
Der grosse Vergleich: In welchem Land ist Fernsehen günstiger als in der Schweiz?

Grossbritannien: Mit Sherlock auf der Jagd nach Gebührenzahlern
Für die kommenden knapp zehn Jahre ist die Finanzierung der BBC auf jeden Fall gesichert: Die rund alle zehn Jahre erneuerte königliche Charta gilt bis Ende 2027. Der berühmteste öffentlichrechtliche Sender der Welt darf von den Briten jährlich 147 Pfund (192 Franken) eintreiben; dafür darf man auf unbegrenzt vielen Farb-TVs und Computern Hits wie «Sherlock» oder «East Enders» sehen.
Wer sich bis heute mit einem Schwarz-Weiss-Gerät begnügt, zahlt etwa ein Drittel; reine Radiohörer kommen kostenlos davon. Verweigerer der TV-Gebühr werden streng verfolgt: Der Sender schickt eine Privatfirma mit Peilsendern durch die Städte, um illegale Fernseher zu orten. Die Maximalstrafe beträgt 1000 Pfund (1330 Franken), einige besonders Hartnäckige wandern jeweils für einige Tage ins Kittchen.
96 Prozent der Briten nutzen jede Woche mindestens ein Angebot des Senders, durchschnittlich konsumiert jeder Brite sogar fast drei Stunden täglich Öffentlich-Rechtliches online, per TV oder Radio. Mit dem Jahresetat von zuletzt rund 4,9 Mrd Franken finanziert der Mediengigant drei nationale sowie eine Vielzahl regionaler Fernsehund Rundfunkprogramme.
Während der Verhandlungen über die derzeit laufende Charta zwang die konservative Regierung dem «Tantchen Beeb», so die liebevolle Bezeichnung des Senders im Volksmund, eine erhebliche Einsparung auf, die im Lauf der Jahre immer grösser zu werden verspricht. Zukünftig erhält der Sender keinen Ausgleich mehr dafür, dass die Regierung allen Briten über 75 Jahre die Rundfunkgebühr erlässt – und die werden auch auf der Insel immer mehr
Frankreich: Regelmässig steigen die Abgaben
Die Franzosen hängen an ihrem Service public – sie erheben sogar den Anspruch, dieses Konzept erfunden zu haben. Dazu gehört auch das öffentliche Rundfunkangebot und die entsprechende Rundfunkabgabe, «contribution à l’audiovisuel public» genannt. Sie beträgt jährlich 138 Euro, umgerechnet 160 Franken. Das ist nur knapp ein Drittel des Schweizer Betrags. Dafür wird sie von 15 Millionen Haushalten entrichtet. Sie bringt etwa zwei Milliarden Euro ein.
Nutzniesser sind die öffentlich-rechtlichen Anstalten France Télévisions (mit den Sendern France 2, 3, 4, 5 und Ô) und Radio France (mit den Sendern France-Inter, Franceinfo, France Culture, France Musiques); dazu kommt der deutsch-französische Kanal Arte. Die Auslagen all dieser Programme werden zu drei Vierteln von dieser Rundfunkabgabe abgedeckt; der Rest stammt aus Werbung und Staatsbeiträgen. Erhoben wird die Gebühr zusammen mit der französischen Wohnsteuer, auf einem Formular, dass alle Einwohner Frankreichs automatisch erhalten.
Das heisst aber nicht, dass diese Abgabe unumstritten wäre. Die Debatte über ihren Sinn wogt immer wieder hoch. Die Rechte übt seit Jahren Kritik an der politischen Schlagseite der öffentlichrechtlichen Sender. Dazu wirft sie ihnen vor, sie verwässerten ihren Service-public-Auftrag durch das Schielen auf den kommerziellen Erfolg und bringe billige Unterhaltungssendungen und ActionSpielfilme. Vor allem zur Hauptsendzeit ist das Niveau der privaten und staatlichen Sender in der Tat vergleichbar.
Um eine klare Trennung zu erwirken, privatisierte Premierminister Jacques Chirac den grössten französischen Sender TF1 im Jahre 1987. Nach diesem Bigbang in der französischen TV-Landschaft schaffte der ebenfalls konservative Nachfolger Nicolas Sarkozy 2009 auf den öffentlich-rechtlichen Sendern ab. Das hat vor allem France 2 und die Regionalsender France 3 hart getroffen. Als Kompensation wurden die Internet-Provider stärker besteuert.
Die Rundfunkabgabe steigt trotzdem regelmässig. Und damit auch die Kritik daran. Sie abzuschaffen, ist aber in der von Präsident Emmanuel Macron initiierten Reform des audiovisuellen Systems Frankreichs nicht vorgesehen. Die Vorlage dürfte in den nächsten Wochen präsentiert werden. Generell leben die Franzosen derzeit ganz gut mit dem Gleichgewicht aus Privat- und Staatssendern.
Deutschland: Kritik an der Unabhängigkeit
Die gebührenfinanzierten TV- und Radioanstalten in Deutschland – darunter ARD, ZDF und Deutschlandradio – stehen von verschiedenen Seiten unter Druck. So fordert die neu im Bundestag vertretene Alternative für Deutschland (AfD) die Abschaffung der Rundfunkgebühr, die FDP macht sich für preisliche Anpassungen stark.
Zuletzt wuchs die Kritik an der Unabhängigkeit der gebührenfinanzierten Anstalten: So wurde ARD und Co seitens einer unabhängigen Studie etwa in der Flüchtlingskrise eine zu regierungsnahe Berichterstattung attestiert. Die «Staatsmedien»-Kritik kam zuvor vor allem aus dem rechtsnationalen Lager laut («Lügenpresse»). Der Vorwurf der Staatsnähe hängt auch mit der Zusammensetzung der Aufsichtsratsgremien der Anstalten zusammen. Knapp ein Drittel der Aufsichtsräte wird von der Politik gestellt, darunter Bundes- und Landesregierungen.
Unzufrieden sind derzeit auch die Zeitungsverleger, nachdem der öffentlich-rechtliche Rundfunk angekündigt hatte, sein Angebot an Textjournalismus im Internet auszubauen. Zeitungsverleger warnen vor einem drohenden «Monopol». Umso überraschender kam der Vorschlag des neuen ARDVorsitzenden Ulrich Wilhelm vor wenigen Tagen, der sich für mehr Rundfunkbeiträge für ARD, ZDF und Co. stark ausgesprochen hatte. Obwohl das Angebot an Sendungen ausgebaut worden sei, würden die Nutzer in Deutschland inflationsbereinigt nicht mehr Gebühren zahlen als vor zehn Jahren, war seine Begründung.
Belgien: Steuer statt Gebühren
Mehrsprachigkeit, Bevölkerungszahl, einstrahlende Angebote aus den Nachbarländer – Belgien lässt sich in Sachen Medienlandschaft relativ gut mit der Schweiz vergleichen. Im Gegensatz zur SRG ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Königreich Belgien jedoch nicht zentral organisiert. Die französischsprachige Wallonie, das niederländisch sprechende Flandern sowie die deutschsprachige Gemeinschaft in Ostbelgien verfügen über ihre eigenen Rundfunk-Einrichtungen. Gesamthaft kommen sie auf ein Budget von rund 800 Millionen Euro.
In einer Vereinbarung mit der jeweiligen Regionalregierung wird der Leistungsauftrag festgehalten. Die Aufsichtsräte sind nach Parteien-Proporz besetzt. Die RTBF («Radio-télévision belge de la communauté française) im frankophonen Teil betreibt wie sein flämisches Pendant VRT («Vlaamse Radio- en Televisieomroep») drei TV-Sender und fünf Radio-Programme. Der BRF («Belgischer Rundfunk») strahlt für die rund 75000 deutschsprachigen Belgier zwei Hörfunkund ein Mini-TV-Programm aus.
Sowohl in Flandern wie auch in der Wallonie wurden die Gebühren abgeschafft und die Finanzierung über die Einkommenssteuer sichergestellt. Der BRF finanziert sich zu 70, der VRT zu 65 Prozent durch öffentliche Beiträge, wobei es Letzterem verboten ist, im TV Werbung zu senden. In Flandern sind die öffentlich-rechtlichen Sender mit über 50 Prozent klare Marktführer. In der Wallonie verfügen die drei RTBF-Kanäle zwar mit gesamthaft über 30 Prozent über eine solide Position, werden aber von den einstrahlenden Angeboten aus Frankreich (TV1, France2, France2) konkurrenziert.
Mit Abstand am meisten geschaut wird allerdings das französischsprachige Programm des Luxemburger TV-Senders RTL. Die ins Ausland abfliessenden Werbegelder sind Gegenstand einer intensiv geführten Debatte. Über die grundsätzliche Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird hingegen nicht gestritten. Die Belgier seien «mehr oder weniger» zufrieden mit ihrem öffentlichen TV- und Radioangebot und betrachten es als Service public, meint Alain Kniebs, ehemaliger BRF-Journalist. Anders sehe es wohl aus, wenn die Finanzierung wieder separat über Gebühren getätigt und damit sichtbar würde, was die Sender die Bürger im einzeln kosten. «Dann würde die Akzeptanz sicher sinken», so Kniebs.
Italien: Wer nicht zahlt, dem wird der Strom abgstellt
Neuerdings will ihn nun auch Ex-Premier und PD-Chef Matteo Renzi abschaffen: den «canone RAI», die jährliche Gebühr für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Dabei war es Renzi gewesen, der vor zwei Jahren dafür gesorgt hatte, dass die Italiener die Gebühr für den Staatssender auch wirklich entrichten müssen: Er hatte im Staatshaushaltsgesetz 2016 einen Passus untergebracht, wonach der «canone RAI» künftig nicht mehr per Einzahlungsschein, sondern mit der Stromrechnung bezahlt wird. Wer die TV-Gebühr schuldig bleibt, dem wird seither nicht nur der Fernseher, sondern gleich die ganze Stromversorgung abgestellt.
Dass Renzi den «canone RAI» nun infrage stellt, hat damit zu tun, dass am 4. März Parlamentswahlen anstehen. Die Fernsehgebühr ist die meistgehasste Steuer im Belpaese: Laut einer Studie sieht jeder zweite Italiener nicht ein, warum er sie bezahlen soll. Entsprechend hoch war bis 2015 der Anteil jener, welche die Gebühr nicht bezahlten: im Landesdurchschnitt 30 Prozent, im Süden über 50 Prozent. Dank Renzis listiger Bestimmung konnte die Hinterziehungsrate 2016 auf 4 Prozent gesenkt werden. Die Einnahmen schossen in die Höhe, obwohl Renzi die Gebühr gleichzeitig von 100 auf 90 Euro gesenkt hatte.
Von den gut 2 Milliarden Euro, die der «canone RAI» nun jährlich einbringt, gehen 1,6 Milliarden an den Sender, der Rest fliesst in Form von Mehrwert- und anderen Steuern in die allgemeine Staatskasse. Die 1,6 Milliarden Euro decken gut 60 Prozent der Budgets des Staatssenders, das sich auf 2,6 Milliarden Euro beläuft. An Werbeeinnahmen kommen weitere 700 Millionen Euro (27 Prozent) dazu; die restlichen Einnahmen bestehen im Wesentlichen aus Erträgen aus dem Verkauf und dem Verleih von Eigenproduktionen.
Die Fernsehgebühr für die RAI ist zwar im Volk unbeliebt, doch die private Konkurrenz – allen voran der Mediaset-Konzern von Ex-Premier Silvio Berlusconi, aber auch das in Italien gut etablierte Network von Sky – hält sich mit Kritik zurück. Mit gutem Grund: Weil der Staatssender als einziger Gebühren kassieren darf, unterliegt er im Gegenzug engen Beschränkungen bei der Werbezeit. Würde die Gebühr abgeschafft, dann müsste bei RAI logischerweise auch das Werbekorsett gelockert werden – was nicht im Interesse von Mediaset und Sky wäre.
Österreich: Abgaben sind nicht überall gleich hoch
Der Föderalismus in Österreich versteckt sich gern in unzugänglichen Höhlen – wie die Rundfunkgebühren: Für Radio und Fernsehen zahlt jeder Haushalt, der über ein Endgerät verfügt, von Bundesland zu Bundesland zwischen 20,93 Euro und 26,33 Euro. Typisch österreichisch ist auch, dass nur rund zwei Drittel davon dem eigentlichen Zweck zugutekommen, der öffentlich-rechtlichen Anstalt nämlich. Den Rest holen sich Bund und Land. Übrig bleiben für die drei Rundfunk- und die drei TV-Programme pro Haushalt nur gut 17 Euro, etwa halb so viel wie in der Schweiz, wo die allgemeinen Lebenshaltungskosten aber auch um mehr als die Hälfte höher sind.
Was ihm fehlt, besorgt sich der ORF durch Werbung: 43 Minuten pro Tag und zu jeder Tageszeit darf jeder Sender Reklame zeigen. Zwar ist dem ORF nicht gestattet, einen Film mit einem Werbeblock zu unterbrechen. Serien aber lassen sich so konzipieren, dass Spots ihren Platz haben. Die offene Regelung verdriesst die Privatsender: Sie kritisieren, die reichen ÖffentlichRechtlichen kauften den Markt leer. Tatsächlich ist etwa das populäre Programm des Rundfunksenders Ö3 in Sachen Werbung, aufgesetzter Munterkeit und Musikauswahl von einem Privatradio kaum zu unterscheiden.
Die liberale Oppositionspartei Neos will die Konkurrenz mit den Privaten beenden und den Bildungsauftrag des ORF zu stärken – also ein anspruchsvolleres Programm. Erreicht werden soll das Ziel mit der Abschaffung der Rundfunkgebühr und einer Direktfinanzierung aus dem Bundeshaushalt. So könne «parteipolitischer Einfluss zurückgedrängt» werden.
Die rechte FPÖ, die bisher die Verkleinerung des ORF und eine Gebührensenkung gefordert hatte, hat das Thema mit ihrem Regierungseintritt im Dezember fallen lassen. Stattdessen redigierte sie ins Regierungsprogramm die «Verschärfung» der Bestimmungen «zur Sicherung einer objektiven und unabhängigen Berichterstattung». Solange Regierungsparteien sich auf ihn verlassen können, so scheint es, droht dem ORF auch in Zukunft keine Gefahr.
von Sebastian Borger (London), Stefan Brändle (Paris), Christoph Reichmuth (Berlin), Dominik Straub (Rom), Remo Hess (Brüssel) und Norbert Mappes-Niediek — Nordwestschweiz