
Der Schweizerische Alpentourismus zerfällt in zwei Welten
Die höchsten Preise werden am Genfersee bezahlt
Die teuersten Eigenheime der Schweiz sind nicht etwa an der Zürcher Goldküste zu finden. Das hat eine neue Studie der Grossbank UBS zum Markt für Luxusimmobilien ergeben. Demnach wird in der Gemeinde Cologny am linken Genfer Seeufer am meisten für den Quadratmeter Wohnfläche bezahlt, rund 35 000 Franken. Wie andere Schweizer Nobelort kann auch Cologny auf Beziehungen zur globalen Prominenz verweisen. So schrieb Mary Shelley dort ihren Roman «Frankenstein».
Heutzutage lockt Cologny nicht nur mit landschaftlicher Schönheit englische Romantiker an. Es hat gemäss UBS auch eine «unterdurchschnittliche» Steuerbelastung. Auf ähnliche Preise kommen noch die traditionsreichen Tourismusregionen Gstaad und St. Moritz. Hingegen bewegen sich am Zürichsee die Preise für Luxuswohnungen in einer tieferen Bandbreite: von 20 000 bis 30 000 Franken. Im weltweiten Vergleich zeigt sich, dass die höchsten Preise in Monaco bezahlt werden. (NAV)
In den letzten fünf Jahren hechelte der Schweizer Alpentourismus der österreichischen Konkurrenz hinterher. Dies galt für Hotelübernachtungen oder die Zahl der Skifahrertage. Eine neue Studie der Grossbank UBS zum alpinen Markt für Ferienwohnungen ergibt nun ein geteiltes Bild. Insgesamt stagnierten die Preise für Ferienwohnungen in der Schweiz, in Österreich stiegen sie stark an. Doch die teuersten Destinationen in der Schweiz sind noch immer gefragter als jene in Österreich.
St. Moritz in Graubünden beispielsweise preist sich an als «Treffpunkt der aristokratischen, internationalen Oberschicht». Vor 150 Jahren habe man eigenhändig den Wintertourismus begründet. Dieses Selbstverständnis hat in den letzten Jahren zwar arg gelitten. Gäste blieben weg, die Zahl der Logiernächte ging zurück. Ferienwohnungen werden zu tieferen Preisen angeboten als vor fünf Jahren.
Das Gedröhn der Ferraris
Doch St. Moritz zählt noch immer zur Weltspitze. Nur in Aspen in den Rocky Mountains sind Luxusferienwohnungen deutlich teurer. Das österreichische Kitzbühel liegt weit zurück. Ähnlich sieht es aus, nimmt man klassische Ferienwohnungen als Massstab: Gemäss UBS sind die Preise in St. Moritz am höchsten im Alpenraum. Selbst am Berner Nobelort Gstaad wird weniger bezahlt. Kitzbühel kann erneut nicht mithalten. Und zuletzt gelang St. Moritz eine Wende: Es kamen wieder mehr deutsche Gäste, den Hotels lief es besser, Ferienwohnungen wurden wieder zu höheren Preisen angeboten.
In Gstaad wird zwar oft der angebliche Verlust von altem Glanz beklagt. Echte Stars wie Prinzessin Diana oder Liz Taylor seien ersetzt worden durch unflätige Neureiche, klagte eine frühere Sportgrösse in Boulevardmedien. «Ich konnte das dauernde Gedröhn der Ferraris nicht mehr ertragen.» Doch wirtschaftlich ist Gstaad nach wie vor vorne mit dabei. Der Quadratmeterpreis für Luxusferienwohnungen liegt in der UBS-Studie weltweit auf Platz zwei. Bei den klassischen Ferienwohnungen legte Gstaad durchgehend zu. Zuletzt um 11 Prozent zum Vorjahr.
In diesem Tempo wird es zwar nicht weitergehen. Gemäss UBS ist der Preisschub eine späte Folge des Zweitwohnungsgesetzes, das seit 2016 den Neubau beschränkt. Viel Geld sei in Umbauten geflossen und diese renovierten Ferienwohnungen kamen 2018 auf den Markt. Der langfristige Trend spricht indessen für sich: Ferienwohnungen kosten heute in Gstaad rund 20 Prozent mehr als vor zehn Jahren.
Doch der schweizerische Alpentourismus zerfällt in zwei Welten. Die teuersten Destinationen konnten ihren preislichen Status halten. Ihre Märkte für Ferienwohnungen hatten vergleichbar viel Schwung wie jene in Österreich oder Frankreich. Den günstigeren Regionen erging es weniger gut. In drei von vieren liessen die Preise in den letzten fünf Jahren nach. Das gilt zum Beispiel für Arosa, Disentis und noch mehr für Leukerbad. «Die Schere zwischen teuer und günstig öffnet sich», so die UBS-Ökonomen. Die Schwäche der günstigeren Regionen führt dazu, dass im gesamten Schweizer Alpenraum heute Ferienwohnungen durchschnittlich gleich viel kosten wie vor fünf Jahren. In den österreichischen Alpen hingegen wird heute gut 25 Prozent mehr bezahlt, in den französischen Alpen rund 15 Prozent. Insgesamt entwickelt sich der alpine Tourismus also in Österreich besser als in der Schweiz, gemessen an den Immobilienmärkten.
Für die Schwäche in den günstigeren Regionen sehen die UBS-Ökonomen verschiedene Gründe. So würden viele dieser Destinationen darunter leiden, dass die Bevölkerung kleiner werde. Beispielsweise ist dies so in den Walliser Ortschaften Saas-Fee oder Leukerbad. Das Phänomen ist weit verbreitet. Seit 2016 ist ein Bevölkerungsrückgang selbst für das Total aller touristischen Destinationen zu beobachten. Zudem haben Ausländer in den letzten Jahren mehr Ferienwohnungen verkauft, als sie gekauft haben. Und in den touristischen Gemeinden stehen anteilsmässig fast doppelt so viele Wohnungen leer wie in den übrigen Regionen. Insbesondere das Wallis ist betroffen.