
Der Schweiz gehen die Äpfel aus – jetzt kommt ein Notfallplan
So lange reicht es noch
Jona Gold: bereits ausverkauft; normalerweise bis Ende August im Sortiment
Gala: reicht noch bis Mitte April; normalerweise bis Ende Juni im Sortiment
Golden Delicious: wird noch bis Ende Juni im Verkauf sein; normalerweise bis Mitte September
Braeburn: reicht noch bis Ende Februar; normalerweise bis Ende Mai
Im Frühling 2017 waren die Schweizer Apfelbauern machtlos. In einem unüblich warmen März bildeten die Bäume früher als sonst Knospen. Im April kam der Frost. Mehrere Tage unter null Grad, ein paar warme Tage, es schien überstanden, dann nochmals Kälte über mehrere Tage hinweg, teilweise minus sieben Grad. Frostkerzen waren schweizweit ausverkauft.
Nun hat die Schweiz zu wenige Äpfel aus heimischer Produktion. Gala-Äpfel, die beliebteste Sorte, gibt es noch bis Mitte April zu kaufen, normalerweise reichen die Vorräte bis Ende Juni. Braeburn-Äpfel kann der Detailhandel noch bis Ende Februar führen, nicht wie sonst bis Ende Mai. Jona-Gold-Äpfel, die es sonst bis August hat, sind schon weg. Ebenso Rubinette-Äpfel oder Cox Orange (siehe rechts).
Mitte April ausverkauft
Ende November waren die Vorräte um 35 Prozent kleiner als im Vorjahr. «Spätestens Mitte April werden Schweizer Äpfel ausverkauft sein. Bis zur nächsten Ernte dauert es jedoch noch einige Monate», sagt Marc Wermelinger von Swisscofel. Der Handelsverband für Schweizer Früchte und Gemüse vertritt 170 Unternehmen, darunter Migros und Coop. Wermelinger: «So etwas habe ich in 26 Jahren im Obsthandel nicht erlebt.»
Die Schweiz importiert jedes Jahr ein gewisses Kontingent an Äpfeln. Normalweise sind es maximal 2500 Tonnen, die ab Ende April eingeführt werden dürfen. So wird die Zeit bis zur nächsten Ernte überbrückt. Dieses Jahr reicht das nicht. «Wir werden von Januar bis März rund 6000 Tonnen einführen müssen», sagt Wermelinger. Sonst würden chaotische Verhältnisse drohen. «Und die Obstbauern werden doppelt bestraft.»
Doppelschlag für Obstbauern
Ohne Sonderimporte werden so lange Schweizer Äpfel verkauft, bis die Vorräte aufgebraucht sind. Dann erst dürften Äpfel frei importiert werden. So sieht es die entsprechende Verordnung vor. Ein freier Import verliefe jedoch erfahrungsgemäss unkontrolliert, so Swisscofel. Jeder führt ein, wie viel er will. Da Europa genau wie die Schweiz von der Frostwelle getroffen wurde, käme die Ware hauptsächlich aus Übersee: Südamerika, Südafrika, Neuseeland oder Australien.
Von dort könnten grosse Mengen die Schweiz erreichen und die Preise gerieten unter Druck. Es wäre ein Doppel-Hammer für die Apfelbauern. Erst war die Ernte miserabel, in einigen Regionen brach sie um die Hälfte ein. Für diese enttäuschende Ernte gebe es einen schlechteren Preis. Wermelinger sagt dazu: «Natürlich könnten die Konsumenten sagen: Was interessiert mich das? Aber ich finde, man darf ihnen auch erklären, was die Folgen eines unkontrollierten Imports wären.»
60 Prozent der Obstbauern betroffen
Nach Schätzungen von Swisscofel werden dieses Jahr rund 60 Prozent der Obstbauern ein finanziell schlechtes Jahr haben. Das heisst, sie werden entweder einen Verlust schreiben oder diesen gerade noch vermeiden. Swisscofel hat sich daher mit dem Schweizer Obstverband zusammengetan, der die Obstbauern vertritt. Gemeinsam haben sie beim Bundesamt für Landwirtschaft einen Antrag gestellt, eine Art Notfallplan für Schweizer Äpfel.
Im ersten Quartal soll ein Kontingent von 6000 Tonnen importiert werden. Die ausländischen Äpfel würden zusammen mit schweizerischen im Detailhandel angeboten. Der Verkauf von Schweizer Äpfeln könnte gedrosselt werden, die monatlichen Verkäufe sind geringer und die Vorräte reichen näher bis zur nächsten Ernte. So bleiben die Schweizer Äpfel im Verkauf, sie verschwinden nicht über Monate aus den Regalen. Das ist entscheidend für den Status des Schweizer Apfels im Detailhandel.
Denn ohne den Notfallplan wären Schweizer Äpfel über Monate hinweg nicht mehr vertreten bei Migros oder Coop. Zudem könnten die ausländischen Äpfel nicht alle Sorten ersetzen, die normalerweise im Detailhandel angeboten werden. Ihren Platz in den Schweizer Verkaufsregalen würden stattdessen andere Früchte einnehmen wie zum Beispiel Bananen, Ananas oder Orangen. «Wir wollen den Platz am Verkaufspunkt nicht preisgeben», sagt Wermelinger. «Es ist nicht auszuschliessen, dass sich Gewohnheiten ändern. Im schlimmsten Fall könnten sich Äpfel in Zukunft dauerhaft schlechter verkaufen.» (Niklaus Vontobel/AZ)