Der Raucher-Kodex

Man kann über Raucher sagen, was man will. Wie verantwortungslos es beispielsweise doch sei, die eigene Gesundheit so fahrlässig aufs Spiel zu setzen. Aber etwas muss man den Rauchern wirklich lassen: ihre Solidarität untereinander. Noch kein einziges Mal habe ich beobachtet, wie ein Raucher zu einem anderen, fremden Raucher hingeht, ihn um eine Zigarette bittet und darauf eine negative Antwort kassiert. Wer sich infolge fehlender Zigaretten auf unfreiwilligem Tabakentzug befindet, kann jede beliebige andere rauchende Person um einen Glimmstängel bitten und darf von guten Erfolgschancen ausgehen.

Jeder Raucher und jede Raucherin kennt offensichtlich die unschöne Situation, im falschen Moment keine Zigaretten mehr zu haben. Man kann sich perfekt in die Situation hineinversetzen und zeigt sich deshalb grosszü- gig. Es scheint geradezu einen Raucher-Kodex zu geben: Fragt dich jemand um eine Zigarette, so gib ihm eine! Mehrere Raucherinnen und Raucher aus meinem Umfeld können mir diese Solidarität bestätigen. Eine Person verriet mir gar ihr übliches, antrainiertes Vorgehen: «Ehy, kann ich mir eine Zigi von dir ausleihen? Vielen Dank. Sogar meine Marke! Feuer bräuchte ich auch noch. Aber rauchen kann ich selber.» Auf die Verwendung des Begriffs «Ausleihen» legt er offenbar besonders Wert. Gefühlten 500 wildfremden Personen schulde er mittlerweile eine Zigarette. Gibt es eine Solidarität, die mit jener unter den Rauchern vergleichbar ist? Ich weiss es nicht. Aber haben Sie schon einmal erlebt, wie eine weibliche Person von einer anderen Frau keinen Tampon gekriegt hat?