Der ständige Kampf gegen Krankheitskeime

Mit dem Thema Hypochonder befasste sich schon Jean-Baptiste Molière (1622–1673) in der Komödie «Der eingebildete Kranke». Sie wurde am 10. Februar 1673 uraufgeführt; die Rolle des Titelhelden spielte der Dichter selbst. Eine Woche später starb er in seinem Kostüm.

Das wird dem deutschen Komiker Ingo Börchers nicht passieren. Als Hypochonder kann er Angst vor mehreren Krankheiten gleichzeitig haben. Er weiss aber auch, wo sie überall lauern. Nämlich in Pilzen, Bakterien, Viren, Parasiten, Sporen und Schmarotzern. Während der Aufführung von «Keimfrei – ein Hypochonder packt aus» wusch er sich mehrmals die Hände. Er komme aus Bielefeld, ein Bahnknotenpunkt wie Olten. Das muss zugleich auch ein Zentrum für ansteckende Krankheiten sein. Das ging aus dem zweistündigen Auftritt hervor, wo Börchers in rasend schnellem Tempo die Welt der Keime und das Zeitgeschehen in der Medizin und der Politik beschrieb.

Treffsichere Pointen

«Yes, we can», habe der schwarze Mann im Weissen Haus versprochen. Angela Merkel habe daraus «Wir schaffen das» gemacht. Das Resultat sei bekannt. Immer wieder kamen andere seltsame Keimlinge in der deutschen Politik zur Sprache, einige Kenntnisse darüber wurden vorausgesetzt. So zum Beispiel bei der Titelseite der «Bild»-Zeitung, wo es heisst: «Sprung in der Schüssel? Politiker beschliessen Unisex Toilette. Für alle, die nicht genau wissen, ob sie Mann oder Frau sind.» Dazu habe es ein neues Gesetz gebraucht. «Unisex-Toiletten» seien erweiterte Bedürfnisanstalten für angehende Akademiker, eine Kultur von Klugscheissern, lautete das Fazit.

Wer sich nichts entgehen lassen wollte, musste schon sehr die Ohren spitzen. Anders als in den gewohnten und gemächlichen Schweizer Dialekten kam der Redeschwall auf Hochdeutsch so rasend schnell daher, dass man ihm kaum folgen konnte. Noch mit dem Verdauen einer Pointe beschäftigt, war schon die nächste fällig. Das geschah pausenlos ohne Unterbruch, ohne jemals anzustossen oder anzuhalten und dies während zwei Stunden – eine Meisterleistung. Hauptthema war eine Gesellschaft, in der alle alt werden wollen, aber keiner alt sein möchte. Keimfreiheit sei dabei zu beachten.

Die Deutschen seien mit 17 Arztbesuchen im Jahr in Europa Weltmeister. Das werfe die Frage auf, ob Deutschland krank mache. Die Pharmaindustrie bezeichnete er als «Krankheitserfinder», wenn der Umsatz stagniere, würden die Grenzwerte herabgesetzt, plastische Chirurgen nannte er «Änderungsfleischer». Betroffene könnten sich mit «Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren» trösten. Solche Vergleiche sind zwar drastisch, deckten aber auch Missstände auf und sorgten manchmal dafür, dass das Lachen im Hals stecken blieb. Etwa wenn der Mais, der in südlichen Ländern als Nahrungsmittel gilt, zur Produktion von Sprit verwendet wird, «da wird der Treibstoff zum Zündstoff». Spekulationen auf Lebensmittel sind gemäss Börchers das Widerlichste, was man sich vorstellen kann.

Das Leben hat Nebenwirkungen

Lebensmittelskandale, das Bildungswesen, die Medizin, Kinder und alte Leute: Börcher findet immer wieder den Zusammenhang von nachdenklich stimmenden Zuständen zu genau platzierten Pointen und wird philosophisch. Da er als Ehemann nicht mehr frei sei, möchte er wenigstens keimfrei leben. Er nimmt nicht nur Bezug auf Krankheiten, sondern zieht auch das gesellschaftliche Umfeld mit ein. Früher hätten Charakter und Schuhsohlen ein Profil gehabt, heute seien sie auf Facebook abgewandert. Bei den Werten dächten die meisten Menschen heute an Wertschöpfung statt an Wertschätzung. Viele verwechselten Lebenslauf mit Leben. Früher sei den Kindern erzählt worden, dass die Sonne nicht scheine, wenn der Teller nicht leergegessen werde. Heute wundere man sich über die zunehmende Fettleibigkeit und den Klimawandel. Bedauerlich sei, dass altershalber ein Knie ersetzt werden könne, der gleich alte Kopf jedoch nicht.

Immer wieder erntete Börchers spontanen Zwischenapplaus. Das Leben könne auch Spuren von «Müssen» enthalten, stellte er in Abwandlung von Verpackungstexten fest, wo von «Nüssen» die Rede ist. Schliesslich tröstete er jemanden, dessen Kopf ein Vogel mit Kot getroffen hatte, mit der Bemerkung, man müsse froh sein, dass die Kühe nicht fliegen können.