmettert. Hoher IQ vereint mit niedrigem AQ wird nicht geliebt und im besten Fall posthum geehrt. Weit verbreitet sind mittlere Ausprägungen auf beiden Skalen.
«Alle Arschlöcher bitte aufstehen!», ruft Charles Lewinski ins Publikum. Er zählt zwei Personen. Kolossal in die Falle gegangen. «Menschen mit hohem Arschlochquotienten definieren sich dadurch, dass sie den keinesfalls haben.» Was die drei Wissenschaftler in ärztlicher Montur dazu animiert, sich dem Thema eingehender zu widmen. Munter schieben sie sich gegenseitig den Ball zu, halten ihn selten flach und zielen oft ins hohe Eck. Lewinsky macht den Taktgeber, van Orsouw gibt den zwar kleinkarierten, aber zu hoher Arschlochizität neigenden überklugen Assistenten. Judith Stadlin mimt die naive, dafür an verständlichen Aussagen orientierte Spurensucherin. Besonders die zwei Männerrollen sind gespickt mit Selbstironie. Dass der AQ-Detektor nicht nur im Publikum, sondern auch auf der Bühne fündig wird, ist selbstredend.
Arschlöcher in der Mehrheit
Die Arschlöcher haben immer wieder Mehrheit. Und zwar über alle Zeiten hinweg. Schon von jeher hat der Mensch alles dafür getan, um sich das Denken zu ersparen. Ist ein kleiner, exklusiver Verein mit geringer Arschlochizität bestückt, so wird er mit wachsender Grösse alsbald vom AQ in Besitz genommen.
Wie präsent IQ und AQ gleichzeitig sein können, zeigt das Beispiel des moralisch fundierten aktiven Mitgliedes der Friedensbewegung und Veganers, der im Auto zum Arschloch mutiert. Oder auch die pädagogisch vorbildliche Mutter, die sich am Aktionswühltisch zum arschlochmässig ausgewachsenen Hamsterbiest wandelt.
Prävention tut not. Zum Beispiel in Form eines nützlichen Kriterienrasters. Erstens ist für Arschlöcher alles einfach. Dem AQ ist alles klar, während der nachdenkende IQ noch Zweifel hat. Zweitens gefällt Arschlöchern die Kopie, mag sie auch noch so abgeschmackt sein, besser als das Original. Sie können beide auch gar nicht voneinander unterscheiden. Drittens definieren sich AQ-Gesegnete durch Äusserlichkeiten wie Kleidung, materiellen Status, Gruppenzugehörigkeit und nicht durch ihr Denken, Empfinden und Handeln. Viertens lieben Arschlöcher die Regeln um ihrer selbst willen, nicht weil sie Sinn machen. Hauptsache, alles bleibt so wie immer. Fünftens glauben Arschlöcher mit der Kunst des Umwortens Schwächen schönreden zu können. Finanzielle Kontaktpflege klingt zwar nett, bleibt aber Bestechung. Sechstens neigen Arschlöcher zu stark selektiver Wahrnehmung. Was sie nicht sehen wollen, Beispiel Klimawandel, sehen sie nicht. Siebtens: Errare humanum est. So hat sich der Sektenguru nicht über den Zeitpunkt des angekündigten Weltuntergangs getäuscht. Er hat ihn in letzter Minute verhindert.
Die mit zahlreichen Beispielen ausstaffierten wissenschaftlichen Erörterungen treffen ins Herz der Materie. Was das Publikum auch lebhaft goutiert. Die träfen Analysen rücken der Plumpheit zuleibe, ohne dieser selber zu verfallen. Auch wenn der Drang zur Triebabfuhr übers Ganze gesehen zu gross und das Denken zu anstrengend bleibt: Man möchte nach diesem Abend das Hirn gerne wieder öfter in die Pflicht nehmen.