
Der Impfstoff ist knapp: Viele Aargauer konnten keinen Impftermin ergattern
Ab 8 Uhr konnten Aargauerinnen und Aargauer einen Impftermin buchen. Oder besser: Sie konnten es versuchen.
Kurz vor 11 Uhr schrieb ein AZ-Leser in einer E-Mail an die Redaktion, er versuche seit 8 Uhr am Kantonsspital Baden (KSB) einen Impftermin zu erhalten. Seine Frau und er seien beide Hochrisiko-Patienten und er selbst sei zudem über 75 Jahre alt. Anfänglich seien Terminvorschläge gekommen, die noch frei waren, schreibt er. Aber: «Buchte man sie, kam die Meldung, dass der Termin nicht mehr frei sei.»
Um 8.30 Uhr sen dann die Meldung gekommen, dass keine online Termine mehr verfügbar seien, man solle telefonisch reservieren. Er griff zum Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldete eine Stimme, man sei mit dem Impfzentrum des KSB verbunden, man solle am Apparat bleiben. So ging das weiter. «Wir finden es skandalös», schreibt er.
«Ich finde die ganze Anmeldung einen Skandal»
Am Kantonsspital Aarau (KSA) ist es impfwilligen Personen nicht anders ergangen. Ein anderer AZ-Leser wandte sich per Mail an KSA-Chefinfektiologe Christoph Fux und Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati. Seine Frau ist herzkrank und der Kardiologe hatte ihr geraten, sich so schnell wie möglich impfen zu lassen.
Der AZ-Leser schreibt: «Um genau 08:00 Uhr sassen wir am PC und kamen im Programm bis zu den Daten. Nach 38 Minuten kam die Meldung: keine Termine mehr. Ich finde die ganze Anmeldung einen Skandal. Es wurde in der Anmeldung nicht einmal nach einer Vorerkrankung gefragt.»
Die beiden Ehepaare sind nicht die einzigen, die keinen Termin für sich oder ihre kranken oder betagten Angehörigen buchen konnten. In den Sozialen Medien berichten Menschen von Fehlermeldungen und überlasteten Systemen.
Fux: «Die Verfügbarkeit ist aktuell noch sehr beschränkt»
Chefarzt Christoph Fux hat dem AZ-Leser auf seine E-Mail geantwortet. Er erklärt, die Verfügbarkeit von Impfstoffen sei derzeit noch sehr beschränkt. «Für den ganzen Kanton stehen aktuell nur 2500 Dosen Woche zur Verfügung, zusätzlich zu den Impfstoffen, welche für die Alters- und Pflegeheime gebraucht werden.» Damit könne pro Woche weniger als 0.5 Prozent der Bevölkerung geimpft werden, so Fux.
Aus diesem Grund bestehe auch die Altersschwelle von 75 Jahren. «Das Alter ist das grösste Risiko für Komplikationen», schreibt Fux weiter. Jüngere Patienten könnten sich im Moment deshalb leider nicht online anmelden.
Er rät dem Mann, sich bei seinem Hausarzt zu melden und mit ihm zu besprechen, was die schnellste Möglichkeit sei, geimpft zu werden. «Der Hausarzt wird regelmässig informiert über zusätzliche Anmeldungskanäle.»
Knapp 1300 Termine pro Woche
Am Kantonsspital Baden (KSB) könnten knapp 1300 Termine pro Woche gebucht werden, sagt Sprecher Omar Gisler. Wann wieder neue Termine verfügbar seien, bestimme der Kanton. Gisler geht davon aus, dass dies voraussichtlich nächste Woche der Fall sein werde. Aktuell kann sich auf der Website nur anmelden, wer über 75 Jahre alt ist. «Wer dieses Kriterium nicht erfüllt, wird nicht geimpft respektive weggewiesen – auch das ist explizit so formuliert», sagt Gisler.
Hausärztinnen und Hausärzte, die für Patienten mit Risikoerkrankungen, auch jüngere, einen Termin buchen möchten, müssen dies laut Gisler nicht über das Online-System tun. «Ihnen steht ein anderer Weg zur Verfügung.»
Am KSB erfolgten rund 75 Prozent der Terminbuchungen online, der Rest per Telefon.
Warten auf die Software des Bundes
Im Aargau kann man sich in einer ersten Phase nur in den Impfzentren der beiden Kantonsspitäler in Aarau (KSA) und Baden (KSB) impfen lassen. Ausserdem sind ab dem 5. Januar mobile Teams unterwegs, die den Impfstoff in Pflegeheime bringen. Sobald mehr Impfstoff verfügbar ist, sollen weitere Impfzentren folgen und in einem weiteren Schritt sollen auch Hausärztinnen oder Apotheker gegen Covid-19 impfen können.
Wer einen Termin im Impfzentrum buchen will (aktuell ist alles ausgebucht), muss das über die Website des KSA oder KSB tun. Die Buchungssysteme unterscheiden sich. Das ist nicht etwa gewollt, sondern der Tatsache geschuldet, dass der Bund die versprochene Software nicht rechtzeitig geliefert hat.
Da der Bund «voraussichtlich erst Mitte Januar ein Buchungssystem anbietet, mussten wir kurzfristig auf eine externe, schnell realisierbare Übergangslösung zurückgreifen», teilt die Kommunikationsstelle des KSA mit. Das Spital setzt auf das Buchungssystem des deutschen Anbieters Terminland, das am KSA bereits für Covid-Testanmeldungen eingesetzt wird.
Über 50’000 Besuche auf der KSA-Website
Aufgrund des hohen Ansturms am Montagmorgen sei das System zwischendurch an seine Grenzen gestossen, teilt das KSA mit. «Wir verzeichneten vor 10 Uhr über 50’000 Besuche auf der KSA-Website und mehr als neun Termin-Anfragen pro Sekunde.»
Dies habe zur Konsequenz gehabt, dass man es teilweise mehrmals versuchen musste um einen Termin zu bekommen. «Wir konnten aber erfolgreich alle verfügbaren Slots füllen. Nun müssen wir warten, bis wir wieder Impfstoffe bekommen, um weitere Slots zu vergeben», heisst es beim KSA.
«Das System war den Anforderungen gewachsen»
Das KSB vertraut auf die Plattform von Doctena. Diese komme bereits im Ärztezentrum Limmatfeld sowie in bestimmten Kliniken des KSB zur Buchung von Sprechstunden-Terminen zum Einsatz, ebenso im Covid-Testzentrum. Sie habe sich bewährt, sagt Gisler.
«Wir haben mit einer hohen Nachfrage gerechnet und unsere Webseite und deren Umgebung bereits letzte Woche so konfiguriert, dass diese einer höheren Last als im Normalfall standhalten können», sagt Gisler. Das System sei den Anforderungen denn auch gewachsen gewesen.