
Der Waldfriedhof: Die etwas andere letzte Ruhestätte

Letzte Ruhe im Wald
Weitere Waldfriedhöfe in der Region
Das Thurgauer Unternehmen FriedWald GmbH bietet in der ganzen Schweiz Möglichkeiten für Baumbestattungen an. In der Region konnten in Aarburg, Kirchleerau und Kölliken Verträge mit Waldbesitzern geschlossen werden. Der Kölliker Waldfriedhof befindet sich beispielsweise auf einem Waldstück der Ortsbürgergemeinde, auf einer Anhöhe oberhalb des Dorfes zwischen Kölliken und Gretzenbach. Dort können die Bäume, es handelt sich um einen Jungwald mit allen Baumarten, die in einem Mischwald vorkommen, bis mindestens 2081 als Friedbäume genutzt werden. (lbr)
Ein gepflegter Schotterweg führt am Rande des Langernwaldes entlang. Zwitschernde Vögel und zirpende Grillen erwecken das Gefühl, fernab der Hektik und des dicht besiedelten Oftringens zu sein. Die massiven und meterhohen Buchen und Eichen strahlen mit ihrem Blattgrün Ruhe, Beständigkeit und Vitalität aus. Gleichzeitig verweist ein entwurzelter und vermodernder Baumstrunk aber auch auf das pure Gegenteil: Die Leblosigkeit und die Vergänglichkeit. Der Langernwald ist und bleibt ein Ort, welcher den Kreislauf des Lebens nur zu gut darstellt. Gleichwohl weist auf dem Spaziergang durch die inspirierende Natur nichts darauf hin, dass er Mitten durch einen Friedhof führt.
Seit Mitte 2017 dient der Langernwald als Waldfriedhof. «Immer wieder wurde aus der Bevölkerung der Wunsch nach einer letzten Ruhe im Wald geäussert», erklärt der zuständige Gemeinderat Werner Amsler den Hintergrund dieser etwas aussergewöhnlichen letzten Ruhestätte. Als Grund, weshalb die Ortsbürgergemeinde Oftringen dieses Angebot anbietet, nennt er den «nötigen Waldbestand, über welchen weder Private noch die Kirche verfügt.» Bis heute seien bereits acht Bäume registriert – grundsätzlich stehen den Interessierten aber sämtliche Bäume im Langernwald zur Verfügung. «Das sind weit über 200 Bäume.» Sollte sich diese Kapazität trotzdem erschöpfen, «kann das Konzept vom Waldfriedhof problemlos auf einen anderen Standort ausgeweitet werden», so Amsler.
Kontrolle über den Tod hinaus
Ob sich jemand auf einem Waldfriedhof oder doch lieber auf einem herkömmlichen Friedhof beisetzen lässt, ist der Person selbst überlassen. Nach Werner Amsler sind es vor allem «Menschen, welche eine Beziehung zur Natur – insbesondere zum Oftringer Wald – haben», die sich auf dem Waldfriedhof Waldruh beerdigen lassen. «Der Baum nimmt die Asche als Nährstoff auf und wird somit zum Sinnbild für das Fortbestehen des Lebens und der Baum zur lebendigen Erinnerung an den Verstorbenen.»
Es seien dies zudem Menschen, welche kein öffentliches Monument haben möchten, ergänzt Amsler. Dieses fehlende öffentliche Monument entspricht indes einer besonderen Art der Kontrolle. Denn die verstorbene Person kann durch die eigenmächtige Auswahl der eigenen und teilweise sehr anonym gehaltenen Grabstätte – in Oftringen verweist lediglich eine am Baum angebrachte Nummer auf den Verstorbenen – über den Tod hinaus kontrollieren, wer die letzte Ruhestätte besuchen kann und wer davon ausgenommen ist. Dadurch entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Inklusion und Exklusion: Die fremde Öffentlichkeit kann ausgeschlossen und die Familie, Freunde sowie Bekannte inkludiert werden. «Denn nur die Angehörigen und Freunde wissen, wo ihr Liebster bestattet ist», sagt Amsler dazu.
In eine ähnliche Richtung geht die Argumentation von Dominique Baumann, dem Pfarrer Oftringens. Dieser sieht in den Waldbestattungen respektive allgemein in anonymen Bestattungen «ein Zeichen der Individualisierung unserer Gesellschaft.» Ähnliches ist der Wissenschaft zu entleihen, welche in anonymen Bestattungen nicht die Auflösung der Individualität – aufgrund des fehlenden öffentlichen Ortes –, sondern eine Artikulation ebendieser Individualität sieht. Diese beruht auf der Selbstbestimmung der Beisetzungsvariante – und, im Falle des Waldfriedhofes von Oftringen, im genauen geografischen Bestattungsort.
Sei es die Kontrolle über den Tod hinaus oder doch die Betonung der Individualität, Fakt ist, dass die Ortsbürgergemeinde gemäss Amsler bis anhin «nur positive Erfahrungen» machte. Die Waldbestattung stosse auf positiven Anklang und die Erfahrung zeige, «dass dieser Wunsch in der Familie abgestützt ist und getragen wird.» So gibt es zusätzlich die Möglichkeit eines Familienbaumes, welcher nicht nur den Kreislauf des Lebens einer Person verkörpert, sondern jener ganzer Generationen versinnbildlichen kann.
Kreislauf des Lebens
Mit dem Waldfriedhof kommt dem Langernwald und seinen kräftigen Buchen sowie Eichen ein zusätzliches Element der Verkörperung des Kreislaufes des Lebens hinzu: Die noch immer zwitschernden Vögel repräsentieren das Leben; die an den Baumstämmen angebrachten Nummern deuten ihrerseits auf die Vergänglichkeit hin.