
Der Hallwilersee hat diesen Sommer schon zu stark geschwitzt
Wer dieser Tage ein Hallwilersee-Schiff betritt, muss gut auf seine Füsse achten: Das Wasser liegt so tief, dass man beim Einsteigen einen Schritt nach unten, beim Aussteigen einen nach oben machen muss. Wer dagegen romantische Spaziergänge am Ufer mag, ist im Glück: Rund um den See werden Strände freigelegt, die normalerweise überflutet sind.
Obwohl der See gestern kurz geduscht wurde, fehlen zirka 30 Zentimeter zum Regelwasserstand. Die Oberfläche liegt nur auf 448,32 m.ü.M., gemessen bei der Schiffanlegestelle Delphin in Meisterschwanden.
«Abfluss für Aabach sehr gering»
Wie viel Wasser aus dem See in den Aabach fliesst, wird am Wehr beim Schloss Hallwyl gesteuert. Seit 2009 per Computer, vorher wurde das Wehr noch von Hand bedient. Fakt ist: Der Abfluss beträgt momentan nur zwei Drittel der normalen Menge. «Rund 650 Liter pro Sekunde sind es aktuell. Das ist für den Aabach sehr gering», erklärt Susette Burger von der kantonalen Abteilung Landschaft und Gewässer auf Anfrage. «Im Normalfall wird versucht, den Abfluss des Aabachs nicht unter 1000 Liter pro Sekunde fallen zu lassen.»
Das Ziel sei, das bestmögliche Gleichgewicht zwischen Seepegel und Abfluss zu finden. Ab wann müsste das Wehr denn ganz geschlossen werden? «Das Schliessen des Wehrs ist keine Option, da sonst das gesamte, sehr wertvolle Öko-System des Aabachs kollabieren würde», so Burger. Damit sich der Seespiegel normalisiert, bräuchte es tagelange, flächendeckende Regenfälle. Solche sind jedoch nicht in Sicht.
Stabile Sauerstoffkonzentration
Welche Auswirkungen der tiefe Pegel auf die Wasserqualität hat, sei schwer abzuschätzen, sagt Lukas De Ventura von der kantonalen Abteilung für Umwelt. «Vermutlich führen die fehlenden Niederschläge dazu, dass weniger Nährstoffe in den See eingeschwemmt werden.» Die Sauerstoffkonzentration dürfte aber ziemlich stabil bleiben. Seit 2016 wird der Hallwilersee nicht mehr mit Reinsauerstoff belüftet, sondern nur noch mit Druckluft – dies fördert die Zirkulation der Wasserschichten.
Auch in den Badis ist der Wasserstand ein Thema. Kurt Freudemann, der seit 17 Jahren im Strandbad Seerose arbeitet (13 Jahre als Badmeister und 4 Jahre als Pächter), kann sich nicht erinnern, wann der See während der Badisaison zum letzten Mal so tief lag.
«Beim Wassertrampolin ist deswegen Vorsicht geboten: Das Wasser ist dort nur noch 1,73 Meter tief.» Er sage den Gästen, sie sollten nicht mit den Füssen voran hineinspringen – es drohen Schnittverletzungen, weil der Boden reich an Muschelschalen ist. Dafür bereitet der Sprungturm keine Probleme: «Es besteht absolut keine Gefahr. Das Wasser dort ist tief.» Dies hat Freudemann auf einem Tauchgang persönlich überprüft. Froh ist er über die Wasserpumpe unter dem Steg: Dank ihr kann er die Badiwiese bewässern. «Grosse Teile unseres Rasens sind grün, nicht so wie in vielen anderen Badis», freut er sich.
Schwäne sind besonders frech
Während des heissen Sommers ist die Aufregung um die Schwäne gross. In diversen Badis rund um den See stolzieren die Könige des Hallwilersees über die ausgebreiteten Badetücher. Angst oder Zurückhaltung kennen die Tiere nicht: Sie stecken ihre Schnäbel in Badetaschen und suchen darin nach Essen. Werden sie fündig, lassen sie sich ihre Beute kaum mehr entreissen.
Eine Erklärung für dieses Verhalten hat Paul Fankhauser. Der Seenger ist Mitglied und Vorstand des Vereins «Schwanenkolonie Hallwilersee» und hat ein Badehäuschen direkt am See, in dem er so viel Zeit wie möglich verbringt. «Die Schwäne wurden fast schon zu diesem Verhalten erzogen. Wegen der Belüftung ist der Hallwilersee sehr klar, enthält aber auch kaum Plankton oder Seegras. So fehlt nicht nur den Schwänen, sondern auch Enten und Fischen ein Teil der Nahrung.» Hinzu kommt, dass viele Badibesucher die Tiere füttern, obwohl es zum Beispiel in der Badi Brestenberg als verboten ausgeschildert ist.
Die anhaltende Hitze schadet den Schwänen vom Hallwilersee nicht, obwohl der Bestand seit dem Frühling leicht gesunken ist. Waren es Ende Mai noch 74 Wasservögel, sind es jetzt noch knapp 60 Tiere. Eine gewisse Dezimierung sei normal, wie Fankhauser sagt. «Dieses Jahr lag sie jedoch leicht über dem Durchschnitt.»
Der tiefe Wasserstand stört die Schwäne wenig. Doch Fankhauser beobachtet die Entwicklung: «Seit Ende Juli ist der Pegel um 11 cm gesunken. Geht das so weiter, ist er bald so tief wie im Herbst 2015.» Grosse Sorgen macht er sich aber noch nicht: «Sobald es regnet, wird die Natur es von selbst richten.»